Ehrung - Sehr politische Predigt von Stadtdekan Karl Jung erinnert an Pfälzer Staatsmann / Lob von Ministerin Julia Klöckner für Initiative von Peter Hofmann

„Kraftort“ von Helmut Kohls Glauben

Von 
Peter W. Ragge
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Mannheim. Feierliche Trompetenklänge, von Rüdiger Kurz vom Nationaltheater mit gebührendem Abstand gespielt, sind das Signal für Pfarrgemeinderat Hartwig Becker. Er entfernt das schwarze Tuch von der etwa 30 Kilogramm schweren Bronzetafel, die nun am Eingang der Jesuitenkirche hängt. Sie erinnert daran, dass Helmut Kohl in diesem Gotteshaus oft die Heilige Messe feierte, „als glaubender Mensch wie jeder andere im Volk Gottes“, wie es Dekan Karl Jung im Gedenkgottesdienst formuliert.

„Lobet den Herren“ stimmt Kantorin Judith Nuber ganz alleine an. „Wir dürfen leider nur im Herzen mitsingen“, erinnert Karl Jung an die strengen Regeln wegen der Corona-Pandemie. Jetzt gelte „Abstand halten – die Gemeinschaft stärken“, so Jung. Doch trotz aller Einschränkungen wird es eine würdige wie festliche Vorabendmesse – wenngleich mit deutlich weniger Gästen als 2010, als die Jesuitenkirche ihr 250-jähriges Bestehen feierte.

Christlich erzogen

Damals war Helmut Kohl letztmals hier, schon im Rollstuhl sitzend und von Krankheit gezeichnet. „Es gab langanhaltenden Beifall in der voll besetzten Kirche, er wollte gar nicht mehr abebben“, weiß der Dekan noch – und er nennt auch den Grund: Die Gläubigen hätten eben gespürt, dass der Politiker stets nur als Mensch in die Kirche gekommen sei: „Er war einer der ihren hier!“, so Jung. In seiner Predigt charakterisiert der Dekan Helmut Kohl als Menschen, der schon als Kind in der Familie in Sinne christlicher Werte erzogen wurde. „Die christliche Prägung hat ihm immer die nötige Kraft und Gelassenheit gegeben“, so Jung.

Zeitlebens sei Kohl gern in die Kirche gegangen, habe es nicht als Pflicht und Routine, sondern als inneres Bedürfnis empfunden, daraus Kraft für schwierige Situationen geschöpft. „Besonders unsere Jesuitenkirche hat er als Oase wahrgenommen, als Ort der Gewissenserforschung, als Kraftort seines Glaubens“, so Jung: „Es ist ein Glück, wenn man glauben kann, in schwierigen Situationen beten kann!“

„Licht der Welt und Salz der Erde“

Doch der Dekan spricht nicht nur über den tief gläubigen Katholiken Helmut Kohl. Er zeichnet auch das Bild eines Politikers, der die christliche Soziallehre stets als Leitschnur seines Handelns begriff. „Es sollen einmal andere besser und glücklicher leben dürfen“ – die Worte des aus Mannheim stammenden, von den Nationalsozialisten ermordeten Jesuitenpaters Alfred Delp hätten Kohls politisches Denken und Handeln bestimmt, als er für die Einheit Deutschlands und die Einigung Europas gekämpft habe, sagt Jung.

Freilich hätte Kohl „auch an seiner Kirche gelitten“, weiß der Dekan, „wenn sie sich in die Unscheinbarkeit zurückgezogen hat, wenn sie große Erfolge wie die deutsche Einigung nur zaghaft zu würdigen wusste, wenn der christliche Glaube zu müde, zu schal geworden ist“, betont der Geistliche. Kohl habe sich immer gewünscht, dass der christliche Glaube „Licht der Welt und Salz der Erde“ sei, dass er nicht seinen provokanten Charakter verliere, sondern „als Sauerteig das Leben der Menschen aktiv mitgestaltet“. Auch für dieses Glaubenszeugnis müsse man Kohl dankbar sei. „Eine sehr politische Predigt, großartig“, lobt Julia Klöckner die Worte von Karl Jung. „Total beeindruckt“ habe sie der Gottesdienst, sagt die Bundeslandwirtschaftsministerin und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende vor der Kirche, wo Hartwig Becker mit Jung die 60 mal 45 Zentimeter große Bronzetafel enthüllt.

„In dankbarer Erinnerung“ ist Klöckner dem „Kanzler der Einheit“ (1982-1998) und Ehrenbürger Europas gewidmet, wie es per Inschrift heißt. Die Beziehung von Kohl zur Jesuitenkirche und zu Mannheim sei etwas „sehr Besonderes“ gewesen. „Und wir Rheinland-Pfälzer sind dankbar, dass die Baden-Württemberger so an den Pfälzer Helmut Kohl erinnern“, lobt sie die Initiative von Unternehmer und Bloomaul-Ordensträger Peter Hofmann, der die Gedenktafel gestiftet und die Feier initiiert hat.

„Er war einer der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts und bezeugte auch an diesem Ort seinen Glauben,“ begründet Hofmann sein Engagement. Nicht dabei ist jedoch, entgegen ersten Ankündigungen, Kohls Witwe Maike Kohl-Richter. Es habe „ein Missverständnis bei der Vorbereitung“ gegeben, so die Begründung.

Mannheimer Jesuitenkirche

Tafel zum Gedenken an Helmut Kohl enthüllt

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