Leo Marz versteht es einfach nicht. Er fühlt sich ignoriert und in seinem Tun blockiert. Und zwar von der Stadt Mannheim. Seit seinem 17. Lebensjahr organisiert der heute 25-Jährige Partys. Er kennt die Szene und er kennt Mannheim, wünscht sich, dass es hier eine Plattform gibt für Künstler, die nicht kommerziell ihre Kreativität ausleben möchten. Performer, Musiker, DJs, aber eben auch Leute, wie er, die sich mit Sound und Organisation auskennen. Freigeister mit ähnlichen Interessen wie Leo Marz schließen sich oft in Kollektiven zusammen und organisieren sich Möglichkeiten zum Feiern. Undergroundpartys. Die sind illegal und unkontrolliert. „Aber das möchten wir nicht mehr“, sagt Leo Marz, der bald Papa wird.
Mehr als 14 000 Besucher
Im Verein Kulturtragflächen hat er sich mit Gleichgesinnten zusammen getan, möchte nachhaltig veranstalten, alles anmelden, Regeln beachten, Müll entfernen. Das war schon 2020 sein Anliegen, als die Corona-Pandemie die Kulturszene stilllegte. Damals hatte der Verein Unterstützung vom Gemeinderat bekommen und es wurde einem Antrag auf finanzielle Unterstützung zugestimmt. Daraufhin gestattete die Stadt, den Mitgliedern Freiflächen in Mannheim an Kollektive zu vermieten, die dort veranstalten durften, sich aber einem Codex verpflichten mussten. Freiflächen wie beispielsweise die Neckarwiese unterhalb der Riedbahnbrücke auf der Neckarstadt-Seite. 2021 hat das super geklappt, sagt Marz. Mehr als 150 Veranstaltungen konnten die Kulturtragflächen anschieben - unter anderem auch auf dem Lindenhof oder im Taylor-Park. 14 000 Besucher seien dabei gewesen, 500 Künstler auf ihre Kosten gekommen. Finanziert wurde das Ganze durch die Kulturförderung von Bund und Stadt sowie durch Spenden. Das Projekt kam so gut an - vor allem bei der Stadt - dass die Initiative sogar den Ehrenamtspreis bekommen hat.
Aktuell kaum Kommunikation
Im Hitzesommer 2022 ist der glühende Draht zur Stadt jedoch abgekühlt. Seit der Verein im Frühjahr die Bespielung von neun Freiflächen bei der Stadt beantragt hat, hakt’s. Man habe alles abgelehnt beziehungsweise darauf verwiesen, privat Flächen zu mieten. So wie es jeder andere auch machen kann. „Aber das entspricht ja nicht unserer Idee“, Leo Marz versteht’s nicht. Es sei keine Kommunikation mit dem Fachbereich möglich, man würde dauernd auf neue Auflagen verweisen, Emails nicht beantworten, einen konstruktiven Austausch verhindern, so empfindet es der 25-Jährige und auch der Zusammenschluss der Kollektive sei schwer enttäuscht.
Zwei Veranstaltungen unter der Riedbahnbrücke seien ihnen zwar gestattet worden, mehr ginge nicht, der Bereich sei Landschaftsschutzgebiet. Das sei auch schon 2021 so gewesen, aber damals habe man das Ganze als Ausnahme betrachtet, weil die Möglichkeiten Kulturschaffender durch Corona stark eingegrenzt gewesen seien, so habe man es Marz von Seite der Stadt erklärt. Nun fehlt den Kollektiven der Rahmen für behördlich genehmigte Partys, also für Veranstaltungen, um deren bürokratischen Rahmen sich die Kulturtragflächen kümmern. „Und das wird zur Folge haben, dass im Underground wieder illegal gefeiert wird“, ahnt Marz. „Im Codex ist zum Beispiel festgelegt, dass die Veranstaltung nicht kommerziell genutzt und nicht mehr als zehn Euro Eintritt verlangt werden dürfen, dass die Fläche sauber übergeben und die Lärmschutzrichtlinien beachtet werden müssen. Eigentlich sollte die Stadt doch froh sein, über unsere nachhaltige Initiative“, meint Marz.
Das sieht auch Mannheims Nachtbürgermeister Robert Gaa so. Als diese Redaktion ihn erreicht, um mit ihm über die Problematik zu sprechen, steckt er mitten in den Verhandlungen mit Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell. „Ich möchte nicht, dass wir diese grandiose Idee aufgeben. Leo Marz hat Recht: Die Partys werden sonst illegal stattfinden“, sagt Gaa. Er hat im letzten Jahr einige Partys besucht und war begeistert. „Mannheim könnte eine Vorreiter-Rolle übernehmen, wenn wir dran bleiben“, glaubt er: „Wenn wir es schaffen, mehrere Flächen mehrmals im Jahr mit diesem Konzept zu bespielen, wäre das beispielhaft für Deutschland.“
Genehmigungsverfahren läuft
Bisher sei er allerdings nicht sehr viel weitergekommen. Immerhin die Genehmigung für vier statt zwei Partys auf der Neckarwiese hätte Bürgermeisterin Pretzell ihm nun zugesichert. Doch das Genehmigungsverfahren läuft noch - und offenbar sehr zäh.
Die Redaktion hat deshalb bei der Stadt nachgefragt und wollte wissen, woran es hängt. Ein Rückruf kam nicht aus der Pressestelle, sondern direkt aus dem Dezernat von Oberbürgermeister Peter Kurz. Dessen persönlicher Referent Petar Drakul bittet um Geduld, aber auch darum, jede Chance zu nutzen, die von der Stadt geboten wird. „Es sieht gut aus für die Genehmigungen und es wäre toll, wenn die vier Veranstaltungen unter der Riedbahnbrücke stattfinden, auch wenn man sich mehr gewünscht hätte“, sagt er. Er selbst habe sich das im letzten Jahr angesehen und sei begeistert gewesen. Allerdings müssten die Auflagen zum Naturschutz wie auch die Lärmschutzvorgaben beachtet werden. Deshalb habe man dem Verein auch angeboten, den Tayler-Park zu nutzen, so Drakul. Der Taylor-Park allerdings habe sich nicht bewährt, weil er zu weit außerhalb liege, kontert Marz, der das, wie er sagt, schon längst der Stadt erklärt hat. Und Drakul? Er plädiert dafür, nun mal das nutzen, was jetzt geht und sich dann im Herbst zusammenzusetzen, um ein Resümee zu ziehen.
Und so bleibt aktuell offen, ob es tatsächlich in diesem Sommer Partys der Kulturtragflächen geben wird. Die Genehmigungen sind jedenfalls noch nicht erteilt. Und das wollen sich die Vereinsmitglieder auf keinen Fall bieten lassen. Gemeinsam mit den Kollektiven und anderen Gleichgesinnten werden sie am Mittwoch, 27. Juli, demonstrieren, um die Stadt wachzurütteln. Um 18 Uhr geht’s vor dem Schloss los, der Zug läuft bis zum Alten Messplatz. „Wenn wir blockiert werden, holen wir uns den Platz, indem wir auf die Straße gehen“, kündigt Leo Marz an.
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