Ernährung

Heuschrecke mit Alpengewürz auf der Buga: Was essen wir in Zukunft?

Mittlerweile kommen viele neue Lebensmittel auf den Teller: Wie die Ernährung der Zukunft aussehen könnte, wurde jetzt auf der Buga in Mannheim diskutiert

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Eine knackige Heuschrecke zu verspeisen, kostet viele einiges an Überwindung. Tatsächlich stehen Insekten allerdings bei mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit auf dem Speiseplan – und zwar regelmäßig. © Wolfgang Kumm/dpa

Mannheim. Bei den Mini-Schälchen mit „Lugurth“, einem auf Basis der Lupine nachempfundenen Joghurt, muss immer wieder für Nachschub gesorgt werden. Hingegen dauert es eine ziemliche Weile, ehe die im wahrsten Sinne des Wortes knackigen Insekten probiert werden.

Bei der Buga-Podiumsdiskussion mit dem Thema „Neue Lebensmittel auf dem Teller: Was erwartet uns“ fordert eine Verkostung Gaumen wie Geschmacksnerven heraus - und damit auch Essgewohnheiten.

Was können Lebensmittel aus dem Labor?

Nicht von ungefähr taucht während der Debatte um Gemüse von der Indoor-Farm, labortechnisch erzeugtem In-Vitro-Fleisch oder Käse aus Ackerprodukten statt Milch mehrfach die sprichwörtliche Volksweisheit auf: „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht!“

Auf der Bühne debattiert eine hochkarätige Expertenrunde: Die Plattform für das Erforschen und Entwickeln neuer Lebensmittelsysteme und Bioökonomie vertreten Sabine Kulling, Leiterin des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse am Max Rubner-Institut in Karlsruhe, außerdem die als Professorin lehrende Ernährungswissenschaftlerin Hannelore Daniel sowie Peter Eisner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung. Alexander Stephan gehört zu „The Plantly Butchers“, laut Homepage „Innovationstreiber für vegane Genusserlebnisse“. In seiner Funktion als parlamentarischer Staatssekretär des Forschungs-Bundesministeriums sitzt Jens Brandenburg auf dem Podium. Die Moderation hat der Experte für Lebensmittelmarketing Ulrich Hamm übernommen.

Discounter-Aktion von Penny in der Kritik

Weil unser Tischleindeckdich enorme Auswirkungen auf Umwelt, Klima und damit auf Lebensbedingungen weltweit hat, geht es bei dem Info-Abend um mehr als Speis und Trank. Gleich zum Auftakt kreist die Debatte um die schlagzeilenträchtige Penny-Aktion „Wahre Preise“: Eine Woche lang hat der Discounter neun seiner Produkte nach den tatsächlichen Kosten verkauft - so dass Wiener Würstchen statt 3,19 Euro vorübergehend 6,01 Euro kosteten.

Ist wegen der Aktion der "Wahre Preis" in der Kritik: der Discounter Penny. © Oliver Berg/dpa

Wissenschaftler der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald hatten nämlich die Auswirkungen der jeweiligen Lebensmittelproduktion auf Boden, Klima, Wasser und Gesundheit im Preis mitberücksichtigt. Dass die Aktion neben Lob auch mit Shitstorms bedacht worden ist, bedauert Ernährungswissenschaftlerin Daniel. Schließlich gelte es neue, auch experimentelle Wege zu beschreiten, um die komplexe Verzahnung von Ernährung und Umwelt ins Bewusstsein zu rücken.

Ressourcen-Problem durch weggeworfenes Essen

Einigkeit herrscht bei dem Expertenteam: Nicht nur Kinder-Bilderbücher vermitteln ein „romantisierendes“ Bild der Landwirtschaft. Dieses sei genau so wenig realistisch wie das Gespenst einer Tomate mit „Killer-Mutationen“. Mehrere der Diskutanten schildern, wie eine punktgenau schneidende beziehungsweise überschreibende „Genschere“ nach der Methode Crispr/Cas9 anders als früher ermöglicht, Pflanzen ohne fremdes Erbgut zu verändern.

Auch wenn das Podiumsgespräch streckenweise etwas wissenschaftlich abläuft, so bekommt das (auch beim Zwischendurch-Regenguss unter Sonnenschirmen ausharrende) Publikum viele praxisnahe Botschaften: Beispielsweise dass Jeder und Jede dazu beitragen kann, Ressourcen zu sparen, indem er oder sie weniger Essen wegwirft.

Darin sind sich Experten einig: Es landen zu viele Lebensmittel in der Mülltonne. © Philipp von Ditfurth/dpa

Laut einer repräsentativen Studie, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Auftrag gegeben hat, landen allein in deutschen Haushalten pro Kopf und Jahr 78 Kilogramm Lebensmittel in Mülltonnen, vor allem Obst, Gemüse und Brot, aber auch Milchprodukte und Fleisch.

Natur in Südamerika in Gefahr

Und wer glaubt, mit dem Entholzen der grünen Lunge unserer Erde, den Regenwäldern, nichts zu tun zu haben, kommt ins Grübeln: Denn in jedem Rindfleisch-Burger und Schweineschnitzel, die wir verzehren, steckt Soja. Längst, so belegen Zahlen, ist die eiweißreiche Bohne aus der Turbo-Tiermästung nicht mehr wegzudenken - weshalb vor allem in Südamerika riesige Wald- und Savannenflächen für Soja-Anbau umgewandelt werden.

Die abschließende Verkostung bringt an Stehtischen ins Gespräch. „Trauen Sie sich - die schmecken wie Krümel von Chips!“, ermutigt der Spezialist für Lebensmittelmarketing die Journalistin, nach zwei zögerlich verspeisten Mehlwürmern außerdem noch eine Heuschrecke samt Flügel und Augen zu vertilgen.

Veganer Käse aus dem Südwesten

Und tatsächlich, das Exemplar könnte dank des Alpengewürzes glatt als Chipsbrösel durchgehen. Was auch für die Grillen gilt. Übrigens war es der getrocknete gelbe Mehlwurm, der 2021 in der EU als erstes Insekt die Lebensmittel-Zulassung erhielt.

Am Nachbartisch erzählt eine junge Frau, wie es dazu kam, dass Studierende an der Uni Hohenheim einen veganen Käse entwickelt und in Stuttgart das Startup „Viva la Faba“ gegründet haben, abgleitet von der verwendeten Ackerbohne mit dem lateinischen Namen „Vicia faba“.

Die Würfel aus dem etwas anderen Käse, der demnächst in die Regale einiger Bioläden und Supermärkte kommt, gehen deutlich schneller weg als die Snack-Insekten. Ein älterer Mann, der sich auch von seiner Frau nicht überreden lässt, eines der super proteinreichen Krabbeltiere zu kosten, mag kaum glauben: Mehr als zwei Milliarden Menschen verspeisen weltweit Insekten - und dies regelmäßig.

Freie Autorin

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