Mannheim. Symbolisch gesehen stieg am Montagvormittag weißer Rauch über dem Alten Meßplatz auf. Und der eine oder andere Stoßseufzer dürfte sogar real ausgestoßen worden sein. Denn nach etlichen Monaten war die Hängepartie um den Bau des Forums Deutsche Sprache endlich beendet.
„Das Forum Deutsche Sprache wird verwirklicht – der Bau des Gebäudes auf der südlichen Hälfte des Alten Meßplatzes wird nach aktueller Planung bis Ende 2025 starten und voraussichtlich drei Jahre dauern.“ Das teilten das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS), die Mannheimer Stadtverwaltung und die Klaus Tschira Stiftung in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit. Und alle, die das Drama, das sich zur Tragödie zu entwickeln drohte, verfolgt haben, wissen: Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Plötzlich fehlte ein zweistelliger Millionenbetrag
Zwar schien es am Anfang wie ein Selbstläufer, als die Stiftung des verstorbenen SAP-Mitgründers Klaus Tschira im Sommer 2020 ihre Ankündigung machte: Einen „zweistelligen Millionenbetrag“ wollte sie dem Mannheimer Institut für Deutsche Sprache schenken, um das innovative „Forum Deutsche Sprache“ zu bauen und die erste Dauerausstellung zu finanzieren. Schließlich zeigte sich auch die Stadt davon begeistert, die schon seit Jahren am Alten Meßplatz eine Art „Leuchtturm“ errichten wollte und daher das Grundstück gerne zur Verfügung stellte.
Das „Forum Deutsche Sprache“
Das Forum Deutsche Sprache soll nach Worten von IDS-Direktor Henning Lobin „die deutsche Sprache in all ihren Facetten erlebbar und verständlich machen“. Es ist als Begegnungsort und Forschungsstätte geplant.
Es soll eine multimediale Ausstellung zur deutschen Sprache und ihren Varietäten bieten; das Publikum will man einladen, zur Wissenschaft beizutragen – durch Beantwortung von Fragen zum Sprachgebrauch und Dokumentation des individuellen Sprechens.
Das Konzept folgt dem Wissenschaftstrend der Citizen Science (Bürgerforschung) und trägt der Tatsache Rechnung, dass Sprache alle betrifft und verbindet. Wissenschaft ist hier nicht exklusiv. Das soll auch die Ausstellung zeigen sowie das geplante Vortrags- und Veranstaltungsprogramm.
Für Bürgerforschung in diesem Sinne steht das schon preisgekrönte Projekt „Sprachchecker“ des IDS. Unter Beteiligung von Jugendlichen wird die sprachliche Vielfalt im Stadtteil Neckarstadt-West dokumentiert. tog
Doch nachdem der Architektenwettbewerb abgeschlossen und der imposante Entwurf des Gebäudes präsentiert war, hörte man lange Zeit nur noch wenig über das Projekt. Und das, was dann nach und nach herauskam, war alles andere als erfreulich: Nach Abschluss der Planungsphasen zeigte sich, dass zwischen der von der Tschira-Stiftung geschenkten Summe und den zu erwartenden Baukosten eine riesige Lücke klaffte: Konkret beziffert wurde sie nie, lediglich mitgeteilt, es fehle noch ein „zweistelliger Millionenbetrag“.
Darum wurde, anstatt wie geplant im vergangenen Herbst mit dem Bau zu beginnen, das Vorhaben zunächst auf Eis gelegt. Und der offizielle Stand lautete seit Juni: „Das IDS, die Stadt Mannheim und die Klaus Tschira Stiftung sind im Gespräch, um eine tragfähige und finanzierbare Lösung für das Forum Deutsche Sprache zu finden.“
Nun also ist sie gefunden. Und das Ergebnis sieht so aus: „Durch Veränderungen an der Architektur sowie der Größe und Ausstattung des Gebäudes ist es möglich, auf Basis der von der Klaus Tschira Stiftung zur Verfügung gestellten Schenkungssumme mit dem Bau zu beginnen“, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung.
Das Gebäude wird insgesamt kleiner sowie technisch und architektonisch unkomplizierter
Konkret bedeutet das, dass das Gebäude ohne Keller errichtet wird, erläutert Dirk Schuhmann, Sprecher der Stadt Mannheim. Stattdessen werde die notwendige Technik neben der Terrasse auf dem Dach untergebracht. Die ursprünglich dort geplanten Besprechungs- und Büroräume würden auf die anderen Stockwerke verteilt. Auch im Inneren habe man durch Umplanungen Kosten sparen können. So werde beispielsweise auf die vorgesehene Beton-Kassettendecke verzichtet und eine klassische Spannbetondecke eingebaut.
Außerdem wird der Bau technisch sowie architektonisch einfacher und insgesamt kleiner, ergänzt eine Sprecherin des IDS. Um wie viel die einst angedachte Gesamtnutzfläche von 4800 Quadratmetern schrumpft, lasse sich jedoch erst nach dem Ende der Planungsphase sagen.
Trotz solcher Sparmaßnahmen „konnten der ursprüngliche Entwurfsgedanke und die Funktionen des Gebäudes beibehalten werden“, betonen die drei Projektpartner. „Das Forum Deutsche Sprache ist weiterhin geplant als offenes Museum, Science Center und bürgerwissenschaftliches Forschungslabor.“
Reaktionen auf die Einigung
Lilian Knobel, Geschäftsführerin Klaus Tschira Stiftung: „Wir sind froh, dass wir gemeinsam eine Lösung gefunden haben und dass wir das Projekt Forum Deutsche Sprache trotz der immensen Kostenentwicklung im Bausektor jetzt endlich verwirklichen können. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass das vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache entwickelte inhaltliche Konzept für ein Forum Deutsche Sprache einzigartig und wichtig ist. Deswegen ist es uns gemeinsam mit der Stadt Mannheim und dem Leibniz-Institut ein besonderes Anliegen, dass das Projekt jetzt endlich Wirklichkeit wird.“
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht : „Das Warten hat sich gelohnt. In den vergangenen Monaten haben die Projektpartner mit Unterstützung der Stadt Mannheim eine Lösung entwickelt, die die Anforderungen des Forums Deutsche Sprache erfüllt, eine dem exponierten Standort angemessene hochwertige Architektur hat und dennoch im vorgegebenen Kostenrahmen bleibt. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, dass der Bau Ende des Jahres beginnen kann und den südlichen Alten Meßplatz deutlich aufwerten wird. Bis zum Baubeginn werden wir gemeinsam mit Anwohnern und vor Ort Engagierten auf der Baustellenfläche eine Zwischennutzung ermöglichen.“
Henning Lobin, Wissenschaftlicher Direktor des IDS : „Das IDS ist der Klaus Tschira Stiftung für die großzügige Förderung und der Stadt Mannheim für die Bereitstellung des Bauplatzes sehr dankbar und froh, dass die bauliche Verwirklichung des Forums Deutsche Sprache trotz der Herausforderungen nun starten kann. Den überarbeiteten Entwurf finden wir als zukünftiger Nutzer des Gebäudes architektonisch und funktional überaus gelungen. Er öffnet buchstäblich Türen und Fenster für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Unser Ziel ist es weiterhin, mit dem Forum Deutsche Sprache einen Ort des freien Worts und Austauschs, des demokratischen Miteinanders und der sprachlichen Vielfalt und Kreativität zu schaffen.“
Geplant ist auch, mit dem Betrag der Tschira-Stiftung - die nach Angaben einer Sprecherin ihre Schenkungssumme nicht erhöht hat - auszukommen. „Aktuell kommt man mit der Spendensumme hin“, erklärt Schuhmann. Alle Beteiligten wissen aber auch, dass es Restrisiken gibt, die wieder zu Kostensteigerungen führen können: Zum einen ist die Entwicklung der Baupreise schwer zu kalkulieren. Und zum anderen muss das Areal noch auf Kampfmittel untersucht werden, weil während des Zweiten Weltkriegs dort eine Bahnlinie verlief. Solche sind häufig bombardiert worden.
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