Das Wichtigste in Kürze
- Jean Asselborn sprach in Mannheim über die EU als Friedensprojekt.
- Er warnte vor Trump und äußerte Sorgen zur Bundestagswahl.
- Asselborn sieht Rechtsstaatlichkeit als Pflicht, nicht als Option.
Mannheim. „Sie werden keine frohe Botschaft von mir hören!“, schickt jener Mann, der seit Jahrzehnten für ein geeintes Europa brennt, seinem Impulsvortrag voraus. In der Reihe „Mannheimer Reden“ sollen eigentlich „Ideen für Europa“ funkeln. Jean Asselborn leuchtet als Gastredner im „Alten Kino Franklin“ eher Herausforderungen aus, denen sich die EU stellen muss, um ihre Idee von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Solidarität und Vielfalt weiter umsetzen zu können. Dass der Mittsiebziger gleich zu Beginn seinen Blick über den Ozean auf die Vereidigung von Donald Trump als 47. US-Präsidenten lenkt, offenbart: Asselborn sieht den 20. Januar 2025 als Weckruf und als einen „Fußtritt in den Hintern von Träumern in Europa“.
In der nahezu vollen Ersatzspielstätte heißt Intendant und Hausherr Christian Holtzhauer willkommen. Als Vorstandsvorsitzender des Heidelberger Bildungs- und Gesundheitskonzerns SRH, der das hochkarätige Forum „Mannheimer Reden“ gemeinsam mit dem Nationaltheater veranstaltet, freut sich Christof Hettich, mit dem langjährigen Außenminister von Luxemburg einen „glühenden Europäer“ nach Mannheim geholt zu haben. Und Oberbürgermeister Christian Specht betont, dass die Quadratestadt „Europa in ihrer DNA hat“: Schließlich sind in der „Mannheimer Akte“ schon vor gut eineinhalb Jahrhunderten visionär für den Rhein freie Schifffahrt samt grenzüberschreitender Vereinbarungen besiegelt worden.
Vor Trump-Strafzöllen nicht auf die Knie gehen
In einem Drama bereitet der Prolog das Publikum inhaltlich vor. Diesen Part übernimmt der Impulsvortrag. Und darin findet Jean Asselborn statt poetischer Umschreibungen deutliche Worte: Amerika habe als älteste Demokratie nicht mehr viel mehr für jene Grundwerte übrig, welche die Europa-Idee ausmachen.
Der Pragmatiker warnt eindringlich, vor einem Präsidenten, der Profit-Erfahrungen als einstiger Immobilienmakler zur Maxime seiner Wirtschaftspolitik mache, gewissermaßen „auf die Knie zu gehen“. Und dies sollte insbesondere nicht beim „Poker“ um Strafzölle geschehen. Die sofortige Gegenreaktion von Kanada, nämlich US-Produkte ebenfalls mit Abgaben zu belegen, habe Wirkung gezeigt. Bekanntlich kündigte Trump im Streit mit dem nordamerikanischen Nachbarn erst einmal einen 30-tägigen Aufschub an.
Auch im Gespräch mit der Journalistin Hendrike Brenninkmeyer, die im Ersten das Europamagazin moderiert, spielen die vom US-Präsidenten mit Säbelrasseln angedrohten Strafzölle eine zentrale Rolle. „Wenn die kommen, ist Deutschland am meisten betroffen“, sagte Asselborn. Und natürlich ploppt Trump bei der Debatte um die Nato mannigfach auf. Damit das Verteidigungsbündnis eine Zukunft hat, steht für den Gast aus Luxemburg fest: „Wir Europäer müssen mehr für die Nato bringen“. Die EU sei „nicht gebaut, eine Abwehrmacht zu sein“. Umso mehr gelte es, den Defensivpakt zu stärken. „Wir brauchen keine europäische Armee“, aber Armeen in europäischen Ländern.
Rechtsstaatlichkeit als Obligation statt nur Option
„Europa ist ein Friedensprojekt“ – diese Botschaft zieht sich einem roten Faden gleich durch den Abend. „Und deshalb ist der Balkan unser Garten“, argumentiert Asselborn. Gerade in Serbien, „dem Herzstück des Balkans“, zeige sich, wie geschickt und erfolgreich Russland seinen Einfluss ausbaue. Der erfahrene Politiker schaut nicht nur jenseits von EU-Grenzen, er leuchtet auch Innenansichten aus. Ohne die deutsch-französische Achse, ist Asselborn überzeugt, „geht in der EU nichts voran“. Und wenn die „Orbans“ nicht gestoppt würden, „dann haben wir bald kein Europa mehr, in dem Rechtsstaatlichkeit nicht nur Option, sondern Obligation ist“.
Zu den „Mannheimer Reden“ gehört, dass am Ende das Publikum einbezogen wird. Vorgebrachte Tendenzen, EU-Grenzen wieder stärker zu sichern, kommentiert Asselborn: „Finde ich gar nicht gut.“ Gefragt nach einem „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“, antwortet er unverblümt: „Das Schlechteste, was wir machen können.“ Nein, Asselborn ist nicht der Meinung, dass der EU-Ministerrat zu viel Macht besitze. Da habe der Europäische Rat als Gremium der Staats- und Regierungschefs weit mehr Einfluss.
Bundestagswahl hält Asselborn für schicksalhaft für Europa
Ohnehin pulsiere Europa keineswegs in Brüssel, sondern in den verschiedenen Hauptstädten. Und was sagt der 75-Jährige zu jungen Menschen, die einem vereinten Europa gleichgültig, da ablehnend gegenüberstehen? „Sägt nicht den Ast ab, auf dem ihr in Freiheit und mit all Euren Möglichkeiten sitzt!“
Im kleinen Kreis verhehlt Jean Asselborn nicht, dass er die in Deutschland bevorstehende Wahl geradezu als schicksalhaft für Europa sieht. Die jubelnd -feixenden Gesichter von Männern und Frauen der AfD bei der Migrationsdebatte im Bundestag „haben mich erschreckt“. Aber nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Staaten sehe er die Gefahr eines Rechtsrucks lauern. Und als das Gespräch auf Putin kommt, meint der Gast: „Das ist jemand, der nur Stärke versteht.“ Und darin sei ihm Trump ziemlich ähnlich.
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