Zirkus Paletti

Junge Artisten des Zirkus Paletti zeigen originelle Show auf dem Schrottplatz

„Oh mein Schrott“: Junge Akrobaten haben im Zirkus Paletti ein originelles, selbst ersonnenes Stück gezeigt. Die Novembershows sind ein echter Publikumsmagnet

Von 
Katja Geiler
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Die Artistinnen und Artisten zeigen ihre Kunststücke an Ringen, die an einem Kran hängen. © Katja Geiler

Mannheim. Bei dem Wort „Zirkus“ denkt man an schillernde Farben, viel Glitter und Clownskostüme. Doch Paletti wirft das traditionelle Zirkusbild über den Haufen – und macht etwas ganz anderes, etwas Innovatives: Zirkus auf dem Schrottplatz. Alte Metallteile werden von einem Magnetkran hochgezogen, daran werden die Kunststücke der Artisten gezeigt, im Hintergrund läuft elektronische Musik. „Oh mein Schrott“, heißt das Programm, das mit einer Pantomime beginnt, bei der allerhand Geräte kaputtgehen, zum Beispiel ein Computer, ein Herd, ein Ventilator, und sogar ein ganzes Auto fällt wie in einem Slapstick-Film auseinander. Die Kinder tragen die Dinge am Publikum vorbei in die Manege, und diese verwandelt sich in einen Schrottplatz.

Dort wird den unbrauchbaren Gegenständen neues Leben eingehaucht, Upcycling sozusagen. Am Rande taucht immer wieder eine schräge Gestalt mit wilder Lockenperücke und weißem Kittel auf, die einen Plan zu verfolgen scheint. Sein Name ist Professor Eisenklau, und im Laufe des Programms scheint durch, was er vorhat. Er sucht sich Teile zusammen, um eine gigantische Maschine zu bauen, die das zerknüllte Papier mit seinen Plänen, die er zu früh verworfen hat, wieder glätten soll. Er erfindet quasi die Bügelmaschine neu. Dabei bezieht er auch das Publikum mit ein.

Mit der Pyramide soll gezeigt werden, wie der Schrott sich stapelt. © Katja Geiler

Jedes Kind leistet beim Zirkus Paletti einen Beitrag zu der Idee des Stücks

Die Helfer auf dem Schrottplatz haben unterdessen alle Hände voll zu tun. Gekleidet in Blaumänner, stapeln sie Ölfässer aufeinander, klettern drauf und jonglieren mit kleinen Plastikbällen. Ein Magnetkran hebt große Ringe in die Höhe, an denen die Akrobatinnen ihre Kunststücke vollführen. Die Kinder selbst stellen Teile des Schrotts dar, angedeutet mit schmutzigen Latzhosen. Durch Hebefiguren und Pyramiden deuten sie an, wie der Schrott sich stapelt – und wie viel Schrott die Menschen produzieren. Der eine oder andere hängt sogar kopfüber am Kran. Bei einer weiteren Jonglage fliegen leuchtende Ringe umher, Wesen, die in den Tiefen der Schrottberge wohnen, spielen mit Diabolos, auf dem Drahtseil findet eine Schrottmodenschau statt. Eine Schrottpresse und ein Roboter erwachen zum Leben, und als großes Finale präsentiert der verwirrte Professor seine riesige Maschine.

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Angesichts einer solchen Geschichte hinter der Show stellt sich die Frage: Wer denkt sich so etwas aus? Diese kann Zirkusdirektor – eigentlich Geschäftsführer – Tilo Bender beantworten. „Das Thema und die Gestaltung werden von den Kindern selbst vorgeschlagen. Wir sammeln etwa 100 Vorschläge, danach wird reduziert, bis wir das eine Thema haben. Die Gruppe entscheidet, und dieses Mal wurde es der Schrottplatz.“

Das Trainerteam legt Wert darauf, dass nichts vorgegeben ist, die Kinder entwickeln ihre eigenen Ideen in Improvisationen. „Wir sind stolz darauf, dass es keine vorgegebenen Stücke sind, keine Bücher dienen als Vorlagen“, sagt Bender. „Das Stück gibt es nicht, es ist immer eine Uraufführung. Da jedes Kind seinen Beitrag dazu geleistet hat, ist die Identifikation mit dem Stück groß.“ Das Selbstbewusstsein der Kinder wird nicht nur durch ihre Kunststücke gesteigert, sondern auch, weil sie am Entstehungsprozess aktiv teilnehmen. „Es passen 500 Personen ins Zelt, alle sieben Shows sind ausverkauft, das heißt für unsere Kinder, 3500 Leute haben ihre Show gesehen“, sagt Bender.

Zirkus Paletti setzt auf Talente und die Kreativität der Kinder

Der Zirkus an sich habe in den letzten Jahren einen Wandel erlebt. Es gehe immer mehr ins Darstellerische, angelehnt ans Theater. Tiernummern geraten in den Hintergrund. „Ich bin kein Freund von Tiernummern, denn der Zirkus ist nicht der passende Lebensraum für Tiere“, fügt Bender hinzu. Doch das sei für Paletti kein Thema, hier ist der Fokus auf die Talente und die Kreativität der Kinder gerichtet. „Beim Brainstorming und den Trainings müssen daher die Erwachsenen die Antennen ausfahren und die Schätze im kreativen Prozess herausfiltern“, erzählt Bender. Kinder seien noch sehr kreativ. Erwachsene tun sich dagegen oft schwer, wenn es um Ideenfindung geht, die ausgefallenen Ideen kommen nicht mehr so einfach zugeflogen.

Der Zirkus Paletti ist inzwischen nicht mehr wegzudenken, das gelb-rote Zelt bringt Farbe in die etwas triste Umgebung im Industriegebiet im Pfeifferswörth. Er wurde 1997 gegründet und gehörte bis 2004 zum Stadtjugendamt Mannheim, danach wurde er in einen Verein umgewandelt. Das Zirkuszelt konnte 2014 angeschafft werden. Zurzeit trainieren hier 600 Kinder und Jugendliche in mehreren Gruppen. Die Nachfrage nach Kursplätzen ist überdimensional groß, auf der Homepage werden die Eltern gebeten, sich in eine Warteliste einzutragen. Die Wartezeit beträgt unglaubliche zwei bis drei Jahre, auch für den „Flohzirkus“ für die Kleinsten ab einem Jahr.

In diesem Jahr gibt es nur noch einen Termin: den Paletti Weihnachtszauber am Samstag, 14. Dezember. Und dann beginnt das neue Jahr wieder mit Brainstorming und „100 Vorschlägen“ für ein neues Show-Thema.

Freie Autorin Ich schreibe für alle Mannheimer Stadtteile und für Viernheim

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