Stadtgeschichte

Ganz persönliche Erinnerungen an Mannheims Bundesgartenschau 1975

„MM“-Chefreporter Peter W. Ragge hat die Eröffnung der Bundesgartenschau 1975 als Kind erlebt. Woran er sich erinnert und was das noch heute bedeutet.

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Peter W. Ragge
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Die besten Kindheitserinnerungen verbinden viele mit dem Ballgebirge „Babbelplast“ auf der Freizeitwiese des Luisenparks. © Marchivumq

Mannheim. Es ist alles so groß, ja riesig aus Sicht eines damals zehnjährigen Jungen. Der erste, bis heute unvergessene Eindruck der Mannheimer Bundesgartenschau 1975 sind die kräftig-prächtigen Fahnenschwinger aus Florenz vor dem Rosengarten. Sie begrüßen die Gäste zur offiziellen Eröffnungsveranstaltung im seinerzeit neuen, vollbesetzten Mozartsaal. Mit meiner Mutter sitze ich irgendwo ganz hinten, ganz oben, in den letzten Reihen der Empore, die für die Angehörigen von Mitarbeitern reserviert ist.

Schulfrei für den Bundespräsidenten

Das Gänsehautgefühl des damaligen Tages – es ist auch fünf Jahrzehnte danach unvergessen. Als kleiner Bub staunt man nur stolz und spürt, dass man da Zeuge von etwas Ungewöhnlichem, Einmaligen wird. Und das nicht nur, weil am Samstag darauf, damals völlig unüblich, schulfrei ist in Mannheim. Während die Männer aus Florenz auf dem Rosengarten-Vorplatz so beeindruckend akkurat geschickt die wehenden Tücher in die Höhe werfen und wieder auffangen, rollen die schwarzen Limousinen der Prominenz vor. Es ist Bilderbuchwetter – drinnen nennt Bundespräsident Walter Scheel die Gartenschau ein „bilderbuchartiges Beispiel“ sowie einen „wesentlichen und entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einem modernen Mannheim“.

Bombastisches Eröffnungsfest und „Jäger aus Kurpfalz“

Für einen Zehnjährigen sind die Reden nicht so wichtig. Aber was dann passiert, ist bombastisch und bleibt in Erinnerung. Über 500 Sänger der Fischer Chöre singen, dazu spielen das Kurpfälzische Kammerorchester und die Band Joy Unlimited von Joy Fleming – damals ein Idol auch für einen Zehnjährigen. Diese Symbiose von Pop und Klassik arrangierte Hannes Maier, der unvergessene Verwaltungsdirektor des Nationaltheaters. Mit „Seebühnenintendant“ Alfred Bauss plant er über 1.500 Veranstaltungen für dieses sommerlange Fest. Mein Vater ist ihr Mitarbeiter, unter anderem zuständig für Abrechnungen von Kartenverkäufen. Und er nimmt seinen Sohn oft, sehr oft mit auf die Seebühne, in die Multihalle und zu vielen anderen Events. Im Gedächtnis ist geblieben, dass alle unheimlich herzlich sind, sich ständig und zuvorkommend um mich gekümmert haben.

Die Fischer-Chöre sangen auf der Seebühne im Mannheimer Luisenpark. © Marchivum

Besonders unvergessen: Fred Reibold, der „Jäger aus Kurpfalz“. Er wirkt so riesig, wenn er auf seinem Pferd sitzt. Mehr als einmal darf ich zu ihm aufs Pferd und hoch zu Ross die Bundesgartenschau erleben. Bis zu seinem Tod 2013 bleibt er Botschafter für die Stadtparks und immer haben wir uns darüber unterhalten, wie schön es damals war als er und Chefhostess Elke Ehrenfeld, ganz im gelben Kostüm, stets die prominenten Gäste begrüßten.

Gelbe Gondoletta statt gelber Wagen

„Mit dem Bundespräsidenten zog der Frühling in die Stadt“ titelt damals der „Mannheimer Morgen“. Walter Scheel besucht am Eröffnungstag zunächst den Herzogenriedpark, fährt per Aerobus – eine moderne, neuartige Seilbahn – in den Luisenpark. Da erlebt Scheel das, was er morgens vorhergesagt hat: den „Strom der Besucher“. Der schiebt sich durch die Menge, dennoch allen herzlich zugewandt, fährt Gondoletta und zieht wegen der gelben Sonnendächer Parallelen zu seinem Lieblingslied „Hoch auf dem gelben Wagen“. Das Bild, wie dieser wichtige Mann einfach so Gondoletta fährt und so nahbar durch den Park spaziert, hat sich eingeprägt.

Geburtstagsfeier der Stadtparks

  • Am Donnerstag, 19. Juni, um 11 Uhr findet die offizielle Geburtstagsfeier der Stadtparks, die in der heutigen Form vor 50 Jahren zur Bundesgartenschau entstanden sind, in der Festhalle Baumhain statt. Der Oberbürgermeister wird gratulieren, Zeitzeugen erinnern sich und das Nationaltheater Orchester spielt. Von 15 bis 17 Uhr spielen am Donnerstag im Herzogenriedpark in der Konzertmuschel die Thunderbirds, die schon 1975 bei der Buga auftraten.
  • Am 21. Juni um 19 Uhr spielt die ABBA-Tribute-Band auf der Seebühne.
  • Am 22. Juni wird es um 11 Uhr einen ökumenischen Gottesdienst mit beiden Stadtdekanen auf der Seebühne geben. Ab 15 Uhr darf dann gefeiert werden auf der Seebühne mit der Band Just for Fun.
  • Am 24. Juni um 18 Uhr gibt es dann einen schönen After-Work-Abend direkt auf der Wiese am Kutzerweiher auf Höhe Freizeithaus mit der Band Braveland aus Christian und Jonathan Sommer, Steffen Baumann, Klaus Schimmer und Frank „Zumby“ Zumbruch.
  • Der Text mit den Erinnerungen ist erstmals im Parkmagazin „Luise“ veröffentlicht worden, das 50 Highlights aus 50 Jahren Luisenpark enthält. pwr

Als das Staatsoberhaupt weg ist, lockt den kleinen Buben das wunderbare blaue „Babbelplast“-Ballgebirge auf der Freizeitwiese, das zum Hauptanziehungspunkt wird. Es beginnt ein 185 Tage währender, grandioser Sommer mit Momenten, die man nie vergisst. Jedes Wochenende, die ganzen Schulferien, manchmal auch noch nachmittags geht es mit dem Fahrrad von Feudenheim über die Riedbahnbrücke zum Luisenpark, meist auf die Freizeitwiese oder Papa Hallo sagen. In Tupperware hat meine Mutter Essen und Zitronentee dabei. Es ist ein wunderschöner Sommer!

Dicht dran an Fernsehshows und Schlagerstars

Und was ich an Veranstaltungen miterleben darf! Fernsehsendungen wie „Spiel ohne Grenzen“, „Der Blaue Bock“ und „Dalli Dalli“ mit Hans Rosenthal werden von Mannheim aus in die ganze Nation ausgestrahlt. Beim „Blauen Bock“ bin ich sogar bei der Generalprobe dabei, sehe Schilder wie „Beifall bitte“ oder „Beifall stopp“. So werden einem Zehnjährigen früh Illusionen genommen. Das Ötigheimer Freilichttheater jagt auf Pferden durch die Multihalle, auf der Seebühne blüht nicht nur die „Blume von Hawaii“, sondern manche Operette, alle damaligen Schlagerstars sind da, und ich bekomme von allen Autogramme. Es war toll, immer so dicht dran sein zu dürfen, auch Backstage, wie man das heute nennt.

MLO_Buga_Marchivum_klein © Marchivum

Ein Leben lang begleitet einen der Luisenpark

Es ist wohl die ungewöhnlichste Zeit meiner Kindheit. „Babbelplast“ und die tollen Spielplätze bleiben noch einige Jahre das bevorzugte Ausflugsziel, erst mit den Eltern, später allein. Das Jahr 1975 hat dafür gesorgt, dass eine tiefe Bindung, ja Liebe zum Luisenpark entstanden ist. Nur die Lieblingsplätze, die wandeln sich. Statt auf der Freizeitwiese herumzutoben, wird später die Klangoase zum bevorzugten Ziel. Seit 1996 erklingt hier die von dem Mannheimer Komponisten Peter Seiler stammende melodisch-meditative Musik. Erst ein Spaziergang im Grünen, dann diese herrlich entspannenden Klänge zur, wie man das neudeutsch sagt, Entschleunigung auf den Liegestuhl – das ist wunderbar. Und es zeigt, dass der Luisenpark einen durchs ganze Leben begleiten kann.

2023 folgt wieder ein Höhepunkt und eine Bundesgartenschau. Sie mit der Erinnerung an 1975 zu erleben und journalistisch begleiten zu dürfen, wie der Luisenpark sich weiterentwickelt und wieder Schauplatz einer Buga ist – plötzlich war es da wieder, das Gänsehautgefühl von damals, von 1975. Die innige Verbindung zum Park bleibt.

Redaktion Chefreporter

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