Mannheim

Frauenleiche in Mannheim gefunden: Ermittler lassen Drohne steigen

Nur wenige Menschen halten sich am zweiten Tag nach dem Auffinden einer Frauenleiche am Turfweg auf. Die meisten davon mit einem mulmigen Gefühl. Was sie über die Gegend erzählen und welche neuen Erkenntnisse die Polizei hat

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Florian Karlein und Simone Kiß
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Ermittler der Sonderkommission lassen nach dem Fund einer Leiche in Mannheim-Friedrichsfeld eine Drohne steigen. © Florian Karlein

Mannheim. Der schwarze Mercedes-Kombi steht etwas versteckt auf dem Turfweg hinter einem Maisfeld. Rund 400 Meter sind es von hieraus zum Tennisclub Kurpfalz und der Pferderennbahn im Mannheimer Stadtteil Friedrichsfeld. Zwei Ermittler steigen aus dem Fahrzeug mit getönten Scheiben.

Sie gehören der Sonderkommission Ramus an, die im Fall der Frauenleiche ermittelt, die am Montag hier gefunden wurde. Am Mittwochmittag lassen die Männer gegen 13.30 Uhr eine Drohne über das Gelände fliegen. Bislang habe das schlechte Wetter das nicht zugelassen, antworten sie auf Nachfrage.

Leichenfund in Mannheim: Polizei dokumentiert Gelände aus der Luft

Immer wieder ist das Auslösegeräusch der Kamera zu hören. Über dem Maisfeld, weiter in Richtung Autobahn und den Wiesen rund um das Maisfeld. Wurde die Leiche hier gefunden? Dazu schweigen die beiden Männer, geben sich auch sonst verschlossen. Ob sie bei dem Drohnenflug etwas entdeckt haben? „Wir wollten gar nichts entdecken“, antwortet einer der beiden Ermittler. Auftrag ist, das Gelände aus der Luft zu dokumentieren. So könne man sich besser orientieren als mit Google Maps. Nach etwa 15 Minuten ist die Drohne wieder am Boden.

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Gegen 8.20 Uhr am Montagmorgen ist der Polizei eine leblose Person nahe der Pferderennbahn gemeldet worden. Erste Ermittlungen der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg und der Rechtsmedizin Heidelberg ergaben Hinweise darauf, dass die 51-jährige Frau Opfer eines Kapitalverbrechens geworden sein könnte. Eine 50-köpfige Sonderkommission ermittelt seitdem in alle Richtungen.

Neue Erkenntnisse liegen aktuell nicht vor. Noch immer werden Zeugen, die im Zeitraum von Freitag, 11. Oktober, bis Montag, 14. Oktober, verdächtige Wahrnehmungen im Bereich rund um den Turfweg gemacht haben, gebeten, sich unter 0621/174 44 44 an das Hinweistelefon der Polizei zu wenden.

Der Turfweg beim Mannheim-Friedrichsfeld, auf dem am Montag eine Frauenleiche gefunden wurde, wirkt am Mittwochmittag einsam und verlassen. © Florian Karlein

In der Stunde, bevor die Kriminalpolizei am Mittwoch vor Ort ist, ist die Ecke im Nirgendwo nahezu komplett verlassen. Die Ränder des schlecht asphaltierten Turfwegs sind matschig, Dornenhecken wirken, als seien sie frisch getrimmt. Vögel zwitschern und leise ist das Brummen der Autos auf der nahe gelegenen A 6 zu hören. Vom Turfweg aus blickt man auch auf die A 656, den Seckenheimer Wasserturm Glatzkopp, das Großkraftwerk und den Fernmeldeturm am Horizont. Und davor unzählige Strommasten.

Nach rund 300 Metern vom Tennisclub aus versperrt eine rot-weiße Schranke den Weg nach links zu einem Backsteingebäude, das eigentlich hellbraun ist, aber von Graffiti übersät ist. Eine Metallplatte erklärt, das Bauwerk gehört zum Wasserwerk Seckenheim. Es steht einsam im Wald, viele Schilder weisen auf ein Wasserschutzgebiet in diesem Bereich hin.

Spaziergänger schätzt „Ruhe und Einsamkeit“ des Turfwegs in Mannheim-Friedrichsfeld

Viele Plastik- und Glasflaschen – das fällt auf – liegen am Wegesrand und im Wald. Hinter den vorderen Gebüschreihen finden sich immer wieder Lichtungen, die offensichtlich gern als Rastplatz genutzt werden. Verpackungen und noch mehr Flaschen deuten darauf hin.

An einer Kreuzung etwas weiter den Turfweg entlang ist noch das rot-weiße Absperrband der Polizei zu sehen. Heruntergerissen hängt es an einem Schild, das den Durchgang verbietet. Am anderen Rand liegt ein Absperrgitter am Boden, ein Sackgassen-Schild weist darauf hin, dass es in 500 Metern nicht weitergeht. Wegen einer Baustelle: Neue Strommasten werden errichtet.

© MM-Grafik

Doch manche hält das nicht davon ab, den Weg an der Baustelle vorbeizugehen, unter der Autobahnbrücke hindurch bis auf die Hochstätt. Einen Fernfahrer aus Weißrussland etwa, der gerade im Netto einkaufen war. Der Mann in roter Jacke und mit schwarzer Cap spricht kein Deutsch, kein Englisch, verständigt sich mit einer Übersetzungsapp auf dem Smartphone. Er wisse nichts von der Frauenleiche, weil er gerade erst zum Abladen gekommen sei, übersetzt die künstliche Stimme, was der Mann eben in sein Handy gesprochen hat. Dann marschiert er weiter. Hinter der Pferderennbahn sitzt die Spedition Dachser.

Die Nachricht von der Frauenleiche gehört hat dagegen ein Mittsechziger aus Seckenheim, der auf dem Turfweg regelmäßig spazieren geht. „Tagsüber fühle ich mich sicher. Im Dunklen würde ich hier aber nicht rumlaufen“, sagt er. „Ruhig und einsam“ sei es, das schätze er am Turfweg und dem angrenzenden Waldstück. Seit dem Bau der neuen Strommasten seien noch einmal weniger Leute hier unterwegs.

„Täter wird an der gleichen Stelle nicht ein zweites Mal zuschlagen“

So auch an diesem Mittag. Eine der wenigen ist eine 35-Jährige, die mit einem „mulmigen Gefühl“ langsam am Feld entlangreitet. „Ich bin hier auf dieser Strecke den ganzen Sommer lang entweder geritten oder gejoggt“, erzählt sie. Warum sie sich das auch so kurz nach dem Fund der Frauenleiche traut? „Ich habe einfach gedacht, dass der Täter an der gleichen Stelle schon nicht ein zweites Mal zuschlagen wird“, antwortet die junge Frau, die ihre Pferde in einem nahe gelegenen Reiterhof stehen hat.

Am Dienstag war die Polizei auch mit einem Hund in Friedrichsfeld im Einsatz. Am Tag zuvor war nahe der Pferderennbahn eine tote Frau gefunden worden. © Marco Priebe

„Hier sind öfter mal seltsame Leute unterwegs. Obdachlose und Halbstarke“, berichtet sie und fügt hinzu: „Einige Mädels aus unserem Stall haben deswegen in der Vergangenheit auch schon bei der Polizei angerufen, weil sie angepöbelt wurden und weil man ihnen nachgelaufen ist. Wir haben uns hier schon oft richtig unwohl gefühlt.“

Zwei Meter hohes, vertrocknetes Maisfeld in Mannheim-Friedrichsfeld wirkt unheimlich

In dem Bereich, in dem die Ermittler die Drohne haben fliegen lassen, wird das Gelände im Wald hügeliger. Obwohl die lichten Bäume die Sicht kaum verdecken, lässt es sich nicht tief in den Wald blicken. Rechts des Weges steht der Mais zwei Meter hoch, wirkt, als ob er vergessen wurde zu ernten, und unheimlich. Plattgetretene Pflanzen zeigen, dass nicht selten Menschen sich Wege in den Wald suchen.

Ein halber Tierschädel – vielleicht von einem Marder – liegt im Gras. Ein paar Meter weiter ein grauer Stofffetzen, der nach einem alten Unterhemd aussieht, und eine blau-rote Boxershorts. Mit „Ho-Ho-Ho“ und Weihnachtssymbolen ist sie gemustert. Eine weiße Socke am Wegesrand markiert den Beginn eines Trampelpfads. Frische Hufeisen-Spuren und Pferdemist zeigen, von wem er genutzt wird. Durch einen kurzen Stichweg kommt man an den Rangierbahnhof.

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Weil sie in der Nähe arbeitet, nutzt eine 42-Jährige täglich ihre Mittagspause, um auf dem angrenzenden Schlittweg etwas frische Luft zu tanken – und dann über den Turfweg zurück ins Büro zu laufen. „Am Dienstag war ich allerdings nur vorne an der Straße unterwegs“, gibt sie zu. Zu frisch und erschreckend sei die Nachricht von der offensichtlich getöteten Frau noch gewesen. „Aber man weiß ja gar nicht, ob sie hier überhaupt umgebracht worden ist oder ob man sie nur hier gefunden hat. Deswegen habe ich mir gedacht, dass ich mich deswegen jetzt nicht anders verhalte“, erklärt sie. „Natürlich hat man ein komisches Gefühl. Aber mir kann überall etwas passieren. Deswegen bleibe ich nicht zu Hause.“

Ob sie etwas dabei hat, mit dem sie sich möglicherweise verteidigen kann? „Ich trainiere seit 15 Jahren Kampfsport“, erzählt die Spaziergängerin und fügt mit einem Achselzucken hinzu: „Aus dieser Erfahrung weiß ich, dass ich – egal, wie lange ich schon trainiere oder wie auch immer ich mich verteidigen will – als Frau keine Chance habe, wenn es ein Mann wirklich ernst meint.“

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

Redaktion Reporterin Team Mannheim

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