Integration - Rhein-Neckar-Verkehrsbetriebe bilden in Zusammenarbeit mit Jobcenter und Agentur für Arbeit im „Mannheimer Modell“ zugezogene Menschen aus. Eine

Integrationsprojekt "Mannheimer Modell": Geflüchtete kontrollieren Tickets

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Ehemalige sowie aktuelle Teilnehmende des Programms „Mannheimer Modell“ bei der Pressekonferenz im RNV-Betriebshof Mannheim. © rnv

Mannheim. Als die Rhein-Neckar-Verkehrsbetriebe (RNV) im Herbst 2019 als Stadtbahnfahrer ausgebildete Flüchtlinge vorstellten, war auch Mehboob Hashim dabei. Der inzwischen fließend Deutsch sprechende Pakistaner hat das „Mannheimer Modell“ genutzt und seine berufliche Zukunft gewissermaßen sicher auf die Schiene gesetzt. Jetzt startet das vor fünf Jahren von der RNV, der Bundesagentur für Arbeit und dem Jobcenter gemeinsam entwickelte Integrationsprojekt einen neuen Kurs, der zum Fahrausweisprüfer qualifiziert – mit der Option, eine Stadtbahnfahrerausbildung dranzuhängen.

Die Erkenntnis, dass die Verkehrsbetriebe dringend „rollendes“ Personal benötigen und gleichzeitig die Arbeits-Agentur wie das Jobcenter händeringend nach Perspektiven für geflüchtete Menschen suchen, motivierte 2017 zu dem „Mannheimer Modell“ als Pionierprogramm. Und das geht jetzt mit fünf anerkannten Flüchtlingen aus Syrien, dem Iran und Irak in die dritte Runde. Erstmals ist auch eine Frau dabei – mit bewegtem Migrationshintergrund, allerdings ohne Fluchtschicksal.

Das Projekt

  • Die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH, kurz RNV, betreibt als Verkehrsunternehmen den öffentlichen Nahverkehr in der Metropolregion Rhein-Neckar.
  • „Das Mannheimer Modell“ haben rnv, die Agentur für Arbeit und das Jobcenter “ entwickelt.
  • 2017 und 2019 durchliefen elf beziehungsweise sieben Flüchtlinge ein Praktikum. Sieben beziehungsweise fünf junge Männer absolvierten bislang die Ausbildung als Stadtbahnfahrer

An dem ursprünglichen Konzept hat sich nichts geändert. Nach einer Vorauswahl wird zunächst ein dreimonatiges Praktikum samt Sprachunterricht absolviert. Danach schließt sich eine befristete Anstellung von 24 Monaten an: In dieser Zeit geht es darum, in Begleitung von erfahrenen Fahrscheinkontrolleuren die Aufgaben im Prüfdienst, die Tücken des Tarifsystems wie auch die unterschiedlichen Routen der Stadtbahnlinien kennenzulernen und sich obendrein an die für so manche ungewohnten Schichtdienste zu gewöhnen. Noch innerhalb der befristeten zwei Jahre erfolgt die Ausbildung im Straßenbahnfahren. Und die wird von üblicherweise drei auf vier Monate verlängert, damit mehr Zeit zum Lernen samt intensiver wie individueller Unterstützung bleibt. Diese Möglichkeit nutzten von den elf Praktikanten der ersten Runde sieben junge Männer – darunter Mehboob Hashim, der Flüchtling aus Pakistan, den es vor einem Jahrzehnt nach Mannheim verschlagen hat.

Unbefristeter Vertrag

Der 33-Jährige ist stolz darauf, dass er 2019 die Prüfung bestanden hat und seitdem mit einem unbefristetem Vertrag zum RNV-Team gehört. Die größte Herausforderung, blickt er zurück, sei das Erlernen der deutschen Sprache, insbesondere der Grammatik, gewesen. „Aber die Kollegen haben mir sehr viel beigebracht. Außerdem schaute ich mir immer wieder Youtube-Deutschkurse an.“ Für ihn habe sich „alles gut entwickelt“, erzählt der Familienvater, der eigentlich in seinem Heimatland eine Ausbildung als Hotelfachkraft absolviert hatte – die wurde aber hier nicht anerkannt.

Gemeinsam mit Mehboob Hashim haben 2019 außerdem Maikel Rafaat Asaad, einst Busfahrer in Ägypten, und Mustafa Badawi , ursprünglich Elektrotechniker in Syrien, die Prüfung als Stadtbahnführer bestanden. Auch sie sind damals übernommen worden und bis heute bei den Verkehrsbetrieben beschäftigt.

Das bundesweit einzigartige Projekt sieht RNV-Personalleiter Steffen Grimm als „Erfolgsgeschichte“ und „mittlerweile festen Bestandteil unserer Personalstrategie“. Die bislang aus dem Programm übernommenen Kräfte seien in der Belegschaft „ausnahmslos hochgeschätzt“ und eine Bereicherung für das Unternehmen. Auch Thomas Schulz, Chef der Agentur für Arbeit, freut sich, dass das Integrationsangebot für geflüchtete Menschen in eine neue Runde geht – und das wiederum in partnerschaftlicher Kooperation.

Wie wichtig es ist, bei solch einem Projekt einen starken, obendrein regional verwurzelten Arbeitgeber im Boot zu haben, betont Carl Philipp Schöpe, Geschäftsführer des Mannheimer Jobcenters. Durch den Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine, so Schöpe, ergebe sich eine zusätzliche Dynamik. Denn anders als bei bisherigen Flüchtlingen, die erst einmal Anerkennungsverfahren durchlaufen und zunächst nicht arbeiten dürfen, stehen Männer und Frauen, die vor russischen Angriffen geflohen sind, vom ersten Tag an dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

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