Mannheim. Der 17. Januar - er sei ein besonderer Tag. In den „Mannheimer Tageblättern“ des Jahres 1822 wird das angekündigt. An dem Tag soll ein Weinfass fertig werden, das „auf dem Rheine verfertigt“ worden sei, denn der ist damals zugefroren. Daher steigt auf dem Strom vor 200 Jahren ein Volksfest, und die Versteigerung des Weinfasses ist als Höhepunkt angekündigt.
Sehr viel weiß man nicht aus jener Zeit. Aber Jakob Baroggios „Geschichte Mannheims von dessen Entstehung bis 1861“ vermerkt, dass der Rhein zugefroren und dort gefeiert wird. Zeitungsnotizen belegen das ebenfalls. Zwischen der Warnung vor einer untreuen Dienstmagd und einem Geschäftsmann, der den Verkauf „feiner Liqeurs“ im Kaufhaus in N 1 anpreist, deuten mehrere Inserate darauf hin, dass die zugefrorenen Flüsse gerne für allerlei Festivitäten genutzt werden. Da wird „auf dem Neckar ein Lamm durch das Kegelspiel ausgespielt“ oder „guter Punsch Wein und guter Kaffe“ auf dem Neckar „verzapft“.
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Doch mehr los ist eindeutig auf dem Rhein. Ein Schuhmachermeister kündigt an, wer werde auf dem zugefrorenen Strom „ein Paar Stiefel verfertigen“, es wird von einem Gastwirt aus Mundenheim eine „Tanzbelustigung auf dem Rhein“ angekündigt und „dem hochgeehrten Publikum“ ein „schönes Feuerwerk auf dem Rhein“ dem „geneigten Zuspruch“ empfohlen.
Ganz ausführlich ist aber von dem Fass die Rede, das ein Küfermeister „mit einer passenden messingenen Inschrift versehen auf dem mitten Rheine“ produziert habe. Ein großherzoglich-badischer Notar kündigt dessen Versteigerung „nachmittags 3 Uhr“ an und lädt „nicht allein die Steigerungsliebhaber, sondern jeden zur Teilnahme ein“. Und es folgt der interessante Hinweis, dass das Fass am 17. Januar 1823 und damit genau da fertig werde, an dem bereits 1766 auf dem ebenso vereisten Rhein ein Fass „in Eisen gebunden“ worden sei, das man danach im Hofkeller verwendet habe - denn zu jener Zeit lebt ja noch Kurfürst Carl Theodor im Schloss.
"Ungezählte Tausende passierten die Eisdecke von hier nach Ludwigshafen und zurück“
Doch was sonst 1823 auf dem Rhein passiert, bleibt im Dunklen. Die Quellenlage sei „sehr dünn“, so Philipp Breitenreicher von der Zeitgeschichtlichen Sammlung im Marchivum. „Nicht einmal die Dauer dieses Volksfestes konnte ich eindeutig bestimmen“, sagt er. Und Bilder gibt es vom zugefrorenen Rhein vor 200 Jahren auch nicht.
Anders im Winter 1928/29 - dem letzten längeren Zeitraum, in dem der Rhein zugefroren ist, und zwar auf einer langen Strecke von der Loreley bis Speyer. Über diese Zeit hat das Marchivum deutlich mehr Unterlagen und auch Bilder.
„Der Rhein im Eispanzer“ titelt etwa die „Neue Mannheimer Zeitung“ im Februar 1929, schreibt von der „Kälte-Katastrophe“ und von „Frost und Erfrieren“. In der Ausgabe vom 13. Februar berichtet die „Neue Mannheimer Zeitung“, dass am Fasnachtsdienstag, dem 12. Februar, der, so Philipp Breitenreicher, „kälteste bis heute überlieferte Tag in Mannheim“ sei mit minus 22,6 Grad. Der Rhein wäre bedeckt von einer „festen Eisdecke“, und zwar „Scholle an Scholle“, so dass man an einen „Schuppenpanzer“ erinnert würde. „Kähne und Dampfer“ lägen eingefroren am Ufer und seien „vollständig vom Eise umgeben.“ Auch der Neckar liege in „Eisfesseln“, schreibt die Zeitung.
Buden auf der Eisfläche und Glühwein
Friedrich Walter, Autor der Stadtchronik und damaliger Stadtarchivar, notiert unter dem Datum 17. Februar „Lebhafter Sonntagsverkehr auf dem zugefrorenen Rhein“. Schlagzeilen macht gleich darauf der Lindenhöfer Schneidermeister Leonhard Rothkapp, der am 18. Februar - umringt von vielen Menschen - ein Loch in die Eisdecke schlägt und nur mit Badehose darin abtaucht. Auf der Eisfläche werden Buden aufgebaut, Glühwein ausgeschenkt, Würstchen gebraten. Und es soll sogar Auto- oder Motorradfahrer gegeben haben, die den zugefrorenen Strom überqueren - mit Fotos belegt ist das aber nicht. Es existieren nur Aufnahmen mit Menschenmassen auf dem Rhein. Und in der „Neuen Mannheimer Zeitung“ wird eine „wahre Völkerwanderung“ geschildert: „Ungezählte Tausende passierten die Eisdecke von hier nach Ludwigshafen und zurück.“
Lange geht das indes nicht gut. Die Polizei warnt „Herunter vom Rhein-Eis!“, weil die Eisdecke brüchig werde. Sie wird dann Ende Februar aufgesprengt und von einem Eisbrecher zerteilt, damit die Schifffahrt weitergehen kann.
Wärmehallen und mehr Kohlen
Und so sehr die Menschen auf dem zugefrorenen Rhein die Gaudi genießen - der harte Winter hat auch Schattenseiten. Breitenreicher berichtet anhand alter Quellen von zahlreichen Wasserrohrbrüchen, eingefrorenen Wasserleitungen oder Toten durch Erfrieren. Zum Schutz der Kinder bis 14 Jahre seien Sporthallen zu Wärmehallen umfunktioniert, den Bewohnern von Barackensiedlungen vom Fürsorgeamt „besondere Kohlenzuweisungen“ bewilligt, so der Fachmann vom Marchivum.
Zumindest der Rhein sei seither nicht mehr zugefroren, so Breitenreicher. 1954 hat er Belege dafür, dass der Neckar, völlig vereist ist. „Selbst 1956, einem äußerst kalten Winter, war dies wohl nicht der Fall“, so der Marchivum-Experte, obwohl der „MM“ am 2. Februar 1956 „Die grimmigste Kälte seit dem Jahre 1929“ meldet - mit minus 21,1 Grad. In der jüngeren Vergangenheit sei der 6. Januar 2002 mit minus 15,1 Grad sehr kalt gewesen.
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