Mannheim. Für viele Menschen ist jetzt der kulinarische Höhepunkt des Jahres erreicht. Knuspriger Gänsebraten, idealerweise mit Knödeln, Maronen, Äpfeln und Rotkraut - wer das mag, dem läuft nun vermutlich das Wasser im Munde zusammen. Doch diesmal ist der Gaumenschmaus ein außergewöhnlich teures Vergnügen.
Wegen der lange in vielen Regionen grassierenden Vogelgrippe mussten europaweit zig Millionen Tiere getötet werden, das vor allem hat die Preise enorm nach oben getrieben (siehe Infobox). Selbst bei Discountern sind sogar die billigsten, dünnsten Import-Gänse derzeit kaum für weniger als 40 Euro zu haben. In den letzten Jahren kosteten sie etwa die Hälfte. Bei deutschen Gänsen, zu empfehlen ja besonders aus Freilandhaltung, ist der Anstieg im Normalfall nicht ganz so stark, aber ebenfalls enorm.
Das macht sich natürlich auch gewaltig in der Gastronomie bemerkbar, wo zahllose Gänsebraten-Fans den Klassiker - sei es als Ersatz oder als Ergänzung der selbst gemachten Variante - sehr gerne ordern. Im „Bootshaus“ am Hans-Reschke-Ufer etwa geht das allein am Martinstag an diesem Freitag, und nur mit Vorbestellung. Als Beilagen gibt es Orangen-Beifußjus, karamellisierte Maronen, Apfel-Rotkohl, kleine Kartoffelknödel und Schmelze. Das kostet pro Portion 29,50 Euro. Wer eine ganze Gans (gedacht für vier Personen) zum Tranchieren mit nach Hause nimmt, zahlt 118 Euro. „Günstiger können wir Gänsebraten dieses Jahr leider wirklich nicht anbieten“, sagt Lisa-Marie Jahn. Weil sich das kaum mehr rechne, werde das Traditionsgericht lediglich an diesem einen Tag verkauft.
Gründe für Preisanstieg
- Als Hauptursache, warum Gänsefleisch jetzt so teuer ist, gilt die Vogelgrippe.
- Darunter haben in diesem Jahr Züchter in vielen EU-Staaten sehr gelitten, in Deutschland waren besonders der Norden und der Osten betroffen.
- Laut Bauernverband mussten in Europa wegen der Tierseuche insgesamt rund 48 Millionen Gänse getötet werden.
- Zudem macht den Zuchtbetrieben neben dem allgemeinen Preisanstieg noch zusätzlich zu schaffen, dass sich Futtermittel und Dünger besonders stark verteuert haben.
Mischkalkulation erforderlich
Im „Estragon“ in Neckarau, wo als Beilagen alternativ auch Pflaumensauce, Rosenkohl, Speck und Schupfnudeln erhältlich sind, ist das Preisniveau ähnlich. Dass hier Gans noch ganz normal auf der Karte steht, ist laut einer Mitarbeiterin aber nur mit einer Mischkalkulation möglich. Würde man die hohen Preise eins zu eins weitergeben, wäre das den Gästen nicht zuzumuten.
Auch Ute Buß bemüht sich im „Landolin“ auf dem Waldhof - hier gibt es die Gänsekeule mit Pflaumen-Ingwer-Soße, Semmelknödeln und Apfelrotkohl - um noch bezahlbare Preise. Angeboten wird der Klassiker diesmal nur an bestimmten Tagen sowie auf Nachfrage. Doch hat die Teuerung dem Andrang keinen Abbruch getan, wie die Restaurantleiterin berichtet: „Die Leute rennen uns die Bude ein.“
Tuncay „Toni“ Atacan, Inhaber der „Maruba“ am nördlichen Neckarufer, äußerst allerdings Zweifel, ob der Klassiker diesen Winter tatsächlich so begehrt sein wird wie in der Vergangenheit: „Wir hatten schon einige besorgte Anfragen nach dem Preis.“ Er habe sich entschlossen, die Gans zu gerade noch vertretbaren Konditionen zwar auf die Karte zu setzen. „Aber wenn sie zu wenig bestellt wird, fliegt sie wieder runter.“ Die Vögel auf Vorrat bereitzuhalten, sei bei dem hohen Preisniveau unmöglich.
Im „Ochsen“ in Feudenheim weiß Miriam Hirth von Wirten, die diesmal fast 50 Euro für eine Portion Gans verlangen. „Das würden wir unseren Gästen nicht antun.“ Sie hätten indes das Glück (oder Geschick, wie man es nimmt), schon im Januar zu Festpreisen bestellt zu haben. Hier werden daher nur 25,90 Euro verlangt. „Aber nur, solange der Vorrat reicht“, betont Hirth. Sei alles weg, werde nicht mehr nachgekauft.
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Auch Enten betroffen
Beim Gaststätten-Verband Dehoga verweist Sprecher Daniel Ohl indes darauf, dass die teuren Gänse nur eines von mehreren Problemen der Branche seien. Dazu zählten nach den Verlusten in der Pandemie nun besonders die allgemein hohen Einkaufspreise ebenso wie die stark gestiegenen Energiekosten. Die Folge seien vor allem weniger Speiseangebote. „Jeder Gastronom schaut auf seine Karte und überlegt, was er runternehmen kann“, weiß Ohl.
So ist im „Bootshaus“ diesen Winter die Ente, ebenfalls schwer getroffen von der Vogelgrippe, ganz aus dem Sortiment geflogen. Dabei sei die bei ihren Gästen sogar noch beliebter gewesen als Gans, bedauert Lisa-Marie Jahn. In den anderen Restaurants heißt es dazu jedoch, bei ihnen spiele nur der Klassiker eine Rolle. Der mit Knödeln, Äpfeln, Rotkraut und Maronen, natürlich.
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