Mannheim. Für Hendrik Hoffmann hatte der Samstag eigentlich erfreulich begonnen. Die vom Q 6/Q 7-Geschäftsführer mit initiierte Impfaktion für rund 1000 Menschen im Quartier war schon am frühen Morgen gut angelaufen. Am Mittag, gegen 13 Uhr, war seine gute Laune jedoch rasch verflogen. Rund 25 Aktivisten, so die Angaben der Polizei, hatten bei einer nicht angemeldeten Versammlung die Einfahrt in die Fressgasse blockiert. „Gerade an diesem Samstag, mit unserem großen Impf-Tag war es natürlich sehr bedauerlich, dass durch eine unangemeldete Demonstration die Einfahrt zur Fressgasse blockiert und somit auch unseren Besuchern die Zufahrt in unsere Tiefgarage erschwert wurde“, sagte Hoffmann.
Einige Teilnehmerinnen hatten sich laut Polizei mit Bügelschlössern an einem Automodell aus Pappe und Paletten angeschlossen. Eine Person klebte sich mit Klebstoff auf dem Straßenbelag fest, ein weiterer Teilnehmer kletterte auf einen Laternenmast und harrte dort rund drei Stunden aus, bis die Blockade gegen 16 Uhr wieder aufgelöst war. Die Polizei sprach auf Nachfrage am Montag von deutlich spürbaren Auswirkungen auf den innerstädtischen Verkehr. Sie war mit „starken Kräften“ aus Heidelberg, Mannheim und dem Rhein-Neckar-Kreis angerückt. Wie viele, das wollte Polizeisprecher Patrick Knapp „aus taktischen Gründen“ nicht mitteilen.
Druck für autofreie Innenstadt
Zu der Blockade hat sich inzwischen die Gruppierung Extinction Rebellion (XR) bekannt. Die „Klimagerechtigkeitsbewegung“ wollte mit der Straßenblockade Druck für eine autofreie Innenstadt machen, heißt es in einer Mitteilung von XR. „Die Stadt plant zwar im Februar 2022 einen Feldversuch, wir finden aber, dass das viel zu lange dauert“, sagte eine XR-Aktivistin, die sich gegenüber dem „MM“ am Telefon als Pia Engel vorstellte. „Der zivile Ungehorsam ist auch historisch betrachtet die erfolgreichste Protestform.“
Die Stadt müsse schnell handeln: „Die Klimakatastrophe bedroht unsere absoluten Lebensgrundlagen, und damit wir es noch schaffen, müssen wir dringend auch die Verkehrswende starten“, begründete sie. Dass sie mit ihren Aktionen auch die Lebensgrundlagen von Gastronomen, Einzelhändlern und Dienstleistern gefährdet, ist ihr und den anderen Aktivisten offenbar egal: „Uns ist bewusst, dass wir damit Leute verärgern, das tut uns auch leid. Wir wollen nicht bewusst einzelne Personen treffen.“ Außerdem gebe es auch andere Möglichkeiten, als mit dem Auto in die Stadt zu kommen.
Bei Lutz Pauels, dem Vorsitzenden der Werbegemeinschaft City, hat sich der Ärger über die Aktion auch am Montag kaum gelegt. „Bei allem Verständnis für das Anliegen und die Demonstrationsfreiheit: Das ist eine pure Rücksichtslosigkeit gegenüber den Mitarbeitern in den Betrieben und den Kunden.“ Das gelte jetzt umso mehr, da viele Betriebe schon durch die 2G-Regel stark belastet seien. Viele Kunden, so seine Beobachtung, seien aufgrund der Sperrung der Fressgasse wieder nach Hause gefahren.
Bereits in der Nacht zum Samstag hatten Unbekannte nach Angaben von XR Schilder des Parkleitsystems sowie Parkhauseinfahrten mit „besetzt“-Aufklebern beklebt. In einigen Straßen malten sie Zebrastreifen auf, in Fahrradstraßen wie der Tattersallstraße schraubten sie das Zusatzschild „Autos und Motorräder frei“ ab, so dass die Straßen nur noch für Radfahrer zugelassen waren.
Dass der Beitrag einer autofreien Mannheimer Innenstadt im Kampf gegen die globale Erwärmung eher unbedeutend ist, lässt die Aktivistin nicht gelten: Jede kleine Veränderung trage zu einer Verbesserung bei. Wenn eine Stadt damit anfange, würden andere nachziehen, meint sie. Deshalb kündigt Extinction Rebellion weitere Aktionen an, „solange Mannheim nicht seine Stadtplanung konsequent am 1,5-Grad-Limit ausrichtet“. Die Gruppe hat bereits öfter wichtige Strecken blockiert. „Straßenblockaden gehören zu unserem Repertoire“, sagte Engel.
Einige der Teilnehmer könnten es noch mit der Justiz zu tun bekommen: Wie Polizeisprecher Patrick Knapp mitteilte, werde aktuell gegen 17 Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer wegen Nötigung sowie Verstoß gegen das Versammlungsgesetz ermittelt. Darüber hinaus werde gegen eine Person ermittelt, die einen Versammlungsteilnehmer körperlich angegangen haben soll. Wie die Polizei am Wochenende mitteilte, ist ein Bräutigam wegen Körperverletzung angezeigt worden, weil er auf dem Weg zu seiner Hochzeit nicht passieren konnte und bei dem Polizeieinsatz selbst vermeintlich unterstützend eingriff.
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