Morgentour - 150 Teilnehmer reisen mit dem historischen Schienenbus durchs „Madonnenländchen“

Im „Roten Flitzer“ nach Miltenberg

Von 
Bernhard Haas
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Es ruckelt und zuckelt, als sich der Zug auf die Sekunde pünktlich im Mannheimer Hauptbahnhof in Bewegung setzt. Mit einem historischen Triebwagen – dem Roten Flitzer – geht es in Richtung Neckartal. Doch zuerst müssen einmal die Weichen durch den Rangierbahnhof überwunden werden. Da schüttelt es das eine oder andere Mal gehörig. Aber das rote Dreiergespann – bestehend aus Triebwagen, Beiwagen und Steuerwagen – aus den 1950er Jahren nimmt unerschütterlich seinen Weg.

Gemütlich, wie anno dazumal, geht es Richtung Heidelberg. Von da nimmt der Zug Fahrt auf durch das romantische Neckartal. In Neckarelz biegt das Gefährt mit seiner teuren Fracht in Richtung Mosbach und Seckach ab. Am Ankunftsort legt der „Rote Flitzer“, der immerhin eine bis zu 90 Stundenkilometer schnelle Reisegeschwindigkeit erzielt, eine kleine Pause ein, denn die Fahrtrichtung wird gewechselt. „Schon allein die Fahrt bis hierher ist es wert, dass man mit der ,Morgentour’ mitfährt“, sind Heidrun und Heinz Weiß begeistert.

Dabei beginnt jetzt erst die rund 42 Kilometer lange Fahrt auf der idyllischen Madonnenlandbahn, die heute mit neuesten dieselgetriebenen Zügen von der Westfrankenbahn bedient wird. Etwas abgeschieden fährt die Eisenbahn seit fast 120 Jahren von Seckach über den berühmten Wallfahrtsort das Blutwunder von Walldürn nach Miltenberg, und natürlich umgekehrt. Die Mitfahrenden begeben sich auf eine Zeitreise. Überall sind noch Relikte aus der guten alten Eisenbahnerzeit vorhanden.

Jetzt auch mit neuester Technik

So muss vor unbeschrankten Bahnübergängen immer noch gehupt oder gepfiffen werden, je nachdem, was gerade auf Tafeln angezeigt wird. Neueste Technik hat inzwischen aber auch Einzug gehalten auf dieser einspurigen Strecke. „Das ist die Strecken, auf der früher dieser Zug zu Hause war“, erklärt der Fahrdienstleiter. Die Gegend zwischen Main, Tauber und Neckar wird auch als „Badisch Sibirien“ bespöttelt, da früher hierhin unliebsame Beamte strafversetzt wurden, was diesen allerdings nicht immer gefiel.

Gemütlich geht es weiter über Walldürn und Amorbach – hier steht der „Sonderzug nach Pankow“ auf dem Museumsgleis – rund 250 Höhenmeter „steil bergab“ in das Ziel der Reise: die „Perle am Main“ Miltenberg. Weinbau, Weinhandel, Schifffahrt, Fischerei, Holz- und Steinindustrie brachten dem alten romantischen Städtchen einen lebhaften Aufschwung. Die günstige Lage an der alten Handelsstraße Nürnberg-Frankfurt und das Stapelrecht bescherten Miltenberg schon früh wirtschaftliche Blütezeiten.

Damals war es Vorschrift, dass Händler im Alten Rathaus ihre Ware stapeln und umladen mussten. Das kostete aber schon damals Geld, wie die fünf Gästeführerinnen den Besuchern erläutern. An prächtigen Fachwerkbauten, wie zum Beispiel am Alten Marktplatz – besser bekannt als „Schnatterloch“ – oder am „Gasthaus zum Riesen“ , der ältesten Herberge Deutschlands, erklärt Gästeführerin Renate Klüpfel zum Beispiel die Bedeutung der Stadt.

Bevor es in das Schwarzviertel geht, werden die Gäste überrascht vom Musikverein Collenberg, der ein Ständchen spielt. Der älteste Teil der Stadt schmiegt sich eng zwischen Main und Greinberg. Hinter manchen Häusern öffneten sich Keller, die direkt in den Berg gehauen wurden. Eine perfekte Kulisse bietet das für schaurige Geschichten und Legenden, ehe ein kurzer Blick in die kalten Keller der Brauerei Faust und dem kleinsten Theater Deutschlands die Führung, in der allerlei Kurioses zu hören war, beendet.

„Fahrt war wunderschön“

„Die Altstadt war sehr schön. Das Essen war gut. Die Fahrt war wunderschön. Es war alles bestens“, schwärmt Leserin Beate Jochen. „Die Altstadt ist einfach zu empfehlen“, fügt das Ehepaar Weiß hinzu. „ Es ist immer wieder schön zu erfahren, wie wunderschön unsere Heimat ist. Schon die Fahrt mit dem Triebwagen war die Reise wert“, meint Hannelore Beyer. Übrigens geht es auf derselben Strecke wieder zurück, was der „Rote Flitzer“ zwar keuchend, aber ohne jeden Tadel, erledigt.

Miltenberg

  • Die Kreisstadt Miltenberg gehört seit 1816 zu Bayern. Sie liegt am Mainknie zwischen Spessart und Odenwald.
  • In der historischen Altstadt gibt es zahlreiche Fachwerkhäuser. Beliebte Ziele sind der alte Marktplatz mit dem achteckigen Brunnen und dem Schnatterlochturm, der einen Durchgang zum Wald ermöglicht. Auch die St. Jakobuskirche und die 350 Jahre alte Brauerei Faust gehören für viele Touristen zum Programm.
  • Sehenswert ist auch die Mildenburg, die von der Stadt Miltenberg im Jahr 1979 erworben wurde.
  • Wie viele Städte und Gemeinden haben auch die Miltenberger einen Spitznamen und heißen „Staffelbrunser“.
  • Der rote Flitzer ist eine Schienenbusgarnitur aus den 1950er Jahren. Er besteht aus bis zu fünf Wagen (zwei Triebwagen, Beiwagen und zwei Steuerwagen).
  • Durch die Rundum-Verglasung des Gefährtes haben Gäste einen Panoramablick auf die Landschaft. 
Morgentour Miltenberg

Fahrt mit dem "Roten Flitzer"

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