Lieblingsstücke im Technoseum – Teil 5

Lieblingsstücke im Technoseum: Anne Mahn und die Dietriche

Kuratorin Anne Mahn schwärmt ausgerechnet für alte, angerostete Dietriche. Auf welchen Umwegen ihre Lieblinge nach Mannheim ins Technoseum gekommen sind.

Von 
Roger Scholl
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Sie findet sie „super-spannend“: Kuratorin Anne Mahn und die Dietriche, die zum Einbrecherwerkzeug-Set, ihrem Lieblingsstück im Technoseum, gehören. © Roger Scholl

Mannheim. Alles wirkt irgendwie improvisiert, man sieht es den Stücken deutlich an, dass sie nur ihren Zweck erfüllen mussten. Vieles ist aus vorhandenen Materialien zusammengesetzt, anderes nur grob zurechtgesägt und zusammengesteckt, und als Aufbewahrungsetui diente ein altes, ungeschickt zusammengeflicktes Stück aus einem Futterstoff, das mit einem Schnürsenkel umwickelt war. Ein Meister war er wohl nicht, der Mensch, der Anne Mahns Lieblingsstücke hergestellt hat. Zumindest nicht im Schlosserhandwerk. Über seine Fähigkeiten auf dem Gebiet, dem die Werkzeuge ausschließlich dienten, kann man nur spekulieren.

Die „Schablonen“ des Einbrechers: Kleine Bleiplättchen, in die er Schlüssel von Schlössern eindrückte, die er knacken wollte – oder geknackt hat? © Roger Scholl

Wir sitzen in ihrem kleinen, gemütlichen Büro auf der Südseite des Museumsbaus. Überall Zettel und Kartons, Bücher und Kataloge, wohin man auch schaut, künftige Ausstellungsstücke und ein paar weiße Handschuhe neben der Kaffeetasse. Hier wird gearbeitet, das sieht man. „Ja, ich bin noch mitten in der Vorbereitung der großen Krimi-Ausstellung im kommenden Jahr.“ Anne Mahn ist Kuratorin im Technoseum, eine Arbeit, die sie ganz grob mit „Ausstellungsmacherin und Verwalterin für den Bereich Alltagskultur hier“ umreißt. Ihr Traumjob.

Erster Auftrag: die große und viel beachtete Bier-Ausstellung

Auch er, wie so viele andere im Museum, kein Ausbildungsberuf, und auch sie hat, wie so viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, etliche Wege beschritten, um hier anzukommen. „Studiert habe ich Kunstgeschichte, Germanistik und Anglistik“, in ihrer Dissertation widmete sie sich dem Leben und Werk eines heute fast vergessenen Malers und Schriftstellers: Karl Jakob Hirsch (1892 bis 1952). Schon während des Studiums ist ihr Interesse an Museen geweckt, sie bewirbt sich als studentische Hilfskraft im Museum in Altona, „inventarisieren, von der Ü-Ei-Figur bis zum Schiffspropeller, alles Mögliche“.

Kurz darauf darf sie dort einen Katalog erstellen, „das Thema hatte mit meinem Promotionsthema zu tun“. Und weil das so gut klappt, überträgt man Anne Mahn das Kuratieren einer Ausstellung über die dort einst ansässige Schiffspropeller-Fabrik Zeise, „so kam ich dann zu dem Bereich der Industriekultur“. Eine Festanstellung freilich kann ihr das chronisch knappe Hamburg nicht bieten, weil die junge Frau aber längst Feuer und Flamme ist für den Job im Museum, macht sie sich als Kuratorin selbstständig, „unter anderem hab‘ ich für ein Mehlsack-Museum gearbeitet oder eine Schau über Aristo-Rechenschieber kuratiert“.

Wer in diesem Bereich arbeitet, wer wie sie solche Interessensgebiete beackert, der kennt auch das Mannheimer Technoseum, „selbstverständlich, zweimal hab‘ ich mich hier beworben, beim zweiten Mal, 2014, hat es dann geklappt – „ich war sehr glücklich über die Nachricht“. Und sie steigt gleich voll ein – ihr erster Auftrag: die große und viel beachtete Bier-Ausstellung anlässlich 500 Jahre Reinheitsgebot. Ein Erfolg. Das gilt auch für die außergewöhnliche Ausstellung über Arbeit und Migration im Jahr 2021 und den 2024 folgenden Rundgang zum selben Thema.

Die Dietriche in ihrem „Etui“ aus Futterstoff, in den ein Textilschildchen mit der Ziffernfolge 28 eingenäht ist – eine Größenangabe? © Roger Scholl

Und wie macht man denn nun eigentlich eine Ausstellung? „Lassen Sie mich’s mal so sagen: Man setzt sich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen und sucht nach Themen, die auch in ein paar Jahren noch interessant und relevant sind, die man darstellen kann in unserem Haus.“ Dann werde gründlichst recherchiert, man ziehe Experten von außen, Zeitzeugen etwa, hinzu, und schließlich gehe man auf die Suche nach Geldgebern, Kulissenbauern und Exponaten.

Die Ausstellungsstücke, die sie zu ihren Lieblingen erkoren hat, sind allerdings nicht auf diesem Weg ins Museum gekommen: „Nein, es war ganz anderes. Sie waren Jahrzehnte lang im Türstock eines Einfamilienhauses in Berlin eingemauert. Dort hat sie dann ein Abriss-Unternehmer entdeckt, als das Haus einem Neubau weichen musste.“ Ja und dieser Unternehmer habe Verbindungen ins Technoseum, „und er wusste, dass wir eine Krimi-Ausstellung planen.“ So habe dieses „super-spannende“ Einbrecherwerkzeug-Set nach Mannheim gefunden.

Krimi-Ausstellung im Technoseum

  • Die große Krimi-Ausstellung im Technoseum wird im Juni 2026 eröffnet. Sie umfasst rund 500 Quadratmeter, verteilt über das gesamte Haus.
  • Besucher erwartet eine Fülle von MItmach-Stationen .
  • Auch spektakuläre Fälle , die in Mannheim spielen oder mit Mannheim zu tun haben, werden vorgestellt, etwa ein Raub im Nachkriegs-Mannheim („Wer fuhr den grauen Ford?“).

Es handelt sich um vier Dietriche, also spezielle „Nachschlüssel“, mit denen Einbrecher Schlösser knacken, sie wirken einigermaßen improvisiert, sind aus anderen Werkstücken zusammengesetzt und auf spezielle Schließvorrichtungen angepasst worden. Mit dabei: mehrere kleine Blei-Plättchen, mit denen der Einbrecher Abdrücke von anderen Schlüsseln gemacht hat, um nach ihrem Vorbild sozusagen dann die Dietriche zu basteln. Da die Stücke alle deutliche Gebrauchspuren aufweisen, darf man davon ausgehen, dass sie mehrfach bei Brüchen im Einsatz waren. „Wer sie hergestellt hat, wer sie benutzt hat, für welche Taten man sie in Gebrauch hatte, bleibt ein großes Rätsel.

“ Übrigens auch die Zeit, in denen das Einbruch-Set eingesetzt wurde, allenfalls einen kleinen Hinweis darauf bietet ein Ausriss einer Konstruktionszeichnung einer „Klemmschelle“, der sich auf das Jahr 1941 datieren lässt – auch ein „Anschauungsobjekt für den Täter“?

Die Risszeichnung einer „Klemmschelle“ aus dem Jahr 1941 – ein Indiz für die „Einsatzzeit“ des Einbrechers? © Roger Scholl

Wir wissen es nicht, ebenso wenig kennen wir die Herkunft des kleinkarierten Futterstoffs, in den ein kleines Stoffschild mit der Ziffernkombination 28 eingenäht ist. Eine Größenangabe? 28 – das ließe dann auf einen untersetzten Mann schließen. „Sie sehen: superspannend und voller Rätsel“, sagt Anne Mahn und man merkt, dass ihre Spurenleser-Instinkte geweckt sind. „Ich wüsste zu gerne, wem das gehörte, wo die Dietriche eingesetzt wurden – und warum sie niemand mehr aus dem Versteck im Türstock geholt hat.“

Auch neue Themen wie Deep-Fake und KI gehören zur Ausstellung

Ob sich das allerdings je beantworten lässt, bleibt eher zweifelhaft. Sicher wissen wir allerdings bereits, dass die große Krimi-Ausstellung im Technoseum im Juni 2026 eröffnet wird. „Wir haben zehn Bereiche auf etwa 500 Quadratmetern im ganzen Haus verteilt, das meiste davon sind Mitmach-Stationen.“ Es geht etwa um den spektakulären Raub im Nachkriegs-Mannheim, der unter dem Titel „Wer fuhr den grauen Ford?“ verfilmt wurde, und bei dem erstmals weibliche Ermittlerinnen eingesetzt waren und die entscheidenden Hinweise auf die Täter lieferten. Besucher erfahren etwas über genetische Fingerabdrücke, über gefälschte Luxus-Güter, aber auch über ganz neue Themen wie Deep-Fake und KI.

„Sie sehen, es wird spannend!“, verspricht Anne Mahn. Nur eine „Interessengruppe“ muss die Kuratorin enttäuschen: „Wir machen keine ,How-to-Ausstellung‘.“

Redaktion Lokalredaktion, Koordinator Stadtteilseiten

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