Bestechung

Ließ sich eine Mitarbeiterin des Mannheimer Bauamts von Unternehmern mit Verbindungen zur Rotlichtszene bestechen?

Nach den Vorwürfen gegen eine Mitarbeiterin des Bauamts und zwei Unternehmer hat die Stadt nun einen externen Ermittler eingeschaltet. Die Frau soll unrechtmäßige Genehmigungen erteilt haben

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Angela Boll
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Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit März 2021 gegen die Sachbearbeiterin und die beiden Unternehmer © Peter Steffen/dpa

Mannheim. Wer wusste was? Wie schafften es zwei Unternehmer mit heißem Draht in die Rotlichtszene mutmaßlich eine Mitarbeiterin des Bauamts zu bestechen, so dass sie bereit war, ihnen unrechtmäßig Genehmigungen zu erteilen? Warum dauern die Ermittlungen schon über ein Jahr an und wann ist mit der Anklage zu rechen? Viele Fragen ranken sich um den Fall, der in Mannheim unter dem Schlagwort „Bauamtskandal“ bekannt wurde. Nun hat diese Redaktion erfahren, dass die Stadt für interne Prüfungen einen sogenannten Sonderermittler eingeschaltet hat. Wieso? Und was wurde aus dem Compliance-Beauftragten, der nach Bekanntwerden des Falls eingesetzt werden sollte? Wir haben Fragen gestellt und Antworten gesucht.

Gegen wen ermittelt die Staatsanwaltschaft und warum?

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit März 2021 gegen eine 49-jährige Sachbearbeiterin aus dem Fachbereich 60 „Baurecht, Bauverwaltung, Denkmalschutz“ und gegen zwei Männer, einer 42, der andere 30 Jahre alt. Die Ermittler werfen der Frau Bestechlichkeit vor, den Männern Geldwäsche und Bestechung. Alle Drei waren nach einer Razzia mit 250 Polizeibeamten im Frühjahr 2021 festgenommen worden und saßen einige Wochen in Untersuchungshaft. Weil die Beschuldigten Vermögenswerte hinterlassen haben und aus Sicht der Ermittler keine Verdunklungsgefahr besteht, kamen sie wieder auf freien Fuß – auch wenn die Vorwürfe zu keinem Zeitpunkt fallen gelassen wurden.

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Was ist bekannt über die Beschuldigten?

Wie die Staatsanwaltschaft bestätigt, gab es wohl eine „Zuneigung der Angestellten zu dem jüngeren Mann“. Das sei aber einseitig gewesen. Inwiefern das die Frau veranlasst hat, den Männern Genehmigungen zu erteilen und Informationen weiterzugeben, ist noch Teil der Ermittlungen. Die Frau soll zudem Wertgegenstände von den Männern angenommen haben. Bei den Männern handelt es sich um Unternehmer. Mindestens der 42-Jährige soll Immobilien in der Lupinenstraße besitzen und den Plan verfolgt haben, Etablissements aus der Lupinenstraße ins Hafengebiet zu verlegen.

Warum dauert es so lange, bis Anklage erhoben wird?

Die Arbeit sei sehr aufwendig, so erklärt es Oberstaatsanwalt Jochen Seiler, der in dem Fall die Ermittlungen leitet. Aktuell liefen noch Zeugenbefragungen und Auswertungen von Tausenden Chatprotokollen, die der Polizei vorliegen. Seiler hofft aber, dass noch im Spätsommer Anklage erhoben werden kann und geht davon aus, dass die Vorwürfe nachgewiesen werden können. Der Prozess soll dann an der Wirtschaftsstrafkammer verhandelt werden.

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Gibt es Personen in der Stadtverwaltung, die von der mutmaßlichen Abhängigkeit der Frau zu den Männern wussten?

Bisher, so sagt Seiler, sei das niemandem nachzuweisen. Die Beantwortung dieser Frage sei aber noch Teil der Ermittlungen. Die Stadt hatte nach Bekanntwerden der Ermittlungen eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern gebildet, um die Vorgänge zu überprüfen. Außerdem sollte ein Compliance-Beauftragter eingestellt werden.

Wann wurde der Compliance-Beauftragte eingestellt und was macht er oder sie?

Wie eine Pressesprecherin der Stadtverwaltung bestätigt, ist die Stelle des Compliance-Beauftragten zum 1. Juni 2022 mit einem Mann und einer Frau besetzt worden. Aufgabe dieser Mitarbeiter ist es nun unter anderem, Programme zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu schaffen und alle Vorgänge im Hinblick auf die Einhaltung dieser Regeln zu dokumentieren.

Warum wurde die Stelle erst im Juni – weit über ein Jahr nach Bekanntwerden der Vorwürfe – besetzt?

Bei der Stadt fasst man sich bei dieser Nachfrage kurz. Es heißt, die Besetzung habe „die erforderliche Zeit benötigt“.

Zusätzlich hat Oberbürgermeister Peter Kurz einen Sonderermittler eingesetzt, der hausintern ermittelt. Warum?

Mit dieser Frage konfrontiert, heißt es von der Pressestelle: „Angesichts eines anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, das geeignet ist, Vertrauen in die Verwaltung zu erschüttern, hat sich die Stadt entschieden, einen externen Juristen zur internen Prüfung der Vorgänge zu beauftragen.“ Bei dem Sonderermittler handelt es sich nach Informationen dieser Redaktion um einen Anwalt. Auf die weitere Nachfrage, ob dieser Jurist konkrete Vorwürfe gegen eine Führungskraft aus dem Fachbereich prüft, hat die Stadt nicht geantwortet.

Bereits seit der Festnahme der Mitarbeiterin gibt es die zuvor erwähnten internen Prüfungen. Liegen dazu Ergebnisse vor?

Eine Pressesprecherin der Stadt erklärt, dass diese Abläufe im Fachbereich noch nicht abgeschlossen seien. Aus rechtlichen Gründen möchte sie keine Angaben zu den Inhalten der laufenden Prüfung machen. Schon im vergangenen Jahr waren aufgrund der Vorgänge Abläufe in dem Fachbereich geändert und Schulungen eingeführt worden.

Vonseiten der Stadt war bisher die Verlegung der Lupinenstraße als Teil einer Aufwertung der Neckarstadt begrüßt worden. Nun gibt es Vorwürfe offenbar gegen einen der Hauptansprechpartner dieses Projekts. Werden die Pläne dennoch verfolgt?

Nach Angaben der Pressestelle gibt es zurzeit keine Gespräche der Stadtverwaltung zum Thema Lupinenstraße.

Mit welchen Strafen müssten die Beschuldigten im Fall einer Verurteilung rechnen?

Beim Vorwurf der Bestechlichkeit reicht schon das Versprechen aus, sich rechtswidrig zu verhalten, um sich strafbar zu machen. Weil die Verdächtigen banden- und gewerbsmäßig ihre Ziele verfolgt haben sollen, stehen bei einer möglichen Hauptverhandlung an der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Strafen zwischen einem und zehn Jahren im Raum.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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