Serie Ferienjobs

Ferienjobs: Sängerin Joana jobbte im Ferienlager

Bevor sie Musikerin wurde, hat Sängerin Joana einen anderen Beruf erlernt. Für beides sammelte sie bereits als Helferin in Ferienlagern wichtige Erfahrungen

Von 
Peter W. Ragge
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Mannheim. Lehrerin, dann Künstlerin – schon ganz früh ist Joana für ihre späteren Berufe geprägt worden, auch und gerade durch ihre Ferienjobs. Daher erinnert sich die mit dem Bloomaulorden ausgezeichnete Sängerin, inzwischen 77 und unverändert gefragt und aktiv, sehr gerne an die 1960er Jahre, als sie in Ferienlagern im Odenwald ebenso wie in Frankreich als Helferin arbeitete.

1961 etwa sei sie für die „Innere Mission“, das damalige Hilfswerk der evangelischen Kirche, in Finkenbach im Odenwald im Ferienlager tätig gewesen. „Das war immer eine Riesenfreude“, erinnert sie sich gerne an diesen Sommer zurück. In das Ferienhaus im Odenwald seien während der Sommerferien Kinder und Jugendliche zu vier Wochen Erholung eingeladen worden. „Die Leiterin dieser Freizeit spielte Klavier, ich hatte natürlich meine Gitarre dabei“, weiß sie noch. Bereits am frühen Morgen hätten sie „Es tagt der Sonne Morgenstrahl, weckt alle Kreatur“ gespielt.

Ansonsten seien ihre Aufgaben – wie die aller Helferinnen – in erster Linie gewesen, morgens das Frühstück vorzubereiten, Tee zu kochen, den Tisch zu decken, „bevor die ganze Rasselbande aus ihren Zimmern sprudelte“, wie sie lachend sagt.

„Wir achteten darauf, dass beim Essen mit gegenseitiger Rücksichtnahme zugegriffen wurde – es war ja für alle etwas da“, betont sie. Eine kleine Geschichte sei ihr besonders in Erinnerung geblieben. Ein etwa siebenjähriges Mädchen habe zu ihr über den Tisch geschrien: „Heah, geb ma mol des Muus her“. Sie, mit damals gerade mal 16, 17 Jahren und „sehr erwachsen pädagogisch beflissen“, wie sie augenzwinkernd sagt, habe ganz deutlich mit etwas erhobener Stimme entgegnet: „Könntest Du mir bitte die Marmelade reichen?“ Doch daraufhin habe das Kind sie nur erstaunt angeschaut und entgegnet: „Hajo, konnsch doch hawwe“, weiß sie noch und meint schmunzelnd: „Wie gut, dass isch moi schääni Muddaschbrooch nät verlernt hab bis ins hohe Alter!“

Murmelspiel und Haareschneiden

Die Freizeit sei von „viel Heiterkeit“ geprägt gewesen: „Wir machten Wanderungen mit Pflanzen- und Baumbestimmung, kleinen spielerisch-gymnastischen Übungen – und hatten immer Pflaster dabei, weil irgendwer sich das Knie verletzt hatte“, so Joana. „Eins-zwei-drei-vier-Eckstein, alles muss versteckt sein“ habe man ebenso gespielt wie „Gliggerles“ – Mannemerischer Ausdruck für das (heute kaum mehr bekannte) Spiel mit bunten Glaskugeln. Und wenn es mal geregnet habe, „blieben wir eben drinnen und suchten im Wandschrank Spiele“, schildert sie den Alltag im Ferienlager. Dabei sei natürlich Singen mit ihrer Gitarre immer beliebt gewesen.

Natürlich habe sie auch vorgelesen – etwa den Kinderroman von Erich Kästner „Pünktchen und Anton“, wobei es „kapitelweise angeregte Gespräche darüber gab“, so Joana. Und wenn mal – selten – Disziplinschwierigkeiten aufgetaucht seien, brauchte sie nur zu sagen: „Wollt ihr heute Abend das Schlaflied hören – oder nicht? Oh, da waren sie aber brav“, so Joana. Aber sie rätselt: „Ob das heute auch noch so wäre???“

In Frankreich sei sie 1963 in der Nähe von Lyon (in Albigny-Montrottier) in einer Ferienkolonie der Gewerkschaft CGT mit Kindern in ähnlichem Alter engagiert gewesen. „Das war noch mal eine Extra-Herausforderung für mich, weil die Kinder wussten, dass ich aus Deutschland komme, und ich hatte sie gebeten, mich immer zu korrigieren, wenn ich mit meinem Schulfranzösisch etwas falsch sagte. Da gab es natürlich auch viel Gelächter, und ich habe von den Kleinen noch mehr gelernt – vor allem französische Kinderlieder“, erzählt Joana.

Die sonstigen Aufgaben seien wie im Odenwald gewesen. Nur habe sie – weil ein Junge unbedingt die Haare geschnitten haben wollte – unvorsichtigerweise gesagt, dass sie das könne. Daraufhin hätten das auch viele weitere Kinder gewollt, „aber es hat mir ziemlich Spaß gemacht“.

Fahrt auf dem Mofa

Vor den Ferienlagern sei sie in Schulferien zum Arbeiten (und zum Französisch lernen) immer im großen Haus einer kinderreichen Landfamilie gewesen, wo sie das Haus putzen, im Garten kehren, Birnen mit zwei verschieden großen Draht-Maßschlingen abmessen und – bei passender Größe für die Kartons – vom Baum abpflücken musste. Die mühsamste Arbeit sei auf einem Kartoffelfeld gewesen, immer vornübergebeugt und im Boden wühlend. „Das roch gut nach frischer Erde, brachte mir aber – an der rechten, wichtigen Gitarren-Zupfhand – gleich zu Beginn einen abgebrochenen Fingernagel ein. Madame, die sympathische Mutter des Hauses, brachte mir einen Handschuh“, sagt Joana heute noch dankbar.

Den habe sie auch zum Abschrubben des großen Stahltors im Hofeingang gebraucht. „Mit zwei, drei der Kinder der Familie waren wir immer gemeinsam unterwegs zum Schrubben, Kehren, Bürsten, Streichen, Ausbuddeln, Sammeln und Kurbeln“, so Joana. Der Vater der Selbstversorger-Familie sei Hobby-Imker gewesen, ihm half sie – verschleiert – die honigfeuchten Waben in den großen, runden Bottich zum Ausschleudern zu hängen. Gesungen habe sie natürlich auch – ganz offiziell bei der Hochzeit der ältesten Tochter: französische Chansons und „Die Gedanken sind frei“, als die Gesellschaft ein Volkslied aus ihrer Heimat hören wollte. Nicht nur Sprache und französische Lebensart habe sie dort gelernt, sondern sie sei auch das erste Mal im Leben mit einem Velo-Solex (einem Mofa) auf dem Gelände herumgebraust. „Welch ein Glück – und nix passiert!“, strahlt sie.

Auftritt beim Konsumverein

Bei diesen Ferienjobs habe das Singen noch eine Nebenrolle gespielt. Dann entdeckte sie irgendwann bei einem Fest Walther Zehntbauer von der Freilichtbühne Gartenstadt. „Er verhalf mir zu einigen Auftritten bei der Konsum-Gesellschaft, wo er als Conférencier engagiert war“, erinnert sie sich an die Anfänge ihrer Karriere. „Des Kind muss uff die Bühn!“, habe er zu ihren Eltern gesagt. „Ich war hellauf begeistert! Meine Mutter zunächst weniger, aber sie hat mich damals zu jeder Veranstaltung in verschiedenen Mannheimer Vororten begleitet“, so Joana. „Dass dereinst aus diesem Ferienjob mal mein Beruf werden würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Aber es war im Nachhinein betrachtet eine wunderbare Fügung“, erzählt sie dankbar.

1964 war dann ihr erster Fernsehauftritt in Peter Frankenfelds Show im ZDF. 1971 erschien die erste Platte mit eigenen Liedern. Doch die auf dem Pfingstberg aufgewachsene Hansi Emetz, wie sie richtig heißt, studierte zunächst Lehramt, unterrichtete auch und entschied sich erst 1973 für den Sängerberuf.

Anfang der Karriere: Joana mit Walter Zehntbauer beim Konsumverein. © Hans Peter Schwöbel
Joana schneidet als Ferienhelferin in Frankreich einem Jungen die Haare. © Hans Peter Schwöbel
Joana mit Kindern im Hof des Ferienlagers in Frankreich. © Hans Peter Schwöbel

Redaktion Chefreporter

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