Bildung - Kandidaten stellen sich im Capitol kniffligen Aufgaben von Schülern / Moderatoren fordern spontane Antworten ein und und achten strikt auf Zeitvorgaben

Lauter Gong ruft Politiker zur Ordnung

Von 
Bertram Bähr
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„Wer darf wählen“, fragt Moderator Jan mehrere hundert Jugendliche im Capitol. Fast alle zücken ihre grünen Zettel und signalisieren ein Ja. Aber als Jan nachfragt: „Wer hat vor, wählen zu gehen?“, nimmt die Zahl der roten Zettel – also Nein – deutlich zu. Gut eineinhalb Stunden später ein ganz anderes Bild. Rot ist jetzt klar in der Minderheit, Grün überwiegt. Offenbar haben die Diskussionsrunden der Bach-Gymnasiasten mit zwölf Kommunalpolitikern so manchem „Bock auf Wahl“ gemacht.

Das liegt ganz eindeutig an der 17-köpfigen Schülergruppe aus dem Neigungsfach Politik. Die Gruppe sei in den letzten fünf Tagen vor der gestrigen Veranstaltung vom Unterricht befreit worden, berichtet Samuel Seeger (16) im Gespräch mit dieser Zeitung. In dieser Zeit „haben wir von morgens bis abends gearbeitet“, so der Schüler. Das Ergebnis ist dementsprechend: Die acht Moderatoren sind schlagfertig und inhaltlich sattelfest. Und sie setzen ihre Vorgaben rigoros durch.

Bei Fragen geben sie den Kommunalpolitikern eine Minute lang Zeit. Wer länger redet, hört zunächst einen lauten Gong. Wenn er darauf nicht reagiert, nehmen ihm die Moderatoren auch schon mal das Mikro aus der Hand. Das kommt bei den Jungwählern im Capitol ebenso gut an wie das lockere Programm, das eher einer Unterhaltungsshow als einer Podiumsdiskussion gleicht.

Mit drei Adjektiven müssen die Politiker ganz spontan erklären, wofür sie stehen. Was soll aus der Multihalle werden? Die Frage gilt es in 30 Sekunden mit einem Hashtag (einem in sozialen Medien verwendeten Schlagwort) zu erklären. Die Bandbreite reicht von #indoorspielplatz und #skatepark bis zu #ausgedient und #sinnloses haus. Bedingungslos für oder gegen die Buga – oder irgendwo dazwischen: Geklärt wird das im aus dem ZDF bekannten Spielchen 1, 2 oder 3. Die Politiker müssen sich dazu möglichst aktiv auf das jeweilige Feld bewegen. Einige rudern mit den Armen, andere kommen tänzelnd zu ihrem Ziel – das Publikum ist begeistert. Zwei Minuten bekommen die Kandidaten Zeit, um sich einen Reim auf die Situation an den Schulen zu machen.

Den Jungwählern stellen sich in den beiden Diskussionsveranstaltungen Lena Kamrad (SPD), Claudius Kranz und Katharina Dörr (CDU), Patrick Haermeyer und Deniz Gedik (Grüne), Roland Weiß (ML), Dennis Ulas und Hanna Böhm (Linke), Volker Beisel (FDP), Rüdiger Ernst (AfD), Julien Ferrat (MVP), Wolfgang Taubert und Helmut Lambert (Mittelstand für Mannheim), Aileen Ritter (Die PARTEI), Nicola Zimmermann (Tierschutzpartei) und Hüseyin Yöruk (BIG).

Nachttaxi auch für Jungs

Im Themenblock Sicherheit und Ordnung fragen die Moderatoren ins Publikum: „Fühlt Ihr Euch sicher?“ Die meisten zücken den grünen Zettel. Aber eine Schülerin, die im Gebiet zwischen Marktplatz und Jungbusch lebt, meldet sich zu Wort: „Ich habe schon morgens Angst, hier durchzulaufen“, abends und nachts sei es noch schlimmer. Man komme „sehr leicht in Kontakt mit Drogen“ und „wird blöd angesprochen“. An der Situation ändere sich „seit Jahren nichts“. Dazu passt, dass auf eine Frage an die Jungen, ob sie schon mal „blöd angemacht“ wurden, sehr viele Hände nach oben gehen.

Ein Frauennachttaxi, so die Schlussfolgerung der Moderatoren, reiche wohl nicht, so etwas müsse es auch für junge Männer geben. Die Politiker bringen die Bemerkungen zum Nachdenken, die meisten wünschen sich mehr Polizei auf den Straßen. Dass auch sie nicht ohne Fehl und Tadel sind, räumen die Kandidaten bei der Frage ein, ob sie schon einmal schwarz gefahren sind: Acht Hände gehen nach oben.

Samuel Seeger ist mit den beiden Veranstaltungen zufrieden. Die Bock-auf-Wahl-Runden hätten „auf jeden Fall“ etwas gebracht. Das liegt auch daran, dass die Schüler sehr viel Zeit und Energie in die Vorbereitung gesteckt haben.

Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/mannheim

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Schüler fordern Politiker

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Schüler werben um hohe Wahlbeteiligung

  • Anlässlich der Kommunalwahl am 26. Mai organisierten Schüler des Bach-Gymnasiums gestern im Capitol unter dem Titel „Bock auf Wahl“ zwei Diskussionsrunden.
  • Vertreten waren Politiker von zwölf bei der Kommunalwahl antretenden Parteien und Gruppierungen, die vor insgesamt mehr als tausend Schülern Spontanität zeigen und kritische Fragen beantworten mussten.
  • Die jugendlichen Gäste kamen aus neunten bis elften Klassen von elf Mannheimer Schulen.
  • Bock auf Wahl ist ein Kooperationsprojekt der Bach-Schüler mit Carl-Benz-Schülern (CBS), Stadtjugendring, Stadt Mannheim und Landeszentrale für politische Bildung.
  • Die CBS-Schüler haben zum wiederholten Mal die „Bock-auf-Wahl“-Kampagne entworfen und gestaltet. bhr

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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