Energiekrise

Hohe Energiepreise bedrohen Existenz von Handwerksbetrieben

Das Brötchen wird zur Luxusware, der Haarschnitt immer teurer. Die Energiepreise explodieren! Vielen kleineren Handwerksbetrieben in Mannheim machen die Strom- und Gaspreise zu schaffen. Sie stecken in einer Zwickmühle

Von 
Valerie Gerards
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Frank Cremer führt als Inhaber einer Textilreinigung einen besonders energieintensiven Handwerksbetrieb. © Valerie Gerards

Mannheim. Die steigenden Energiepreise machen den Mannheimer Handwerksbetrieben zu schaffen. Ein Großteil der Branche hat für Strom und Gas nur Jahresverträge abgeschlossen, weil sie über lange Zeit immer günstiger waren. Als besonders energieintensive Betriebe geraten Textilreinigungen, Bäckereien und Metzgereien jetzt unter starken Druck, für manche Betriebe ist die Lage existenzbedrohend.

Der Metzger

„Die Problematik ist, dass wir Handwerksbetriebe im Vergleich zur Industrie ein kleines Gewerbe haben, aber das Gleiche produzieren“, sagt Michael Hauk, Inhaber der gleichnamigen Metzgerei.

Die gestiegenen Strompreise machten den Handwerksbetrieben zu schaffen, weil sie individuell produzierten und dadurch keine perfekte Auslastung der Maschinen hätten, führt Hauk am Beispiel seiner Räucheranlage aus. Bei einem kleinen Metzger sei sie oft nur halb voll gehangen mit Fleisch und Wienern, je nachdem, wie groß die Nachfrage sei: „Das macht die Belastung für die kleinen Betriebe hoch, egal in welcher Branche.“ Sie bekämen beim Strom nicht den günstigeren Industrietarif, sondern den Verbrauchertarif. Die Großen hätten dadurch einen noch stärkeren Wettbewerbsvorteil, die Individualität und Exklusivität der Kleinen werde dadurch zerstört. Es hänge nun davon ab, wie die Politik entscheide – sonst werde es Insolvenzen wie Sand am Meer geben. „Der Börsenpreis des Stroms wird immer noch von der teuersten Produktionsart bestimmt. Wir schmeißen 200 Milliarden in den Markt, aber vielleicht könnte man einfach mal das Abrechnungssystem ändern. Ich könnte mir vorstellen, dass das helfen würde“, meint Hauk.

Auf die gestiegenen Kosten reagiert Hauk in seinem Betrieb, indem er bewusster produziert und hinterfragt, ob jedes Produkt täglich produziert werden muss. Die Produktvielfalt werde geringer, und es sei nicht alles zu jeder Uhrzeit verfügbar. Noch seien die Preise in der Fleischbranche stabil, denn der Konsum sei niedrig, und die Tiere müssten dennoch geschlachtet werden, meint Hauk. Aber das werde sich in ein paar Monaten ändern.

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Der Reinigungsbetreiber

Auf die Frage, wie es um die Energiekosten in seiner Textilreinigung in Sandhofen bestellt ist, nennt Inhaber Frank Cremer ganz konkrete Zahlen: „Letztes Jahr habe ich 2000 Euro für Strom bezahlt, seit Jahresanfang sind es 9108 Euro im Monat. Das macht jede Kalkulation kaputt. So eine Summe kann man nicht auf die Kunden umlegen, sondern nur noch subventionieren.“ Wie viele andere Textilreinigungen kauft er seinen Strom über eine Einkaufsgenossenschaft direkt an der Börse. Doch was früher einmal eine gute Strategie war, um Strom günstig einzukaufen, hat sich nun ins Gegenteil verkehrt.

Cremer berichtet, dass während der Corona-Zeit deutlich weniger Hemden gereinigt worden seien, die das Hauptgeschäft seiner Textilreinigung ausmachen. Während dieser Zeit sei der Umsatz um 90 Prozent zurückgegangen. Durch die hohen Stromkosten sei der Betrieb derzeit nicht wirtschaftlich. Er könne nur weitermachen, weil er zuvor gut gewirtschaftet habe. Nun hofft er, dass die Regierung auch den Mittelstand und das Handwerk in das Energiekostendämpfungsprogramm für energieintensive Industrien aufnimmt. „Bisher profitieren aber nur große Firmen von der Entlastung“, meint Cremer.

Der Bäcker

Für die Bäckerei Kuhtz in Käfertal haben sich laut Carsten Ockert die Preise für Gas verdreifacht und nach dem Anbieter-Wechsel für Strom vervierfacht. Die Rohstoffpreise für Butter, Zucker und Mehl sind um 30 bis 40 Prozent gestiegen, Zucker wird durch die Weihnachtsbäckerei noch mal teurer. Im September hat der Betrieb darauf mit einer Preiserhöhung von zehn bis 15 Prozent reagiert – mit dem Ergebnis, dass die Kundschaft zurückgegangen ist. Körnerbrötchen kosten statt 80 nun 90 Cent, Süßteile statt 1,30 Euro jetzt 1,40 Euro. „Ich werde die Preise deshalb nicht mehr erhöhen können, aber mit den Preisen runtergehen können wir auch nicht, weil unser Betrieb sonst nicht mehr rentabel ist. Wir können nur weniger produzieren, aber der Arbeitsaufwand reduziert sich dadurch nicht.“

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Dass die Kunden wegbleiben, kann er verstehen; schließlich hätten viele Menschen aufgrund der Inflation ebenfalls Geldsorgen. Die Bäcker verlieren sogar noch einen weiteren Markt: Hotels und Kantinen, die vorher gute Konditionen von den Bäckern bekommen haben, kaufen jetzt Tiefkühl-Ware ein, berichtet Ockert: „Die Hotels haben den gleichen Preisdruck und eigentlich gar keine andere Möglichkeit.“

Wie andere Bäcker auch sucht er jetzt Wege, Kosten einzusparen. Eine Möglichkeit ist, die Produktpalette zu verkleinern, beispielsweise nicht mehr 20, sondern nur noch zehn verschiedene Sorten Brötchen anzubieten. Die Teiglinge für Brezeln, die eigentlich das Ausrufezeichen des Bäckerhandwerk sind, werden eingekauft anstatt selbst gemacht. Der Grund: Wegen der Lauge und auch der teuren Entsorgung der Lauge seien diese hochkomplexen Dinge nicht mehr in Handarbeit herstellbar. „Das Wasser steht vielen bis zum Hals. Wenn wir keine Hilfe bekommen, werden wohl viele nicht mehr weitermachen“, meint Ockert. Aus seinem Bekanntenkreis habe die Bäckerei Kapp bereits kurzfristig zugemacht, ein weiterer Bäcker stehe kurz vor der Insolvenz.

Der Fahrlehrer

Bei den Fahrschulen macht sich die Erhöhung der Energiepreise an den Zapfsäulen bemerkbar. In den vergangenen fünf Monaten hätten sich die Kosten verdoppelt, meint Felix Ferrenberg, Geschäftsführer der Fahrschule Ferrenberg. Ziel sei es, sich etwas unabhängiger vom Diesel- und Benzinpreis zu machen. Schon vor Beginn der Energiekrise, im Spätherbst 2021, habe er am Firmensitz in Feudenheim eine große Photovoltaikanlage angeschlossen, an der ein vollelektrisches und drei hybride Fahrzeuge der Flotte aufgeladen werden. „Die Tendenz zu Elektroautos in der Branche ist steigend. Der jetzige Zustand ist bei uns auch nur ein Zwischenschritt, der Anteil an Elektro- und Hybridautos wird sukzessive erhöht“, berichtet er.

Auch die Lohnkosten seien im Zuge der Inflation gestiegen – zwischen sieben und zehn Prozent bekommen seine Mitarbeiter mehr. „Zum September haben wir reagieren müssen, und die Preise um fünf bis zehn Prozent angehoben. Wir planen aber keine weiteren Preiserhöhungen“, sagt Ferrenberg. Die Lage sei nicht existenzbedrohend.

Der Friseur

Möglichkeiten zum Energiesparen gibt es viele, aber ohne warmes Wasser und Fön läuft bei Friseuren eben nichts. Wenn sich die Strom- und Gaspreise im kommenden Jahr drastisch erhöhen, wird Marcel Ritter in seinem Friseursalon in der Neckarstadt-Ost auch die Preise erhöhen müssen. „Es wird teurer werden, aber wir wollen erst schauen, was Ende des Jahres Fakt ist. Ich kalkuliere neu, wenn die Abschlagszahlungen kommen“, sagt der Friseurmeister. Schon während der Corona-Zeit hätten sich die Pflegeprodukte um rund 30 Prozent verteuert und würden jetzt nochmal weiter steigen. Auch der Mindestlohn, Zeitschriften für die Kunden und Versicherungen seien teurer geworden – doch all diese Preissteigerungen könne er nicht zu 100 Prozent an seine Kunden weitergeben.

Im Salon ist die Heizung ausgeschaltet, noch geht das. Wenn es draußen kalt wird, müssen sich die Kunden aber eher auf 19 Grad als auf 23 Grad einstellen. Die Klimaanlage im Salon kann auch heizen, das sei unter Umständen sogar günstiger als mit Gas. Es wird, wo immer möglich, Energie gespart, die Beleuchtung ist komplett auf LED umgestellt. „Der Salon ist natürlich immer beleuchtet, aber in den Personalräumen und im Herrensalon machen wir das Licht aus, wenn niemand dort ist“, sagt Ritter.

Freie Autorin

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