Gesundheit

Gasteltern für Menschen mit sozialem Handicap in Mannheim gesucht

"Begleitetes Wohnen in Familien" heißt das Konzept, mit dem der Sozialpsychatrische Dienst in Mannheim nach Gastgebern sucht, die einen Menschen mit sozialem Handicap bei sich in der Wohnung oder im Haus aufnehmen

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Seelische Erkrankungen haben viele Gesichter: Das Gemälde stammt von Horst Ihrig und wurde bei der Caritas- Ausstellung „Leben und mehr“ gezeigt. © Caritas

Der Sozialpsychatrische Dienst und Begleitetes Wohnen

Der Sozialpsychiatrische Dienst (SpDi) ist eine Arbeitsgemeinschaft.

An ihr beteiligen sich in Mannheim Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie und Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI).

Zum Leistungsspektrum gehört beispielsweise Begleitetes Wohnen in Familien als gelebte Inklusion.

Wer sich vorstellen kann, einen Mann oder eine Frau mit seelischem Handicap aufzunehmen, wird im persönlichen Gespräch rund um das Projekt (auch über eine Vergütung) informiert.

Die Kontaktaufnahme ist telefonisch unter der Nummer 0621/39 74 90 möglich.

Anlaufstelle ist in C 3, 16. wam

Mannheim. Über die Art der seelischen Erkrankung von Friedrich Hölderlin gehen bis heute die Meinungen auseinander. Belegt ist hingegen: Der schwäbische Poet hat bis zu seinem Tod 1843 über drei Jahrzehnte bei einer ihn versorgenden Gastfamilie gelebt. Damit gilt Hölderlin als Vorbild für ein aktuelles Konzept, das sich „Begleitetes Wohnen in Familien“, kurz BWF, nennt. Der Sozialpsychiatrische Dienst Mannheim sucht Gastfamilien, die einen erwachsenen Menschen mit seelischer Beeinträchtigung aufnehmen.

„Es muss natürlich zwischenmenschlich passen“, betont Leiterin Jasmin Potthoff. Sofort „gepasst“ hat es zwischen Kerstin S. (Name geändert) und ihrer Gastmutter. Paranoide Gedanken verknüpft mit Panikattacken hatten bei der ausgebildeten Hauswirtschafterin ein selbstständiges Leben schleichend schwer bis unmöglich gemacht - auch weil sich die Endvierzigerin nicht mehr traute, die eigene Wohnung zu verlassen.

Es war ein glücklicher Umstand, dass eine allein lebende ältere Mannheimerin bereit war, Kerstin S. aufzunehmen - zunächst auf Probe, dann dauerhaft. „Ich habe mich schon in den ersten vier Tagen wohlgefühlt“, erzählt die Mitbewohnerin, die mehr als Untermieterin mit Zimmer und Küchennutzung ist. „Wir kochen zusammen, machen auch Ausflüge“, erzählt sie.

Und Sozialarbeiter Christoph Mildenberg, der die Klientin in ihrer neuen Lebenssituation betreut, ergänzt, dass die Gastmutter sie auch bei Arztbesuchen oder Behördengängen begleitet.

Alternative zum Heim

Wohnen mit Familienanschluss gab es bereits vor 100 Jahren - als Heime und Kliniken für seelisch Kranke rar und die wenigen Einrichtungen überbelegt waren. Allerdings galt die früher praktizierte Familienpflege eher als Notlösung denn als fachliches Konzept.

„Begleitetes Wohnen in Familien (BWF) bedeutet die Aufnahme und längerfristige Betreuung eines psychisch behinderten Menschen in einer Gastfamilie beziehungsweise bei einer Einzelperson“, umschreibt der Sozialpsychiatrische Dienst Mannheim die wieder belebte Betreuungsform als Alternative zum Heim. Anders als in ländlichen Gebieten, berichtet Jasmin Potthoff, sei es in Städten schwierig, Gastfamilien zu finden - vor allem, weil viele Wohnungen ohnehin beengt sind. Hingegen machen Sozialpsychiatrische Dienste in Trägerschaft von Landkreisen die Erfahrung: Sozial engagierte Menschen, die in Häusern mit reichlich Platz oder auf großen Bauernhöfen leben, sehen es als vorteilhaft an, jemanden aufzunehmen, der zum Budget beiträgt. Schließlich erhält die Gastfamilie neben fachlicher Unterstützung ein pauschales Betreuungsgeld und einen zusätzlichen Betrag für Verpflegung wie Unterkunft.

Jasmin Potthoff und Christoph Mildenberger betonen, dass keinerlei Fachkenntnisse vorausgesetzt werden - aber Bereitschaft gefragt ist, „eine Interessengemeinschaft und partnerschaftliche Beziehung mit gegenseitigem Geben und Nehmen einzugehen“. So viel steht fest: Der Erfolg von begleitendem Wohnen hängt auch davon ab, dass ein Fachteam im Vorfeld mit Gespür abklopft, wer zu wem passen könnte. Denn jede Familie ist einzigartig.

Freie Autorin

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