Jahrestag

„Ich liebe Deutschland, mache mir aber auch Sorgen“

300 Menschen gedenken auf dem Marktplatz der Opfer des rassistisch motivierten Anschlags von Hanau vor vier Jahren

Von 
Stefanie Ball
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Rund 300 Menschen hatten sich am Montagabend auf dem Marktplatz zu einer Mahnwache versammelt. © Thomas Tröster

Seine Eltern seien von der Türkei nach Deutschland gekommen, um den Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, erzählt Ali. Er ist 28 Jahre alt, hat studiert, hat eine bessere Zukunft. Oder nicht? Am Montagabend ist er auf den Mannheimer Marktplatz gekommen, um der Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau zu gedenken. Rund 300 Menschen stehen im Regen, der immer wieder fällt, die Namen der neun Opfer, die ein 43-jähriger Deutscher am 19. Februar vor vier Jahren an mehreren Tatorten in der hessischen Stadt innerhalb von sechs Minuten erschoss, werden verlesen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili Viorel Paun, Fatih Saraçoglu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.

„Es hätte jeder sein können“, sagt Ali, der seinen vollen Namen nicht nennen möchte. Jeder, der nicht so aussehe wie ein „Biodeutscher“, ein Deutscher, der von Deutschen abstamme, das Gegenteil von Menschen mit Migrationshintergrund eben. So wie Ali. Auch wenn er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. „Ich liebe Deutschland, aber ich mache mir auch Sorgen“, sagt der 28-Jährige.

Der Demokratische Arbeiter- und Jugendverein Mannheim (DIDF) e.V. hatte die Kundgebung initiiert; auch das Bündnis Mannheim gegen Rechts beteiligte sich an der Mahnwache. Die „Initiative 19. Februar Hanau“ hatte für Montag bundesweit zum Trauern, Gedenken und Demonstrieren aufgerufen. Das Bündnis hatte sich 2020 nach den Morden gebildet, um die Namen der Opfer in Erinnerung zu behalten und darauf zu pochen, dass Konsequenzen aus den Anschlägen gezogen werden.

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Ein Ende vergangenen Jahres vorgelegter Bericht eines Untersuchungsausschusses des hessischen Landtages hatte Versäumnisse der Behörden aufgelistet, Angehörige zeigten sich über das Ergebnis jedoch enttäuscht. Der Ausschuss war nur auf Druck von Hinterbliebenen eingesetzt worden. Unter anderem war der Polizeinotruf an jenem Abend, als der Täter mordend durch Hanau zog, überlastet gewesen, so dass ein später Getöteter mit Anrufen nicht durchgekommen war.

Während Reden von Politikern auf dem Mannheimer Marktplatz ausdrücklich nicht erwünscht waren, mahnten Gruppierungen wie die DIDF-Jugend, die Seebrücke Mannheim sowie der Migrationsbeirat Mannheim, dass die Tat von Hanau kein Einzelfall sei, sondern dahinter ein struktureller Rassismus stehe, der bestimmte Bevölkerungsgruppen, etwa Menschen mit Migrationshintergrund und schwarze Menschen, benachteilige und ausgrenze. Das dürfe nicht länger hingenommen werden. „Erinnern heißt verändern“, betonte Sefa Yeter, der die Veranstaltung moderierte. Jahrelang sei rechte Gewalt ignoriert worden, während auf der anderen Seite Menschen mit Migrationshintergrund kriminalisiert und zu Sündenböcken gemacht worden seien.

Aufruf zur Wahl

Die Vorsitzende des Migrationsbeirates, Zahra Alibabanezhad Salem, erinnerte derweil daran, dass in diesem Jahr, am 9. Juni, Kommunalwahlen in Baden-Württemberg stattfinden und forderte die Menschen auf, wählen zu gehen: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Parteien, die bereits am rechten Rand verortet sind, die Mehrheit bekommen.“ Um das zu verhindern, gebe es eine einfache Möglichkeit: „Geht wählen!“

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