Mannheim. Zu Jubiläen verbreitet man eigentlich gute Nachrichten. Peter Frankenberg kann das nicht, denn er will ehrlich sein. Daher muss der Vorsitzende der Heinrich-Vetter-Stiftung ankündigen, dass sie ihre Ausgaben reduzieren wird, weil die Einnahmen aus Immobilien sinken. „Wir können künftig wohl 30 Prozent weniger spenden“, nimmt er an. Viele Jahre hat die Stiftung jährlich eine Million Euro ausgeschüttet. „Wir versuchen, die 700 000 Euro jährlich zu halten“, so der frühere Uni-Rektor und Wissenschaftsminister, der seit 2011 an der Spitze der Stiftung steht.
Gegründet hat sie vor 25 Jahren Kaufmann Heinrich Vetter, der frühere Inhaber des „Kaufhauses Vetter“ in N 7. Vetter hatte die Stiftung zunächst mit einer Million D-Mark ausgestattet. Aber schon vor Gründung der Stiftung war Vetter viele Jahre als großzügiger Mäzen tätig, auch danach lief viel nicht über die Stiftung. „Er hat viel immer wieder privat gegeben“, weiß Frankenberg.
Anstifter und Initiator
Kirche, Kunst, Kultur, Wissenschaft, Soziales, Sport und Brauchtum in Mannheim und Ilvesheim – das ließ Vetter als Stiftungszweck festhalten. Die Sanierung von Hörsälen der Universität im Schloss, die Rekonstruktion des Hochaltars der Jesuitenkirche, die Skulpturen entlang des Heinrich-Vetter-Wegs im Luisenpark, viele Vorhaben von Museen, Klinikum, Nationaltheater oder Schulen finanzierte die Stiftung, auch Kunstpreise, ein Jugendfußballturnier, den „Kindergartenaward“, Jugendliteratur, wohnsitzlose Frauen und vieles mehr. „Der Stiftung sind die kleinen Notwendigkeiten des Alltags genau so wichtig wie die großen Gesten“, so Antje Geiter, zuständig für den ideellen Bereich.
Das Stiftungsteam
- Stiftungsvorstandsvorsitzender: Peter Frankenberg, Stellvertreter Markus Haass.
- Stiftungsrat: Vorsitzender Rainer Dietmann, Heike Feldmann (Stellv.), Stefan Fuchs, Frau Patricia Holzherr-Duncker, Andreas Hilgenstock, Christian Specht.
- Mitarbeiter: Gisela Fenzel (Assistenz), Wolfgang Loos (Leitung kaufmännischer Bereich/Verwaltung/Immobilien), Antje Geiter (Ltg. Ideeller Bereich/Soziales).
- Hartwig Trinkaus, Geschäftsstellenleiter seit 2011, ist pensioniert, aber weiter beratend und als Projektleitung Tageshospiz tätig. Paul Keitel (80) ist nach 50-jähriger Tätigkeit ausgeschieden. pwr
Vetter wollte stets „Anstifter“ sein, wie er es nannte – also nie alleiniger Finanzier, sondern Vorbild, dass andere Gönner oder Organisationen sich an den Kosten beteiligen. Da wirkte eine Spende von ihm oft als Initialzündung, und die Stiftung hält dieses Vermächtnis weiter hoch. „Wir versuchen stets, andere ins Boot zu holen“, so Geiter.
Als Vetter 2003 mit 92 Jahren starb, fiel der Stiftung sein gesamtes Vermögen zu – Sachwerte, Immobilien, Geldanlagen. Die üppige Sammlung von Antiquitäten und Gemälden in der Ilvesheimer Villa, seinem Elternhaus und Wohnsitz bis zum Tod, wurde versteigert oder verkauft. Carl-Heinrich Esser übernahm den Vorsitz der Stiftung, Vetters langjähriger Vertrauter Dieter Kolb die Geschäftsführung. Mit Assistentin Gisela Fenzel und Vetters Chauffeur Paul Keitel setzten sie Vetters Wunsch um, die Villa zum Sitz der Stiftung und die Stiftung fit für die Zukunft zu machen.24 Millionen Euro betrug das Stiftungsvermögen, davon die Hälfte Wertpapiere, dazu das Parkhaus N 7 mit Geschäften und Büros sowie Geschäftshäuser in P 5. Das alte Kaufhaus Vetter in N 7 dagegen ging im Zuge des Erbes an Vetters 1913 geborene Schwester Friedel Holzherr – inzwischen ist es ja verkauft.
Großer Mäzen mit Verdiensten und Verfehlungen: Heinrich Vetter, 2003 gestorben, in einer Aufnahme von 2001 neben einer chinesischen Skulptur.
© ProsswitzDie Vetter-Stiftung dagegen hat ihren Immobilienbestand erweitert. „Wir haben die wirtschaftliche Grundlage der Stiftung auf völlig neue Beine gestellt“, so Frankenberg. So wurde 2011 bis 2015 das Parkhaus in N 7 saniert – derzeit wird es, bei laufendem Betrieb, wieder erneuert. In Ilvesheim entschloss sich die Stiftung, Grundstücke hinter Vetters Villa für Wohnbebauung zu veräußern. Die Stiftung errichtete einen Kindergarten, vereinbarte mit dem Caritas-Verband erst den Bau eines Seniorenwohnheims und zudem des ersten Tageshospizes in Baden-Württemberg. In Mannheim wurden in P 5 Grundstücke dazugekauft, auf der Seite zur Freßgasse Altbauten abgerissen und ein modernes Geschäfts- und Ärztehaus geschaffen, etwa mit Julius Bär-Bank, AppelrathCüpper und Douglas.
Enorme Wertsteigerung
Zunächst trugen diese Investitionen zur enormen Wertsteigerung bei – der Buchwert des Stiftungsvermögens liegt nun bei über 50 Millionen Euro. Im Gegensatz zu vielen Stiftungen, die allein von Zinserträgen leben, litt die Vetter-Stiftung nicht so unter der Niedrigzinsphase und der Finanzkrise. „Das hätte uns ohne Immobilien wesentlich mehr getroffen“, so Frankenberg.
Aber dann kam Corona – mit monatelangen Geschäftsschließungen und hohen Mietausfällen. Und noch immer habe der Einzelhandel „enorme Probleme“, sagt Frankenberg, „weil die Erreichbarkeit der City nicht mehr gegeben ist“, klagt er: „Ich kenne viele Pfälzer, die nicht mehr nach Mannheim kommen“, so Frankenberg, der selbst in der Pfalz wohnt. Das spüre die Stiftung, die mit den gewerblichen Mietern Umsatzpacht vereinbart hat: Sie weisen 30 Prozent weniger Umsatz nach. Das drücke wiederum die Erlöse der Stiftung – nur die darf sie ausschütten. „Wenn die Mieteinnahmen sinken, können wir die Spendenhöhe nicht halten“, folgert Frankenberg.„Wir haben daher die unangenehme Aufgabe, Ausgaben zu kürzen, werden das aber nicht linear tun“, erläutert Antje Geiter – zumal es langfristige Verpflichtungen und Lieblingsprojekte von Heinrich Vetter gebe, an denen die Stiftung immer festhalten werde, versichert sie.
Arisierung in der NS-Zeit
Dazu gehört für die Stiftung auch, sich für Erinnerungsarbeit einzusetzen. „Wir stellen uns offensiv der Vergangenheit“, sagt Geiter. Das fing damit an, dass die Stiftung mit Stadt und Universität jene Studie von Christiane Fritsche finanzierte, die 2013 den Beweis für etwas erbrachte, was viele alte Mannheimer ohnehin wussten: Die Familie Vetter übernahm während der NS-Diktatur billig acht enteignete jüdische Grundstücke und Betriebe. Auch wenn Heinrich Vetter nach seiner Rückkehr aus dem Krieg alle damaligen Wiedergutmachungsansprüche bedient hat, stammte ein Teil seines Vermögens aus diesem Unrecht.
Ob der kinderlos gebliebene Kaufmann deshalb, aus einem späten schlechten Gewissen heraus, zum persönlich so engagierten Mäzen wurde – darüber kann Frankenberg nur spekulieren, Vetter hat darüber nie gesprochen. „Er wollte wohl der Gesellschaft etwas zurückgeben, etwas wieder gut machen“, meint Frankenberg. Die Stiftung jedenfalls sehe es als „Verpflichtung an, dass von den Erlösen des Vermögens die Allgemeinheit profitiert“, besonders Projekte für Mitmenschlichkeit, zur Integration, Initiativen gegen das Vergessen und für die Bewahrung von Geschichte. „Daran halten wir fest“, betont er.
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