Die letzten Supermärkte haben zwar noch geöffnet, aber viel liegt schon am späten Nachmittag nicht mehr in den Regalen. Und während die letzten Einkäufer im alten Jahr noch Vergessenes besorgen, läuft die Silvestersause in Mannheim bereits an.
Cineplex, 17 Uhr
Mannheims Star-Sopranistin Diana Damrau singt erstmals beim Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker. Das Silvesterkonzert aus Berlin wird live im Kino übertragen: „Wir haben die schon so oft hier in Mannheim im Theater gehört, einfach eine tolle Stimme“, schwärmen Hanna und Eberhard Moeller. Diana Damrau im Cineplex zu erleben, sei schon eine andere Bild- und Tonqualität als „zu Hause vor dem Fernseher“.
Schwetzingerstadt, 23 Uhr
Eine asiatische Gesellschaft fängt in der Schwetzingerstadt schon eine Stunde vor 0 Uhr an, Knallkörperbatterien girlandenmäßig über die Stangen und Ketten am Fahrbahnrand zu hängen: „Chinesisch Neujahr dürfen wir nicht böllern“, sagt einer der Feiernden. Was ihm Sorgen macht, ist die Diskussion, ob das Feuerwerk zum Jahreswechsel verboten werden soll.
Christuskirche, 23.30 Uhr
Schon das festliche Silvesterkonzert um 20.15 Uhr ist ausverkauft, und auch beim späteren Orgelfeuerwerk ab 22.30 Uhr gibt es keinen Platz mehr in der Christuskirche. Carmenio Ferrulli und Johannes Michel an der Steinmeyer-Orgel spielen französische Stücke und den Silvester-Klassiker „Pomp and Circumstance“ von Edward Elgar. „Den spielen wir seit 25 Jahren“, glaubt sich Michel zu erinnern. Und dann, mitten im Stück, der Gänsehautmoment, wenn die Orgel kurz pausiert und die ganze Christuskirche die Melodie mitsummt: „Seit zehn Jahren wird hier mitgesummt“, sagt Johannes Michel. „Es ist einfach herrlich.“
Nationaltheater, 0 Uhr
Himmel oder Hölle? Das Nationaltheater kann beides! Die Geschöpfe der Unterwelt feiern Orpheus – als Helden, Götter und Fabelwesen verkleidet genießen die Besucher Jacques Offenbachs Oper oder das Musikstück „Istanbul“ mit türkischem Übertitel im Schauspielhaus. Und im Anschluss rocken aus der Tiefsee die Necronautics das Foyer. Um Mitternacht reitet die Unterwelt auf einem höllisch guten Höhenfeuerwerk gen Himmel. Der frühere Geheimtipp am 31. Dezember ist längst zum Publikumsrenner geworden, Silvester im Nationaltheater ist göttlich gut und fabelhaft schräg.
Wasserturm, 0 Uhr
Der Mannheimer Silvester-Klassiker schlechthin: Böllern, bis der Wasserturm wackelt. Dass die Christuskirche mit vollem Glockengeläut das neue Jahr begrüßt, bekommt bei ohrenbetäubendem und farbenprächtigem Dauerbeschuss niemand mit – auch wenn dieses Jahr nicht mehr ganz so viele Mannheimer um den Wasserturm feiern. Es seien deutlich weniger als die Jahre zuvor, heißt es von der Polizei. Inmitten der Freude über die vielen bunten Feuerwerke erinnert sich eine ältere Dame an frühere Zeiten: „Da gab es noch kein Feuerwerk, da tuteten um Mitternacht alle Schiffe im Hafen. Das war auch immer schön.“
Planken, irgendwann später
Am frühen Abend fliegen Polizisten bei der Syrien-Demonstration in Neckarau noch Steine um die Ohren, jetzt sind die Beamten in Bereitschaft auf den Planken: So manche Rakete fliegt waagerecht die Einkaufsmeile entlang, wenn die Mutprobe einiger Jugendlicher misslingt, die Silvesterraketen nach dem Anzünden nicht loszulassen. Es ist mitunter so voll auf den Planken, dass Mitarbeiter der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV) den Straßenbahnen den Weg durch die Menschenmassen bahnen müssen.
Crema Latina, die ganze Nacht
In Q 6 steigt eine der angesagtesten Partys der Silvesternacht: Crema Latina feiert im „Oh Julia“-Restaurant. „Die Leute wollen feiern“, sagt Veranstalter Grigorios Chatziioannidis, „die wollen ihren Spaß haben.“ Der Laden ist voll, der Champagner läuft in Strömen. Gegen 3 Uhr beschweren sich Nachbarn über die laute Musik von DJ Santo T, DJ Wydee und MC Loko.
Mannheim, im Morgengrauen
Noch ist es nicht ganz hell, einige treten gerade erst den Heimweg an, da macht sich die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde auf den Weg zum Gebet in die Ehsan Moschee in Neckarau. Wie Suhail Butt von der Gemeinschaft erklärt, sind es rund 120 Jugendliche, die mit einem Gebet das neue Jahr einleiten. Danach geht es los zum Wasserturm – aufräumen. „Wir geben der Stadt damit etwas zurück“, sagt Butt. „Wie es die Lehre des Islam verlangt.“ Man solle selbstlos sein und dankbar gegenüber der Stadt oder dem Land, in dem man lebt. „Und wir sind Teil dieser Stadt.“ 80 bis 90 Ehrenamtliche, sagt Butt, befreien den Bereich um den Wasserturm vom „Silvestermüll“.
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