Mannheim. Zwar sieht der kleine, schwarze Kasten, der mittlerweile an jeder Polizeiweste in Baden-Württemberg steckt, ziemlich unscheinbar aus. Allerdings hat die neue Version dieser sogenannten Bodycam so einiges auf dem Kasten – und könnte künftig die Aufklärung von etwa tödlichen Polizeieinsatzen deutlich erleichtern.
Nämlich genau in solchen Fällen, bei denen Beamten ihre Dienstwaffe zücken. Denn die integrierte Kamera wird bei der dritten Version des Herstellers Axon per Kontaktgeber am Holster genau dann aktiviert, wenn die Dienstwaffe gezogen wird – und filmt somit in Echtzeit alles mit, was sich vor dem Beamten oder der Beamtin abspielt. Laut Hersteller kann sie sogar Muster erkennen wie eine Schussabgabe, um einen Alarm auszulösen. Oder sie dient als Kommunikationsmittel und ersetzt etwa in einer Bedrohungslage das Funkgerät, das aktuell immer zusätzlich bedient werden muss.
Gewerkschafter Thomas Mohr lobt die neuen Bodycams
„Das bietet auch eine neue Kommunikationsebene im Stressfall, denn das Führungs- und Lagezentrum wird alarmiert und kann direkt live mitschauen sowie mit den Beamten über die Lautsprecher kommunizieren“, erklärt Thomas Mohr, Chef der Mannheimer Gewerkschaft der Polizei (GdP), am Maimarktstand.
Dort zeigt Mohr auch auf die kleinen Mikrofone an der Kopfseite des Geräts, die auf den ersten Blick kaum zu erkennen sind. Besonders sind auch die Aufnahmen der Kamera selbst: Nicht nur werden alle unbeteiligten Personen, die nicht im Fokus der Linse sind, automatisch per Software verpixelt. Die Aufnahmen zeigen auch die reale Sicht der Beamten auf das, was sich vor diesen abspielt, zum Beispiel beim Einsatz mitten in der Nacht oder bei schlechten Lichtverhältnissen.
Zurück in der Wache werden die Aufnahmen der Kamera laut Mohr automatisch auf die Polizeiserver hochgeladen. Ob die Polizisten die Aufnahmen im Nachgang bearbeiten oder gar löschen könnten? Auch das verneint der Gewerkschafter. Zwar können sich die Polizisten die Aufnahmen anschauen und an für sie wichtigen Stellen einen Marker setzen. Alles Weitere ist dann aber nur den zuständigen Ermittlern auf höherer Ebene, wie etwa dem Landeskriminalamt (LKA), erlaubt. So können die Ermittler in der Nachbearbeitung das Verpixeln von Personen in der Umgebung wieder aufheben, wenn das für die Aufklärung eines Falls wichtig ist.
Tödlicher Einsatz an Mannheimer Uni - Bodycams nicht aktiviert
Die GdP begrüßt die Einführung der neuen Bodycam. Schließlich startet die Kamera nur dann, wenn eine Waffe gezogen wird, in allen anderen Fällen entscheidet der Beamte selbst, ob er sie einschaltet. „Gerade in gefährlichen Situationen fällt die Doppelbelastung dadurch weg. Oft wird uns unterstellt, dass man die Kamera mit Absicht nicht aktiviert hat, um etwas zu vertuschen. Oft gibt es Handyvideos von Zeugen, die eh das Geschehen dokumentieren. Gerade weil solche Situationen oft sehr dynamisch sind, bleibt manchmal keine Zeit mehr für den Griff zur Kamera, um diese zu aktivieren.
Das Ziehen der Dienstwaffe, nach den gesetzlichen Vorgaben, dokumentiert dann automatisch die Situation, die auch die Polizisten bei haltlosen Vorwürfen entlasten kann“, sagt Mohr. Bei der aktuell getragenen Kamera an der Uniform braucht es nämlich noch zwei Handgriffe, um das Gerät zu aktivieren.
Wie wichtig solche Aufnahmen sein können, hat sich etwa bei den Ermittlungen zum tödlichen Polizeieinsatz am Mannheimer Marktplatz vor zwei Jahren gezeigt. Damals hatte auch LKA-Chef Andreas Stenger trotz unzähliger Videoaufnahmen von Augenzeugen bedauert, dass die getragenen Bodycams beim Einsatz nicht eingeschaltet waren. Und Stenger hatte dabei gleichermaßen betont, wie dynamisch und hektisch solche Fälle verlaufen könnten und Beamte deshalb noch besser im Umgang mit der Kamera trainiert werden sollten.
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Auch im jüngsten tödlichen Polizeieinsatz in Mannheim, bei dem Polizisten in der Uni auf einen mit einer Machete bewaffneten Mann geschossen hatten, ist den Beamten wohl kaum Zeit geblieben, die Kamera vor der tödlichen Schussabgabe zu aktivieren – hier gibt es keine Bodycamvideos.
Bodycams in USA: Andere Funktion als in Deutschland
Es sind wertvolle Filmaufnahmen, die künftig mit der neuen Bodycamversion erstellt werden können. Denn hier reicht eben lediglich ein Klick – oder eben das Ziehen der Waffe, damit die Kamera automatisch zu filmen beginnt – ohne dabei die Polizisten wie in den USA oder in England dauerhaft bei der Arbeit zu filmen. In den USA sind die Körperkameras auf Druck von Bürgerrechtsorganisationen flächendeckend eingeführt worden, vor allem, um nichtweiße Minderheiten vor tödlicher Polizeigewalt zu schützen. In Deutschland dagegen sollen die Kameras vor allem ihre Träger vor Gewalt schützen. Hier haben auch Gefilmte übrigens das Recht, die Aufnahmen einzusehen.
Wie wichtig so etwas für die Polizei in Mannheim sein wird? Polizeigewerkschafter Mohr hält die neue Bodycam, die ihm zufolge im Laufe des Jahres im Land wohl eingeführt werden soll, für einen wichtigen und richtigen Schritt. Was noch fehlt, sei aber ein kleines Display an der Vorderseite der Kamera, wie es die Einsatzkräfte in Hessen benutzen. Dadurch erscheinen nämlich die Gefilmten direkt auf dem Schirm, was ihnen dann bewusst macht, dass sie gerade aufgezeichnet werden. „Die Polizei in Hessen und die Bundespolizei verzeichnen seitdem einen starken Rückgang der Übergriffe auf Beamte, das wünschen wir uns natürlich auch“, sagt Mohr.
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