Mannheim. Wenn es bei dem frei schaffenden Pfleger Michael G. mal nicht so gut mit Einsätzen auf Honorarbasis läuft, dann bringt er in besseren Zeiten angeschaffte Goldmünzen zum städtischen Leihamt. Meist reichen ihm als Überbrückungsgeld um die 600 Euro. Seine Edelmetall-Pfänder hat er in den vergangenen zwei Jahrzehnten stets ausgelöst.
Dass dies nicht für alle Beleiher gilt, davon künden Ringe, Uhren, Tafelsilber, Musikinstrumente oder Mountainbikes, die unter den Hammer kommen. Gut zwei Drittel aller Männer und Frauen, die das restaurierte D 4-Gebäude mit Götterboten Hermes über dem Eingangsportal aufsuchen, sind Stammkunden, berichtet Leihamt-Geschäftsführer Jürgen Rackwitz. „Bei uns werden keine Einkommensnachweise oder Schufa-Auskünfte verlangt, und niemand verschuldet sich“, nennt er Vorteile des Pfandkredits. Er erzählt von einem Mann, der seit vielen Jahren das gleiche Öl-Gemälde bringt, es mit Kleinbeträgen um die 20 Euro beleiht , alle Gebühren bezahlt und immer wieder auslöst.
„Respektvoller Umgang“
„Für mich war das Leihamt die letzte Rettung, als mir keine Bank einen Kredit geben wollte“, erzählt eine alleinerziehende Mutter, die mit ihrem kleinen Büro Schiffbruch erlitten hat. Wenn für die beiden Kinder eine Anschaffung anstand oder die defekte Waschmaschine ersetzt werden musste, dann belieh sie Goldschmuck und Uhren aus Familienbesitz – „aber nur mit Summen, die ich wieder ansparen und zurückzahlen konnte“. Die 50-Jährige schätzt am Leihamt, dass sie dort stets „respektvoll“ behandelt worden ist. „Bei meiner Hausbank war das anders.“ Außerdem ist sie rückblickend erleichtert, dass sie nicht gezwungen war, in schwieriger Zeit Familienwertstücke zu verscherbeln.
Das Mannheimer Leihamt in kommunaler Regie ist inzwischen deutschlandweit das einzige öffentlich-rechtliche Pfandhaus. 1809 wurde es „zur Steuerung des Wuchers“ gegründet und im N1-Kaufhaus beherbergt. Der soziale Auftrag ist geblieben – „auch wenn wir uns an wirtschaftlichen Kriterien orientieren und nur Verwertbares beleihen“, betont Rackwitz. Beispielsweise werden keine Briefmarkensammlungen mehr angenommen – „da ist der Markt überschwemmt“. Und weil Handys oder Computer extrem schnell veralten, haben solcherart Produkte weitgehend als Wertgegenstand ausgedient. Und Waffen werden prinzipiell abgelehnt.
Ausgebildete Schätzer
„Unsere Klassiker sind Gold und Silber“, kommentiert der Leihamtschef. Edelmetalle werden aber in allen Variationen nicht nur zum Verpfänden, sondern auch zum Verkauf vorgelegt. Die ausgebildeten Schätzer haben inzwischen bessere Prüfmethoden als einstige Wild-West-Goldsucher, die Nuggets per Biss zu testen pflegten. Zur Verfügung stehen geeichte Präzisionswaagen und zur Bestimmung des Feingehaltes werden Säureprüfkästen, Dichtigkeitswaagen und Schall eingesetzt. Und dabei offenbart sich so manches Mal zum Entsetzen ahnungsloser Eigentümer, dass nur eine dünne Goldschicht minderwertiges Metall umhüllt. Betriebsleiter Kurt Thomaschek und sein Team wissen, dass es kaum etwas gibt, das nicht gefälscht oder imitiert wird – von Krügerrandmünzen und Goldbarren über Rolex-Uhren bis zum Montblanc-Füller. Nicht nur am Arbeitsplatz von Schätzer Dirk Kieck kündet ein Glas voll mit poliertem Messingschmuck vom berühmt-berüchtigten „Autobahngold“: So nennt die Polizei jene falschen Ringe, Ketten und Armbänder, die Betrüger an Raststätten oder Tankstellen mittels rührseliger Geschichten über verlorenes Bargeld, das dringend zum Tanken oder für Omas Medizin benötigt wird, wortreich Reisenden andrehen. Hingegen gibt es bei Zahngold so gut wie keine (Wert-)Überraschungen, aber dafür Erstaunliches: Denn oftmals hängt an einer Goldkrone noch der Zahn.
Versichert im Tresor
„Unser Premiumprodukt ist das eingelagerte Vario-Pfand“, erläutert Leihamtschef Rackwitz: „Und das ist so mindestens so günstig wie ein Bank-Dispokredit, aber deutlich flexibler.“ Allerdings taugen dafür nur Wertgegenstände ab 10 000 Euro: ob bankhandelsfähiges Gold, hochkarätiger Schmuck, Brillanten oder Nobeluhren – sofern mit Kaufnachweisen ausgestattet. Die Pfand-„Schätzchen“ bleiben versichert im (Leihamt-)Tresor und können bis zu 50 Prozent ihres Wertes beliehen werden. Rackwitz: „Transaktionen laufen ohne lästigen Papierkram oder persönliches Erscheinen über Telefon oder per Mail ab .“
Während der Corona-Pandemie mussten Auktionen ausfallen. Am Mittwoch, 21. Juli (ab 9 Uhr), sollen im benachbarten Anna-Reiß-Saal der REM wieder nicht ausgelöste Pfänder versteigert werden: Während die einen auf Schnäppchen aus sind, hoffen andere auf möglichst hohe Preise – jedenfalls bei ihrem hinterlegten Wertgegenstand. Schließlich stehen Erlöse, die über das gewährte Darlehen, die Zinsen und Unkostenvergütung hinausgehen, den Eigentümern und nicht dem Leihamt zu.
Das Leihamt
- Das städtische Leihamt (D 4,9-10, Telefon 0621/ 12013-0) öffnet montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr .
- Neben Ankauf von Gold und Silber macht der klassische Pfandkredit über 80 Prozent des Geschäftsvolumens aus. Dieser hat eine Laufzeit von vier Monaten plus „Schonmonat“.
- Gegen Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen und Gebühren kann der hinterlegte Wertgegenstand ausgelöst werden. Verlängerung ist möglich. Eine Versteigerung erfolgt frühestens nach sechs Monaten. Bis dahin bleibt das Pfand im Eigentum des Beleihenden. wam
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