Glauben

Jüdische Gemeinde in Mannheim empfängt hochrangigen Besuch

Von 
Markus Mertens
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Michael Blume (v.l.), Rami Suliman, Siegfried Kollmar und Rita Althausen vor der Synagoge. © Markus Mertens

Mannheim. 13. Mai, 14. Juli, 9. September – diese Daten werden die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Rita Althausen, wohl noch einige Zeit begleiten. Denn es waren diese Tage, an denen jüdisches Leben in Mannheim in diesem Jahr durch Angriffe und Beschädigungen der Synagoge gestört wurde. „Das ist unfassbar, was sich in letzter Zeit hier an unserem Heimatort für eine Zerstörungswut breitgemacht hat“, so Althausen – und findet Gehör. Denn an diesem Nachmittag ist nicht nur der Antisemitismusbeauftrage des Landes, Michael Blume, vor Ort, um mit einem Besuch seine Solidarität zu bekunden – auch der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Baden (IRB), Rami Suliman, ist da. Und auch Suliman findet klare Worte: „Die Bedrohung wird in mehreren Städten als so stark empfunden, dass Gläubige nicht mehr in die Synagoge kommen. Die Menschen haben einfach Angst.“

Um diese Befürchtungen zumindest etwas zu nehmen, haben sich auch der zuständige Polizeirevierleiter Peter Oechsler und Präsident Siegfried Kollmar die Zeit genommen und bringen unmissverständlich zum Ausdruck: „Wir stehen an Ihrer Seite und nehmen jeden Vorfall sehr ernst.“ Jede Sachbeschädigung habe man mit großem Ermittlungsaufwand über den Staatsschutz bearbeiten lassen, müsse aber gleichwohl einräumen: „Eine vollkommene Sicherheit werden auch wir nicht gewährleisten können.“

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Von
Peter W. Ragge
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Es ist einer der wenigen Punkte an diesem Nachmittag, an denen Rita Althausen emotional wird. Denn eine Videoüberwachung, wie Sie sie für die Bereiche rund um die und in der Synagoge fordert, wurden vom Landtagsabgeordneten Boris Weirauch (SPD) zwar dem Innenministerium vorgeschlagen – das Haus von Thomas Strobl (CDU) jedoch winkte per Schreiben vom 30. August ab. Der Vorplatz der Synagoge sei nicht als Kriminalitätsschwerpunkt bekannt und eine Überwachung somit nicht mit geltendem Recht vereinbar. Sachverhalte, bei denen sowohl Siegfried Kollmar als auch Rami Suliman Bearbeitungsbedarf sehen – und zusagen, weitere Schritte prüfen zu wollen.

Denn ein Rundgang um die Synagoge zeigt zwar, dass Sicherheitsgläser selbst bei den jüngsten Beschädigungen Schlimmeres verhinderten – die Landesregierung stellt hier im aktuellen Haushalt noch einmal drei Millionen Euro bereit – allein die Dichte der jüngsten Ereignisse jedoch sichtbar für Unruhe sorgt. Auf die Frage, ob auch er die Häufung an Vorkommnissen für bedenklich halte, erklärt Polizeipräsident Kollmar: „Es macht mich jedenfalls nachdenklich. Wir müssen wachsam sein und bleiben.“

Hass aus dem Netz

Die Integrität der jüdischen Gemeindearbeit in Mannheim durch klare Bekenntnisse zu bewahren, erscheint auch vor dem Hintergrund der Stabilität innerhalb der Gemeinschaft als besonders bedeutsam. Suliman, der als IRB-Chef die Geschicke von zehn Synagogen im Bundesland verantwortet, spricht mit Stolz davon, wenn er klarstellt, „dass wir in Baden vieles an kraftvollem Engagement erleben, aber was die jüdische Gemeinschaft in Mannheim leistet, ist beispielgebend“.

Umso bedrohlicher findet Michael Blume antijüdische Strömungen von rechts, aber auch aus dem Ausland, die sich zunehmend im Internet radikalisierten. Auch dies eine Gefahr, die Blume – selbst in seinem eigenen Arbeitsbereich – als real beschreibt. In den kommenden Wochen wird er seinen ohnehin geringen Etat von jährlich 100 000 Euro vor dem Landtag gegen Budgetkürzungen von geplanten zehn Prozent verteidigen müssen. Dabei bräuchte man heutzutage mehr, so Blume.

Rami Suliman dagegen sieht die muslimischen Ditib-Gemeinden in der Mitverantwortung für die Radikalisierung antisemitischer Strukturen. Seit Jahren versuche er in seiner Heimat Pforzheim eine interreligiöse Zusammenarbeit mit den Ditib-Verantwortlichen zu realisieren – jeder Versuch werde systematisch blockiert. Eine Erfahrung, die er auch an weiteren Orten des Landes festgestellt habe. Dies laufe auch dem Ziel von Rita Althausen („Dialog ist die Grundlage für Verständnis“) zuwider. „Diese Verbände werden von der türkischen Staatsregierung für ihre Zwecke instrumentalisiert. Das macht mir große Sorgen, denn ich halte es für wichtig, dass man innerhalb der Religionsgemeinschaften zusammenhält. Wir müssen klarstellen, dass wir Extremisten nicht das Feld überlassen. Das scheint hier offensichtlich nicht der Fall zu sein.“ Auf eine „MM“-Anfrage, wie die Mannheimer Ditib-Gemeinde zu diesen Vorwürfen steht, blieb eine Reaktion bis Redaktionsschluss aus.

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