Feuerwehr

Höhenretter in Mannheim: Wenn Männer am Wasserturm baumeln

Die Spezialeinheit Höhenretter der Feuerwehr übt wieder am Mannheimer Wahrzeichen. Warum dieses Training für sie etwas ganz Besonderes ist, was sie alles am Körper schleppen und für welche Fälle sie sich vorbereiten

Von 
Peter W. Ragge
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Übung in schwindelnder Höhe: Höhenretter der Feuerwehr Mannheim am Gesims des Wasserturms. © Thomas Tröster

Mannheim. Sie erregen schon viel Aufsehen, die Männer in den roten Overalls. Immer wieder recken Passanten den Kopf empor, denn dass Menschen an einem Seil an der Fassade des Wasserturms baumeln oder knapp unterhalb der Kupferskulptur der Amphitrite an der Spitze stehen, kommt nicht alle paar Tage vor. Etwa fünf Jahre ist es her, dass die Höhenretter der Mannheimer Berufsfeuerwehr zuletzt am Wahrzeichen geübt haben. Jetzt rückten sie mal wieder am Friedrichsplatz an.

Karabiner, Schließringe, Bandschlingen – mehrere Kilogramm schleppt jeder der Männer mit sich. © Thomas Tröster

Etwa 30 Beamte mit dieser Spezialausbildung für die Rettung aus Höhen und Tiefen gibt es bei der Berufsfeuerwehr. Jeweils fünf von ihnen sind rund um die Uhr im Dienst – zwei Mann als Retter, zwei als Sicherungstrupp und ein Gruppenführer. Das ist freilich nur ihre Zusatzfunktion – sie sind ganz normal auf dem Löschzug der Wache Nord eingeteilt, bei dem im Fall eines Höhenrettereinsatzes ein Löschfahrzeug weniger ausrücken kann.

Schmale und steile Treppen

Heute ist es anders. „Alle drei Wochen haben wir Tagdienst und können dann üben, ohne dass auf dem Löschzug jemand fehlt“, informiert Sascha Engelhardt, an diesem Tag der Höhenretter vom Dienst. Schließlich muss jedes Mitglied der 1996 geschaffenen Truppe 70 Stunden im Jahr am Seil üben, um weiter die Befähigung für Einsätze zu haben. Am Heizkraftwerk Nord oder am Großkraftwerk sind die Spezialisten öfter, auch mal an Kränen oder in einem Hochregallager sowie einmal jährlich am Fernmeldeturm. In den Wasserturm zu dürfen, sei jedoch schon etwas Besonderes: „Er ist ja unser Wahrzeichen“, freut sich Sascha Engelhardt über die von der MVV Energie AG gebotene Gelegenheit, hier trainieren zu dürfen.

Etwa 50 Mal im Jahr wird die Spezialeinheit alarmiert

Doch erst müssen sich die fünf Männer ausrüsten, ihre ganzen Gurte anlegen. Alles, was sie brauchen, ist im speziellen Gerätewagen Höhenrettung verstaut, einem vor zehn Jahren umgebauten Mercedes Sprinter, der über Lichtmast, elektrische Seilwinde, Werkzeug und Druckluftgeräte verfügt, dazu Kisten mit der persönlichen Ausstattung der Einsatzkräfte. Karabiner, Schließringe, Bandschlingen, Seilklemmen und Rollen – mehrere Kilogramm schleppt jeder der Männer mit sich, und es klimpert und klappert ganz kräftig und laut, als die Feuerwehrleute die Treppen im Wasserturm hochsteigen.

Meterweise Seile

Dass sie auch eine Plastikkiste mit Decken mitschleppen, wundert dann aber Michael Wilhelm, Fachteamleiter der MVV und Betriebsführer für die technischen Anlagen rund um Mannheims Wahrzeichen. „Ich dachte schon, Ihr wollt es Euch da oben gemütlich machen“, scherzt er. Doch die Decken helfen, die Seile zu schonen: „Damit decken wir scharfe Kanten ab“, erläutert Sascha Engelhardt. Und Seile haben die Höhenretter viele dabei. 60, 120 und 200 Meter sind ihr Standard, und alle müssen im Rucksack hochgetragen werden.

Schwer bepackt geht es die Treppen im Wasserturm hoch. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Anfangs sind die Treppen im Wasserturm noch breit, aber je näher die Männer dem früheren, seit dem Jahr 2000 leeren Wasserbehälter kommen, umso schmaler und steiler werden sie. Ganz eng schlängeln sie sich der Wand entlang, bis es per Wendeltreppe hinauf geht zur Amphitrite, der Kupferfigur der Meeresgöttin und Gattin des Poseidon. Bis hierher steigen die Höhenretter, haben dann in knapp 60 Metern Höhe eine herrliche Aussicht über die Stadt.

Rettung aus der Achterbahn

Aber darum geht es ihnen nicht, sondern um kräftezehrendes Training für den Ernstfall. Etwa 50 Mal im Jahr wird die Spezialeinheit alarmiert, so Sascha Engelhardt. Meist geht es um Unterstützung für den Rettungsdienst, wenn Patienten aus Häusern mit zu engen Treppenhäusern zu holen sind. Aber die Höhenretter, die über Mannheim hinaus ebenso in der Region gefragt sind, haben schon verunglückte Arbeiter oder auch mal eine Silbermöwe von Baukränen gerettet, abgestürzte Drachenflieger aus Bäumen oder 2019 auf der Mess Menschen aus einer plötzlich stillstehenden Achterbahn abgeseilt.

Doppelt gesichert

So spektakulär ist es heute nicht. Am – mit Decken geschützten – Geländer rund um Amphitrite befestigen die Männer ihre Seile, rollen ein Seil bis ganz nach unten zum Friedrichsplatz aus. Dabei geht stets Sicherheit vor Schnelligkeit – die Höhenretter sichern sich immer doppelt.

André Gebühr, wie er an der Fassade entlangschwebt. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Langsam lassen sie sich dann ab, teils nur von der Turmspitze bis zur oberen Balustrade, teils bis ganz nach unten. Gerade oben auf dem schrägen Kupferdach des Turms zu arbeiten, sei nicht einfach, sagt Höhenretter André Gebühr. Einige vereiste Schneefelder versuchen die Männer ebenso zu umgehen wie manche Reste von Feuerwerkskörpern, die hier oben noch herumliegen, oder die Blitzschutzanlage und Vorkehrungen gegen Tauben. „Wir versuchen ja, bei einer Übung nichts zu beschädigen – im Einsatz muss es natürlich schneller gehen, da kann man weniger Rücksicht nehmen“, erläutert der Berufsfeuerwehrmann.

Er ist an dem Tag der erste der Truppe, der von ganz oben die Sandsteinfassade entlang bis hinunter auf den Friedrichsplatz abgeseilt wird. „Schön“ sei das, sagt er danach: „Es ist ja kein alltägliches Objekt, sondern eben unser Wasserturm“, hebt er hervor.

Redaktion Chefreporter

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