Krieg in Osteuropa - Stadt mietet Jugendherberge als Erstanlaufstelle für Geflüchtete und Notunterbringung an / Private Unterkünfte gesucht

Jugendherberge als Erstanlaufstelle für Geflüchtete - das sind die Pläne der Stadt Mannheim

Von 
Sebastian Koch
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Soll für Menschen aus der Ukraine nach ihrer Ankunft in Mannheim zu einer ersten Anlaufstelle werden: die Jugendherberge an den Rheinterrassen. © Thomas Tröster

Mannheim. In der Jugendherberge ist es am Morgen noch verhältnismäßig ruhig. Umso mehr dürfte die Menschentraube auffallen, die sich im Hof zusammengestellt hat. Kameras sind zu sehen, Mikrofone, Schreibblöcke von Journalistinnen und Journalisten. Die große Präsenz der Stadtspitze soll wohl auch signalisieren, welchen Stellenwert der Termin für das Stadtleben hat: Der Oberbürgermeister ist da. Auch sein Stellvertreter sowie weitere Bürgermeister und Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung sind gekommen. Die Stadt bereitet sich auf die Aufnahme geflüchteter Menschen aus der Ukraine vor. „Wir haben den Termin so früh gelegt, weil wir jede Stunde damit rechnen, dass erste Menschen ankommen können“, erklärt Sprecherin Carolin Bison.

In den Zimmern, in denen sonst Gruppen während Tagungen übernachten, Workshops, Seminare und Sitzungen stattfinden, sollen bis zu 230 Geflüchtete eine erste Anlaufstelle nach ihrer Ankunft in Mannheim finden. „Das UNHCR hat darauf hingewiesen, dass seit dem Zweiten Weltkrieg keine so große Zahl an Menschen in so kurzer Zeit vertrieben worden ist wie jetzt in der Ukraine“, sagt Oberbürgermeister Peter Kurz. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass sich bereits etwa 1,7 Millionen Menschen aus der Ukraine auf der Flucht befänden.

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Es sei zwar „spekulativ“ zu sagen, wann und wie viele Menschen genau nach Mannheim kommen. „Wir werden aber über eine vierstellige Zahl reden, und dann wird klar, was uns das logistisch und infrastrukturell abverlangen wird“, erläutert Kurz. „Das wird ohne Hilfe der Bevölkerung nicht funktionieren.“

Regelmäßige Impfangebote

Etwa 100 Menschen aus der Ukraine sind bereits in Mannheim und größtenteils bei Verwandten oder in anderen privaten Unterkünften untergekommen. „Wir gehen davon aus, dass diese Zahl schnell wächst“, ergänzt der Oberbürgermeister am Nachmittag in der Sitzung des Hauptausschusses.

Die Jugendherberge solle nur als erste Anlaufstelle dienen. Anschließend, das ist die Planung der Verwaltung, sollen Geflüchtete vermittelt werden. Neben dem Dank für die bisher erlebte „große Hilfs- und Spendenbereitschaft“ appelliert der SPD-Politiker deshalb an Mannheimerinnen und Mannheimer, die Wohnraum, etwa Einliegerwohnungen, Geflüchteten zur Verfügung stellen können: „Melden Sie diese bitte bei uns. Wir können die Geflüchteten mit ihren Kindern nicht auf Wochen in Notunterkünften unterbringen.“

Im Erdgeschoss ist vom eigentlichen Betrieb der Jugendherberge indes nicht mehr viel zu sehen. So ist aus einem Seminarzimmer etwa eines zum Impfen geworden. Weil die Impfquote in der Ukraine niedriger sei als die in Deutschland, gehe es darum, schnellstmöglich das Vertrauen der Ankommenden zu gewinnen. „Wir werden ganz regelmäßig und mehrfach in der Woche vor Ort Impfangebote unterbreiten“, erklärt der Leiter des Gesundheitsamts, Peter Schäfer.

Als Spendenort ungeeignet

Im Nachbarzimmer hängen an einer Pinnwand, sortiert nach Anzahl der Zimmer, bereits einige bunte Zettel mit Namen und Kontaktdaten. „Uns hat schon eine Flut von E-Mails und Nachrichten von Personen erreicht, die Wohnraum zur Verfügung stellen“, erläutert eine Mitarbeiterin. Der Bedarf aber sei noch groß. Ankommende erhalten eine sogenannte Leistungsberatung, die etwa klären soll, welche Ansprüche bestehen. Gleichzeitig würden angebotene Unterkünfte geprüft und ins Verhältnis zum Bedarf gesetzt. „Wir wollen den Geflüchteten die Angebote vorstellen und wollen, dass sie sich eigenverantwortlich mit den Anbietern in Kontakt setzen.“ Auch der Bürgerservice hat in der Jugendherberge eine Außenstelle eröffnet, etwa um Geflüchtete zu registrieren. Zudem können sich Erwachsene im Haus über den hiesigen Arbeitsmarkt informieren. Die Flüchtlingshilfekoordination kümmert sich auch mit Hilfe von Ehrenamtlichen unter anderem um die Beaufsichtigung von Kindern.

Menschen, die aus dem Kriegsgebiet nach Mannheim gekommen sind, sollen am Rhein die Chance haben, zur Ruhe zu kommen. Auch aus diesem Grund bittet die Stadt, davon abzusehen, Spenden direkt an der Jugendherberge abzugeben oder gar dort zu sammeln. „Das würde die Organisation und Menschen vor Ort überfordern.“

Für Fragen rund um Spendenangebote, Angebote von Wohnraum oder die Aufnahme von Verwandten und Bekannten hat die Stadt eine Stelle eingerichtet, die zwischen 9 und 17 Uhr unter 0621/293 3299 oder ukraine-hilfe@mannheim.de erreichbar ist. Zudem weist die Verwaltung auf die gemeinsame Spendenaktion mit dem Verein „Mannheim hilft ohne Grenzen“ hin. Mit Spenden organisiert der Verein in Abstimmung mit der Verwaltung von Czernowitz Hilfsmaterialien. Mannheim pflegt mit der ukrainischen Stadt eine Kooperation. Spenden können unter Angabe des Zwecks „Ukraine“ an folgendes Konto gerichtet werden: Empfänger: Mannheim hilft ohne Grenzen e.V., IBAN: DE23 6709 0000 0095 9221 04.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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