Immobilien

Legionellen-Hochhaus in Mannheim: 89-Jährige nach Monaten zurück in ihrer Wohnung

Hinter Elsbeth Kunkel liegen dramatische Monate: Ende April schoss der Kaltwasserzähler im Badezimmer ihrer Mannheimer Wohnung aus der Wand - sie war nicht mehr bewohnbar. Im September wandte sich Kunkel an die Öffentlichkeit

Von 
Agnes Polewka
Lesedauer: 
Nach über fünf Monaten wieder zu Hause in Mannheim: Elsbeth Kunkel. © Agnes Polewka

Mannheim. Elsbeth Kunkels Blick ist auf den Kuchen gerichtet, der vor ihr steht. Zwei Wachskerzen in Form einer „8“ und einer „9“ flackern über dem Marmorkuchen. Auf dem Tisch stapeln sich Geschenkpakete. „Sind die für mich?“, fragt Kunkel und lacht. Ungläubig. Tatsächlich kann sie es kaum glauben, dass sie wieder in Mannheim ist, im Geraer Ring 2, wo sie seit 55 Jahren im 15. Stock lebt.

Ihren 89. Geburtstag hat Elsbeth Kunkel (r.) mit Nachbarin Jutta Sichau und ihrem Bekannten Michael Kunath gefeiert. © Agnes Polewka

„Es wäre wirklich schön, wenn ich im November meinen 89. Geburtstag in meiner Wohnung in Mannheim feiern könnte“, sagte die 88-Jährige Anfang September im Gespräch mit dieser Redaktion. In einem Videotelefonat - dem ersten ihres Lebens - berichtete Kunkel von den dramatischen Monaten, die hinter ihr lagen: Ende April schoss der Kaltwasserzähler in ihrem Badezimmer aus der Wand, die ganze Wohnung stand unter Wasser.

Nachdem die Feuerwehr eingetroffen war und das Wasser abgestellt hatte, begann Kunkel damit, ihr Hab und Gut zu trocknen, Nachbarn brachten ihr ein Gästebett vorbei. Dann rückte eine Firma an, um die Wohnung zu trocknen. Weil es laut Kunkel aber feucht blieb und die Sachverständigen ihrer Hausratversicherung Asbest in einer Bodenprobe fanden, stand für Elsbeth Kunkel fest: Sie musste raus aus dieser Wohnung. Auch der Sachverständige riet ihr dringend dazu, vorübergehend auszuziehen. Denn die 89-Jährige leidet unter einer Lungenfibrose.

Fünf Monate lang wohnte Kunkel nicht in Mannheim

So fuhr Kunkel am 15. Mai 307 Kilometer mit dem Taxi in den Kneipp-Kurort Bad Wörishofen. Wenn sie schon aus ihrer Wohnung musste, dann wollte sie an einen Ort, an dem sie gleich noch etwas Gutes für ihre Gesundheit tun konnte. Damals ahnte sie nicht, dass sie über fünf Monate dortbleiben würde. Weit weg von ihrem Zuhause, ihren Ärzten, ihren Bekannten und Nachbarn.

Kunkel lebt seit 55 Jahren in dem Hochhaus auf der Vogelstang. © Agnes Polewka

„Es tut sich nichts in der Wohnung“, sagte Kunkel im September. Ihre Hausratversicherung zahlte die kompletten Unterbringungskosten des Hotels und versuchte zu diesem Zeitpunkt seit Wochen mit der Hausverwaltung Grand City Property (GCP) in Kontakt zu treten.

Nach Angaben der GCP handelt es sich bei dem Wohnhaus im Geraer Ring 2 um eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit verschiedenen Eigentümern. GCP sei im Auftrag aller Eigentümer mit der Verwaltung des Wohnhauses betraut.

Auch Kunkels Anfragen, wann sie wieder in ihre Wohnung zurückkönne blieben unbeantwortet. Erst nachdem sich Elsbeth Kunkel an diese Redaktion wandte, sei Bewegung in die Sache gekommen, sagt Michael Kunath, ein Bekannter der 89-Jährigen, der neben ihr am Geburtstagstisch sitzt, den Nachbarin Jutta Sichau für Elsbeth Kunkel gedeckt hat.

Insgesamt mehr als 60 Zwischenfälle in Wohnungen

„Inzwischen wurden in allen Wohnungen die Kaltwasserzähler abmontiert“, sagt Sichau. Denn Elsbeth Kunkel soll längst nicht die einzige Betroffene sein, in deren Wohnung der Kaltwasserzähler aus der Wand schoss. Mehr als 60 Zwischenfälle - bei 199 Wohnungen - soll es bis September gegeben haben, berichteten Mieter vor zwei Monaten. Die Bewohner mutmaßten damals, dass die Wasseruhren wegen des überhöhten Drucks in den Kaltwassersträngen nach und nach aus den Leitungen gesprengt worden waren, die alle noch aus den 60er Jahren stammen sollen.

Laut GCP war die Ursache eine andere. „Hintergrund waren vermutlich defekte Kaltwasserzähler, die von einem großen Messtechnikdienstleister angemietet wurden. Die Gebäudeversicherung hat Zähler und Anschlussteile von einem unabhängigen Sachverständigen prüfen lassen, der zu dem Ergebnis kam, dass ein Mangel an einem Anschlussteil vorlag“, so eine Sprecherin der GCP auf Anfrage dieser Redaktion. Durch die abmontierten Wasserzähler ergeben sich nun aber andere Probleme für die Mieter, sagt Jutta Sichau. Weil die Kaltwasser-Zählerstände nicht mehr pro Wohnung abgelesen werden können, würden Pauschalen fällig. „Das ist nicht transparent“, sagt Kunath und schüttelt den Kopf. Bereits in der Vergangenheit klagten Mieter über fehlerhafte Nebenkostenabrechnungen und machten ihrer Wut etwa auf der Bewertungsseite des Verbraucherunternehmens „Trust Pilot“ Luft.

Legionellen-Problem in Hochäusern auf der Vogelstang

„Wir als WEG-Verwaltung setzen aktiv alles daran, dass notwendige Arbeiten immer schnellstmöglich erledigt werden. Selbstverständlich halten wir uns auch bei den Nebenkostenabrechnungen jederzeit an alle Vorgaben und Rechtsvorschriften“, heißt es in der Stellungnahme der Hausverwaltung dazu.

In den vergangenen Monaten hatten die Hochhäuser auf der Vogelstang, die von GCP verwaltet werden, immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. In Kunkels Wohnhaus war eine extrem hohe Kontamination mit Legionellen entdeckt worden. Das teilte die Berliner Hausverwaltung Grand City Property im August auf Anfrage dieser Redaktion mit. Die Bewohner durften zeitweise nicht mehr duschen. Wird der Wasserdampf eingeatmet, können Legionellen Lungenerkrankungen verursachen, etwa eine Lungenfibrose.

Mehr zum Thema

Gesundheit

Gefährliche Legionellen in Mannheim: Zeitweise Duschverbot in 400 Wohnungen

Veröffentlicht
Von
Martin Geiger
Mehr erfahren
Wohnen

Legionellen-Hochhaus in Mannheim: Wasseruhr fliegt aus der Wand und trifft 88-Jährige

Veröffentlicht
Von
Agnes Polewka
Mehr erfahren

In eine andere Wohnung einzuziehen, das kam für Kunkel dennoch nicht in Frage. Ihre 59 Quadratmeter große Wohnung ist einfach ihr Zuhause, sagt sie. Und doch müsse sie sich erst wieder eingewöhnen. Noch lebe sie teilweise aus Kartons. „Zwei Schränke sind außerdem wegen der Feuchtigkeit hinüber.“ Doch die Hausratversicherung hat ihr bereits zugesagt, neue zu beschaffen.

Auch mit der neuen Wandfarbe muss sich Kunkel erst noch anfreunden. Das Gelb, das sie auf dem Papier ausgesucht hat, sieht so anders aus als die Wände ihres alten Zuhauses. „Das fühlt sich bislang noch nicht wieder nach meiner Wohnung an“, sagt die 89-Jährige, die auch ihren alten Teppichboden vermisst. Und doch ist sie zunächst einmal froh, wieder zu Hause zu sein. In ihrer Wohnung, nach der sie sich viele Monate gesehnt hat.

Redaktion

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke