Premiere in der Pandemie: Erstmals tagt der Mannheimer Gemeinderat am Dienstagnachmittag per Hybridsitzung. Um Abstände besser zu wahren und das Infektionsrisiko zu senken, ist die eine Hälfte der Mitglieder nur per Video zugeschaltet. Einige Entscheidungen, die aus rechtlichen Gründen mit persönlicher Anwesenheit getroffen werden müssen, übernimmt am Abend dann die andere Hälfte im Ratssaal.
Ansonsten bleibt alles wie gewohnt. Der erste, wichtigste und mit fast eineinhalb Stunden deutlich längste Tagesordnungspunkt ist wieder die Corona-Lage. Mit 62 neuen Fällen sinkt die Sieben-Tage-Inzidenz (Summe der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner) nach den Zahlen der Stadt auf 113. Von einem Rückgang will Gesundheitsamtschef Peter Schäfer bei der Dynamik des Infektionsgeschehens allerdings nicht sprechen. „Mit hohem Aufwand“ ließen sich zwar noch die Ansteckungsketten zu 70 bis 75 Prozent nachvollziehen. Doch nehme die Zahl der Cluster ständig zu. Nicht nur im betrieblichen Bereich, auch verstärkt bei Kitas. Sieben Einrichtungen seien schon geschlossen, darin insgesamt 14 Erzieherinnen und 38 Kinder infiziert. Schäfer prognostiziert: „Das wird ansteigen.“
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Mehr als die Hälfte Mutanten
Es zeige sich, dass die mutierten Virusvarianten – die in Mannheim mittlerweile mehr als die Hälfte der Fälle ausmachten – allgemein auch deutlich stärker auf Jüngere übergriffen, sagt Schäfer. Mitte Dezember seien Neuinfizierte im Schnitt 40,9 Jahre alt gewesen, jetzt liege man bei 32,6. Auch der Altersschnitt auf den Corona-Intensivstationen sinke mit nunmehr 52,3 stetig.
Peter Kurz weist darauf hin, dass die Stadt auf die stärkere Ausbreitung des Virus speziell bei Jüngeren gerade mit der Maskenpflicht an Grundschulen und der Schließung aller Kitas reagiert habe. Eine Inzidenz von mehr als 100 sei wohl verkraftbar, „aber was ist mit 300 oder gar 500“?, fragt der Oberbürgermeister. Man müsse das Infektionsgeschehen jetzt unbedingt bremsen.
Sorge um gebremstes Impftempo
Eine andere Bremsung bereitet Kurz indes Sorgen: die Aussetzung der Astrazeneca-Impfungen. Die Bundesregierung habe hier eine Abwägungsentscheidung getroffen, bei der es einerseits um mögliche medizinische Nebenwirkungen in wenigen Einzelfällen gehe. Andererseits würden nun vielleicht 30 Millionen Menschen, für die man diesen Impfstoff in den angekündigten Liefermengen verwenden könnte, anhaltenden Gesundheitsgefahren durch eine Corona-Infektion ausgesetzt. „Ich bin mir nicht sicher, ob diese Entscheidung richtig getroffen worden ist“, so das Stadtoberhaupt. Aus Mannheimer Sicht sei „Glück im Unglück“, dass man in der Maimarkthalle bisher nicht viele Dosen von Astrazeneca habe. Daher könnten alle vergebenen Termine eingehalten werden, die Betreffenden bekämen dann andere Impfstoffe.
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Erneut preist Kurz die individuellen Impfbriefe der Stadt an alle über 80-Jährigen als Erfolg. Ein ähnliches Angebot – vorbei an der zentralen Terminvergabe des Landes über die Hotline 116 117 und die Internetseite www.impfterminservice.de – wolle man nach Möglichkeit auch allen 70- bis 79 Jährigen machen. Das sei aber wegen deren großer Zahl und des Mangels an Impfstoff schwierig. Beginnen werde man daher wohl allein mit dem Geburtsjahrgang 1941.
Zwei Millionen Euro Spielraum
Eine weitere, sehr wichtige Säule bei der Eindämmung der Pandemie sind für den Oberbürgermeister regelmäßige Tests. Diese will die Stadt zwischen Oster- und Pfingstferien auch allen Schülern ermöglichen. Etwa dafür hat der Oberbürgermeister beantragt, dass er künftig kurzfristig ohne vorherige Freigabe des Gemeinderats zwei Millionen Euro ausgeben kann. Netto, fügt er hinzu, abzüglich von Bundes- und Landeszuschüssen. Das dafür bislang in Stuttgart bereitgestellte Geld „reicht einfach nicht“. Der Gemeinderat bewilligt den Antrag einstimmig.
Das Stadtoberhaupt erwähnt auch die Riechtests für daheim, die sich am vergangenen Sonntag schon bei allen Wahlhelfern als nützlich erwiesen hätten. Grünen-Stadtrat Chris Rihm fragt, ob die Gemeinderatsmitglieder künftig nicht mit gutem Beispiel vorangehen und vor Gremiensitzungen selbst Riechtests machen sollten. Kurz sagt zu, die Idee zu prüfen. Er gibt aber zu bedenken, dass Wichtigste sei ein funktionierendes Hygienekonzept mit Mindestabstand und Masken. Das könnten Tests nicht ersetzen.
Kaum technische Probleme
Die Hybridveranstaltung klappt technisch jedenfalls recht gut. Probleme gibt es nur nach etwa 75 Minuten, als erstmals einer der zugeschalteten Stadträte das Wort ergreift: Volker Beisel von der FDP ist erst schlecht, dann gar nicht mehr zu verstehen. Wer das von täglichen Videokonferenzen bei der Arbeit kennt, verkneift sich da vielleicht ein Schmunzeln unter der FFP2-Maske. Nach hektischer Betriebsamkeit am Regiepult des Gemeinderats sind aber Beisel und die übrigen Zugeschalteten bald prima zu hören. Und untereinander haben sie sich offenbar die ganze Zeit gut verstanden. Das kann man ja von den Lokalpolitikern sonst nicht immer sagen.
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