Mannheim. Eine journalistische Grundregel lautet: Wo es nichts Neues gibt, gibt es auch nichts zu berichten. Doch im Falle des Klinikums sieht das anders aus. Selbst der bisher vom Land nur befürwortete lose Verbund mit Heidelberg lässt weiter auf sich warten. Das geht aus den Antworten auf einem Fragenkatalog hervor, den der „MM“ der Landesregierung geschickt hat. Die wichtigsten Punkte.
Wie ist der aktuelle Stand bei dem Projekt?
Bei der vertieften Prüfung („Due Diligence“, so der Fachbegriff) sei jetzt die „Modulphase 1“ abgeschlossen, teilt die Landesregierung mit. Dabei hätten medizinstrategische, wirtschaftliche und technische Aspekte im Vordergrund gestanden. Mit dem Ergebnis, dass ein enger Klinikverbund „das Potenzial zu einem wirtschaftlichen Betrieb ab dem Jahr 2030 hat“. Und zwar sogar ohne das Großbauprojekt „Neue Mitte“, von dem man sich für das Klinikum einen Quantensprung verspricht.
Allianz aus Klinika und Forschungsinstituten
- Die Uniklinika Mannheim und Heidelberg wollen fusionieren. Alleiniger Träger wäre das Land.
- Bisher ist das Mannheimer Klinikum eine städtische Tochter. Das Land ist aber bereits über die Medizinische Fakultät, eine Außenstelle der Uni Heidelberg, mit im Boot.
- Weil eine Fusion innerhalb der Landesregierung aktuell als kaum durchsetzbar gilt, ist mittlerweile in der Regel nur noch von einem „Verbund“ als erstem Schritt die Rede.
- Um die beiden Klinika ist eine Allianz gegründet worden, an der vier sehr renommierte Einrichtungen aus dem Gesundheitsbereich beteiligt sind: das Zentralinstitut (ZI) für Seelische Gesundheit in Mannheim sowie aus Heidelberg das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), das Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung und das Europäische Molekularbiologie-Laboratorium (EMBL).
- Kernstück der „Health + Life Science Alliance Heidelberg Mannheim“ (so der offizielle Name) ist indes der Zusammenschluss der Klinika. Zusammen hätten sie nach offiziellem Stand mehr als 3300 Betten (in Heidelberg 1988, in Mannheim 1352).
- Damit wären sie größer als die Berliner Charité (an vier Standorten insgesamt rund 3000 Betten) und somit künftig die Nummer Eins der deutschen Krankenhäuser.
- Das hiesige Klinikum hieße dann „Universitätsmedizin Heidelberg – Campus Mannheim“.
Woran hängt es dann beim Verbund überhaupt noch?
Nun brauche es noch eine tiefergehende „Modulphase 2“, so das Land. Dabei gehe es auch um ein medizinisches Feinkonzept und einen Businessplan. Dafür würden weitere sechs Monaten veranschlagt. Losgehen könne es aber erst, „wenn eine Festlegung auf ein rechtliches Verbundmodell erfolgt ist“. Die möglichen Optionen würden derzeit von den beteiligten Ressorts (für Wissenschaft, Gesundheit und Finanzen) geprüft. Dann müsse das Ganze erst dem Bundeskartellamt vorgelegt und von diesem genehmigt werden.
Was heißt all das für den weiteren Zeitplan?
Mit der Umsetzung des Verbundes könne „voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2023 begonnen werden“, heißt es. Auf einen frühest- oder spätestmöglichen Zeitpunkt will man sich nicht festlegen. Dies wäre derzeit angesichts der noch ausstehenden Schritte „unseriös“.
Hat die grüne-schwarze Koalition im Doppelhaushalt 2023/24 Mittel für den Verbund eingeplant?
Nein. „Das Projekt ist derzeit weder entscheidungs- noch haushaltsreif“, heißt es zur Begründung. Die Finanzierungsfragen zählten zu denen, die erst noch geklärt werden müssten.
Was ist dann mit der sehnlich erwarteten „Neue Mitte“?
Dafür hat das Klinikum bereits 2019 Mittel beantragt: 35 Millionen für die Aufstockung des Apothekengebäudes, 15 Millionen für die weitere Planung. Dazu nun das Land: „Die jeweilige Förderhöhe wurde noch nicht abschließend festgelegt.“ Die baufachlichen Abstimmungsgespräche seien in vollem Gange, könnten jedoch erst abgeschlossen werden, wenn alle Unterlagen vorlägen oder aktualisiert würden.
Was sagt die Stadt zu der anhaltenden Hängepartie?
Mit einem engen Verbund der beiden Klinika lasse sich sowohl der wichtige universitätsmedizinische Standort Mannheim sichern als auch „die Schaffung einer europäischen Leuchtturmregion“ vorantreiben, betont Stadtsprecher Ralf Walther. Dies sei von unabhängigen Wirtschaftsprüfern bereits ausgiebig überprüft, umfangreich belegt und bestätigt worden. Auch zu den noch offenen Fragen lägen seit Längerem Gutachten zur Lösung vor. Für die nun vom Land auch noch gewünschte „Modulphase 2“ sei ein umfangreicher Informationsaustausch zwischen beiden Krankenhäusern erforderlich. Abgesehen vom enormen Aufwand würde dies das Kartellamt so lange untersagen, „bis die gesicherte Absicht eines Zusammengehens belegt ist“. Das bedeute: „Ohne klare Richtungsentscheidung des Landes kommt das Vorhaben nicht weiter voran.“ Walther erinnert daran, dass die Kommune in den vergangenen drei Jahren in Vorleistung gegangen sei und enorme Summen in stabilisierende Maßnahmen am Klinikum gesteckt habe. „Diese Kraft kann die Stadt künftig nicht mehr aufbringen.“
Wie reagieren die Geschäftsführer des Klinikums?
Hans-Jürgen Hennes und Freddy Bergmann begrüßen, dass die von der Landesregierung in Auftrag gegebene Analyse eines Verbundes optimale Rahmenbedingungen für die künftige medizinische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zeige. Damit liege die Entscheidungsgrundlage vor, um jetzt grünes Licht zu geben. Die Betonung dürfte dabei auf „jetzt“ liegen.
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Was meint der Betriebsrat zu dem stockenden Projekt?
Durch die anhaltenden Verzögerungen entstünden große Nachteile für die Mannheimer Universitätsmedizin, beklagt Konzern-Betriebsratschef Bernd Gräf. Nicht nur finanziell, sondern auch bei der Besetzung von strategisch wichtigen Positionen. „Wer geht schon gerne an ein Haus, bei dem offen ist, wie es weitergeht?“ Ihm sei auch noch immer nicht klar, was ein Verbund bei einer gleichzeitigen Konkurrenzsituation der Kliniken wirklich sein solle. „Die Situation hinterlässt auch bei den Beschäftigten einen faden Beigeschmack“, so Gräf. Positiv sehe er, dass die von sämtlichen Fachleuten unterstützte Fusionsidee noch nicht komplett vom Tisch, sondern erstmal nur auf die lange Bank geschoben sei.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Fürs Mannheimer Klinikum muss endlich eine Lösung her