Alte Schildkrötfabrik

"Karriere Kick" in Mannheim: Ausbildungsmesse mit Spaßfaktor

Betriebe suchen händeringend Ausbildungsplätze. Weil Nachwuchs fehlt, bleiben jedes Jahr Stellen unbesetzt. Beim „Karriere Kick“ hatten beide Seiten die Möglichkeit, sich kennen zu lernen

Von 
Stefanie Ball
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Spielerisches Kennernlernen: Beim "Karriere Kick" können sich Betriebe und potenzielle Auszubildende unkompliziert kennen lernen. © Ball

Mannheim. Nein, das ist kein Tischkicker-Turnier, sondern eine Ausbildungsmesse. Wobei auch das nicht ganz richtig ist, der „Karriere Kick“ versteht sich als innovative Karrieremesse, bei der sich Schüler und Betriebe ja, eben spielerisch begegnen können. Das Event ist eine Kooperation des Bechtle IT-Systemhaus Mannheim – das die Veranstaltung zum ersten Mal in der Region ausrichtet, davor war es die IHK Rhein-Neckar – und der Mannheimer Agentur für Arbeit. Schirmherr ist Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU). Angesprochen waren gezielt Abschlussklassen, und so drängen sich am Freitagvormittag Jugendliche und junge Erwachsene um die Tischkicker und geben ihr Bestes, den kleinen runden Ball ins Loch zu befördern.

Beim "Karriere Kick" können sich Betriebe und potenzielle Auszubildende unkompliziert kennen lernen. © Ball

Ganz nebenbei ergeben sich Gespräche – am Tischkicker oder den Ständen, die die Betriebe, vom Logistikdienstleister Dachser, dem Pharmagroßhändler Phoenix, Lebensmittel-Discountern wie Lidl und Norma über Unternehmen wie Häuselmann Metall und KW Krankwerke bis hin zu den Stadtwerken Frankenthal, dem Pflegedienstleister Avendi, der Deutschen Bahn und der Bundespolizei in den Hallen der Alten Schildkrötfabrik in Neckarau aufgestellt haben. Was die Jugendlichen wissen wollen? „Was sie verdienen“, erklären die Berater der Sparkassen Versicherung. Das sei gar nicht so wenig, betonen sie, mehr als 1000 Euro bereits im ersten Lehrjahr für den Kaufmann Versicherung und Finanzen.

Bootsbauerin oder Mechatronikern: Berufe bei Ausbildungsmesse kennenlernen

Die 18-jährige Briana bleibt beim Stand der Uniklinik Heidelberg stehen und lässt sich von Katharina Steinbauer – die gleich zwei Ausbildungen absolviert hat: als Bootsbauerin und Mechatronikern – erklären, welche technischen Fertigkeiten dort gefragt sind. „Aufzüge am Laufen halten, dafür sorgen, dass das Wasser warm ist, ein verstopftes Klo reparieren.“ Briana besucht die Carl-Theodor-Schule in Schwetzingen, im nächsten Jahr hat sie Fachabi und will anschließend „was mit Marketing und BWL“ machen. Also passt das wohl eher nicht.

Am Tischkicker können sich beim "Karriere Kick" Betriebe und potenzielle Auszubildende unkompliziert kennen lernen. © Ball

Amir aus Mannheim steht derweil in der langen Schlange vor dem Zelt, in dem Bewerbungsfotos erstellt werden. Zwar will der 18-Jährige im nächsten Jahr noch gar keine Ausbildung machen, sondern nach seinem Realschulabschluss weiter zur Schule gehen, um sein Fachabitur zu erreichen. Aber schaden kann es ja nicht. Während Amir als Ziel in ein paar Jahren ein duales Studium vor Augen hat, sucht sein Freund noch nach Ideen, wo er im nächsten Sommer eine Ausbildung starten kann.

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Für Roman Schäffler sind die beiden Jungs typische Klienten: die einen, die weiter zur Schule gehen wollen, obwohl es die Noten vielleicht nicht unbedingt hergeben, und die Unentschlossenen. Schäffler ist im Auftrag der Stadt Mannheim Ausbildungslotse an der Wilhelm-Wundt-Realschule in Neckarau. Wie sein Name schon sagt, lotst er die Jugendlichen am Ende ihrer Schullaufbahn Richtung Ausbildung. „Ich will niemandem ausreden, das Fachabi oder den Realschulabschluss zu machen, vielmehr geht es darum, alternative Wege aufzuzeigen“, sagt Schäffler, der mit Schülerinnen und Schülern der zehnten Klassen zum „Karriere Kick“ gekommen ist. An der Wilhelm-Wundt-Realschule gibt es zwei Abschlüsse: Hauptschulabschluss oder Realschulabschluss. Viele haderten mit dem Hauptschulabschluss, weiß Schäffler. „Die Jugendlichen sehen das als Stigma.“ Dann erklärt der Ausbildungslotse, dass ein höherwertiger Abschluss nicht automatisch eine bessere Ausbildung bedeutet und dass das Schulsystem durchlässig sei, sich viele Möglichkeiten auch noch später, nach einer ersten Ausbildung, ergeben könnten.

Der "Karriere Kick" findet zum dritten Mal in Mannheim statt. © Ball

Sila weiß schon sicher, was sie werden will: Polizistin. Trotzdem ist sie mitgekommen zur Ausbildungsmesse und ist ganz angetan: „Alle sind nett, man duzt sich, und das Tischkickern macht Spaß.“ Zurzeit besucht sie die Justus-von-Liebig-Schule, und Nurcan Yalcin Mercan, seit 15 Jahren Lehrerin dort für Deutsch, Englisch und Gemeinschaftskunde, betont, dass fast alle Abgänger ihrer Schule im vergangenen Jahr einen Ausbildungsplatz erhalten hätten oder auf eine weiterführende Schule gewechselt seien. Und das, obwohl viele der Jugendlichen und jungen Erwachsenen keine leichte Schullaufbahn hinter sich haben, wie sie sagt. „Die waren, bevor sie zu uns kamen, auf mehreren Schulen, und kamen nirgendwo richtig zurecht.“ An der Justus-von-Liebig-Schule gebe es viele sonderpädagogische Kräfte, die die Schüler betreuten, und auch einen Ausbildungsleiter, der Bewerbungsgespräche durchspiele und die Unterlagen für eine Bewerbung mitvorbereite. „Das ist dann alles Tippi Toppi.“

Sila muss zurück an einen der Tischkicker, die nächste Runde wird eingeläutet. Die Schülerinnen und Schüler sammeln Punkte für ihre Schulen, die Ausbildungsberater für ihre Unternehmen – am Ende werden die bestplatzierten mit einem Pokal gekürt.

Freie Autorin

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