Mannheim. Vor der Teststation am Gasthaus Ochsen in der Feudenheimer Hauptstraße hat sich am Freitagmorgen eine Schlange gebildet. Das sah man lange nicht mehr. 15 Fahrrad-Minuten weiter am Klinikum das gleiche Bild. Wegen der neuen 2Gplus-Regelung müssen hier vor dem Einlass nun neben Impfzertifikaten auch negative Schnelltests kontrolliert werden. Wer noch keinen gemacht hat, kann das in einem kleinen Zelt nachholen. Im Hauptgebäude berichtet dann Daniel Dürschmied, neuer Leiter der I. Medizinischen Klinik, quasi aus erster Hand, wie sich die Situation zugespitzt hat. In seine Zuständigkeit fallen auch die Covid-Intensivpatienten, für die müsse man nun noch eine zweite Station bereitstellen. Die erste sei mit zehn Menschen voll belegt. Der Gesamtzahl der Corona-Infizierten, die in Mannheimer Krankenhäusern in Intensivbetten liegen, bezifferte Gesundheitsamtschef Peter Schäfer am Donnerstag mit 22.
Der kontinuierliche Anstieg habe auch Konsequenzen für andere Patienten, so der Ärztliche Direktor im Klinikum, Hans-Jürgen Hennes. Aktuell befinde man sich auf Stufe zwei von vier der Skala und müsse „nur“ einfach zu verschiebende Eingriffe absagen. Aber: „Wir erwarten, dass sich die Fallzahlen weiter erhöhen.“
Neuer Klinikdirektor
Die Universitätsmedizin hat eine ihrer Führungspositionen neu besetzt. Daniel Dürschmied leitet nun die I. Medizinische Klinik (Kardiologie, Angiologie, Hämostaseologie und Internistische Intensivmedizin).
Der 45-jährige gebürtige Ulmer, der vom Klinikum Freiburg nach Mannheim gewechselt ist, übernimmt auch den Lehrstuhl für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie. Er tritt die Nachfolge von Martin Borggrefe an, der in den Ruhestand ging.
Dürschmied habe sich mit seiner Expertise in einer großen Bewerberrunde durchgesetzt, so der Ärztliche Direktor Hans-Jürgen Hennes. Geschäftsführer Freddy Bergmann lobt den neuen Klinikdirektor als sehr fokussiert, vor allem Patienten-, aber auch Mitarbeiter-orientiert. Dekan Sergij Goerdt spricht von einem „Glücksfall“.
Inzidenz jetzt bei 477,8
Das tun sie dann am Abend wieder. Die Stadt meldet 246 neue Fälle, die Sieben-Tage-Inzidenz erreicht mit 477,8 abermals ein Negativrekord-Niveau. Es gibt auch einen weiteren Toten, ein über 80-Jähriger starb in einem Mannheimer Krankenhaus.
Anders als bei den bisherigen Wellen der Pandemie seien unter den Intensivpatienten nun auch einige Jüngere, berichtet Dürschmied, der neue Klinikdirektor. Das Durchschnittsalter betrage derzeit 56 Jahre, der jüngste sei ein 31-Jähriger. „Auch den haben wir lange beatmen müssen, aber jetzt ist er wieder auf dem Weg der Besserung.“ Bei zweien von aktuell zehn handele es sich um Impfdurchbrüche, beide hätten allerdings auch Vorerkrankungen.
Impfen zunächst ohne Termin
Auch die Stadt berichtet am Freitag wieder von Impfdurchbrüchen. In der 45. Kalenderwoche (das ist die vorvergangene) seien von insgesamt 1239 Neuinfizierten 445 vollständig geimpft, also mehr als ein Drittel. Dies hört sich viel an, wird aber durch andere Zahlen relativiert: Das Stuttgarter Sozialministerium beziffert die vollständig Geimpften in Mannheim in seiner wöchentlichen Statistik mit fast 200 000, Gesundheitsamtschef Peter Schäfer sprach am Donnerstag im Gemeinderat von insgesamt 2450 Impfdurchbrüchen. Das entspricht einer immer noch sehr geringen Quote von 1,23. Doch war sie erst vor zehn Tagen nur halb so hoch, Tendenz also klar steigend.
Nun soll vor allem mit Drittimpfungen gegengesteuert werden. Dazu nimmt am Montag das neue Mini-Impfzentrum im Rosengarten seine Arbeit auf. Zunächst ist von 12 bis 18 Uhr nur „Boostern“ bei Geimpften vorgesehen, die Jahrgang 1951 oder älter sind. Angeboten wird Biontech. Aufgrund des zu erwartenden Andrangs kämen möglicherweise nicht alle zum Zuge, heißt es.
Da das „Kommunale Impfzentrum Mannheim“ (so der offizielle Name) von der Stadt mit den neuen, selbst finanzierten Teams betrieben wird, steht es auch nur hier mit Erstwohnsitz gemeldeten Menschen offen. Anfangs können sie unangemeldet kommen. Im Laufe der nächsten Woche wolle man dann aber eine Terminvergabe organisieren, sagt Rathaussprecher Ralf Walther. Damit solle dann auch die von Oberbürgermeister Peter Kurz angekündigte höchste Priorität (neben den über 70-Jährigen) für bisher Ungeimpfte ermöglicht werden. Impfangebote für Jedermann gibt es am Montag im Bürgerhaus der Neckarstadt-West von 12 bis 18 Uhr.
Von „Triage“ noch keine Rede
Trotz der besorgniserregenden Entwicklung des Infektionsgeschehens: Von einer „Triage“ - also dem Zwang, sich bei der Notfallbehandlung zwischen bestimmten Menschen auf der Intensivstation entscheiden zu müssen - sei das Klinikum weit entfernt, sagt Dürschmied. Es gelte unverändert: „Jeder Patient, der uns braucht, der kriegt die nötige Therapie.“ Aber ist es nicht immens frustrierend für die Verantwortlichen in den Krankenhäusern, diesen Winter schon wieder ausbaden zu müssen, was auf politischen Ebenen verbockt wurde? Auf diese Frage herrscht bei den Klinikum-Oberen erstmal einhelliges Schweigen. Dann sagt Hennes diplomatisch: „Wir sind heute hier, um Professor Dürschmied vorzustellen, nicht um uns politisch zu äußern.“ Vielleicht ist auch das eine Antwort.
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