Mannheim. Angenehm glatt, gar nicht glitschig und sehr muskulös – die erste Berührung mit der Königspython fühlt sich überraschend gut an. Wohl auch, weil die erst 80 Zentimeter lange Schlange es sich auf dem Arm von Reptilienexperte Florian Brenner gemütlich gemacht hat und keine Anzeichen zeigt, gleich zuzuschnappen. Ob die beißen kann? „Theoretisch ja, Köpys haben Zähne. Aber sie gelten als ruhig und nicht so aggressiv, weshalb sie gerade bei Schlangenhalter-Anfängern beliebt sind“, beruhigt Brenner und entlässt die zehnjährige Schlange zurück zu ihrem Artgenossen ins Terrarium.
Das steht nicht etwa in einer Tierhandlung oder im Zoo, sondern im Dachgeschoss des Mannheimer Tierheims auf der Friesenheimer Insel. Dort leben aktuell auf rund 20 Quadratmetern in unterschiedlich großen Terrarien zwei Würgeschlangen (Boa Constrictor), zwei Königspythons, mehrere Bartagamen sowie Wasserschildkröten. Seit mehr als zehn Jahren gibt es diesen Reptilienbereich im Tierheim, seitdem ist der Bedarf ungebrochen. Das Problem: Kaum jemand weiß, dass man neben Katzen, Hunden oder Meerschweinchen auch Reptilien aus dem Tierheim retten kann.
Experte vom Tierheim in Mannheim ist überzeugt: Exoten werden noch am besten gehalten
Wer aber holt sich solche exotischen Tiere ins Wohnzimmer, wie sind Boa, Königspython, Bartagame oder Papagei im Tierheim gelandet – und wie hoch ist ihre Chance, wieder ein neues Zuhause zu finden? Beim Rundgang mit dem ehemaligen Zootierpfleger und Reptilienfachmann Brenner vom Tierschutzverein Mannheim dreht sich das Gespräch schnell um das, was es braucht, um Reptilien als Haustiere zu halten. Und um die Hobbyhalterszene, in der aus Angst vor Krankheiten das Tierheim verpönt und dafür Messen oder Züchter beliebt sind.
Tag der offenen Tür
- Am Sonntag, 27. August, öffnet das Mannheimer Tierheim seine Türen von 11 bis 18 Uhr.
- Neben Führungen entlang der Hundehäuser und Infos zu den einzelnen Vierbeinern, können Besuchende auch das Katzenhaus, den Reptilienbereich sowie die Kaninchen in der Außenhaltung besichtigen.
- An Infoständen informieren Ärzte über Tierversuche, Experten über die richtige Haltung von Reptilien und auch Stadttauben sind Thema. Hundeschulen und weitere Aussteller sind ebenfalls vor Ort. Neben einem Honigstand mit Bienenprodukten gibt es zudem wieder ein Kinderspielestand sowie eine Tombola samt Flohmarkt.
- Von 12 Uhr bis 14 Uhr und um 16 Uhr geben die Tierpflegenden Einblicke in ihre Tierheimarbeit.
- Für das leibliche Wohl sorgt die Eventgastronomie Markus Rick, mit regionalem und artgerechtem Fleisch und selbstverständlich auch mit veganen Burgern.
Brenner aber ist überzeugt: Die als exotisch wahrgenommenen Tiere wie Schlangen oder Echsen werden noch am besten gehalten, weil sich ihre Besitzer stärker einlesen. „Jede Katze hat mehr Ansprüche als eine Schlange, die je nach Art deutlich pflegeleichter ist.“ Im Bezirk des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe sind aktuell 30 000 Halter mit meldepflichtigen Tieren registriert, erklärt das RP auf Anfrage, genaue Zahlen zu Städten oder der Art der Tiere gebe es nicht.
Wasserschildkröten auch im Tierheim Mannheim
Wer den Reptilienbereich betritt, der hört zuerst ein Rauschen. Generatoren halten im stickigen Dachgeschoss die Frischwasserzufuhr am Laufen, damit sich die Wasserschildkröten Momo und Appa wohlfühlen. Gelegentlich ertönt ein Platsch, wenn eine der Schildkröten von der Holzbrücke in die Fluten plumpst. Längst wissen die Tierpflegenden: In den Sommermonaten ist Schildkrötenfundzeit, da die meisten Tiere im Frühjahr aus der Winterruhe erwachen und sich unbemerkt aus Gärten buddeln oder in Teichen auftauchen.
Weil die europäische Landschildkröte meldepflichtig ist und man regelmäßig Fotos und Papiere dafür nachweisen muss, suchen viele ihre entlaufenen Tiere nicht – aus Angst vor Strafen. „Bei Hunden oder Katzen stehen die Halter sofort vor der Tür. Von den Schildkröten sind viele trotz Meldepflicht nicht registriert, die ausgebüchsten landen bei uns“, weiß der Fachmann und wendet sich zum nächsten Terrarium.
Boa, Vartagamen und Nattern leben im Tierheim Mannheim
Darin liegen Bartagamen reglos unter den UV-Lampen, geben eine Kornnatter und eine Kettennatter keinen Mucks von sich. Allerdings ist auch die zweieinhalb Meter lange Boa Constrictor Big auf den ersten Blick im riesigen Terrarium nicht erkennbar. Beim genauen Hinschauen schimmern schwarzweiße Schuppen im Wasserbecken, die imposante Würgeschlange hebt neugierig das Haupt und lässt ihre Zunge durch die Luft zischen. Seit einem Jahr lebt Big hier, beschlagnahmt von den Behörden, die sie in einer Badewanne in Deidesheim fanden.
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Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert, dass in Deutschland exotische Wildtiere vielfach legal von Privatleuten gehalten werden dürften. „Deutschland ist der Hauptumschlagplatz für exotische Wildtiere in der Europäischen Union“, so eine Sprecherin. Ein Sachkundenachweis für die Haltung eines exotischen Wildtiers müsse nirgends erbracht werden. Dadurch litten die Tiere jahrelang still vor sich hin. In Baden-Württemberg ist „das Halten von Raubtieren, Gift- und Riesenschlangen und ähnlichen Tieren, die durch Körperkräfte, Gifte oder ihr Verhalten Personen gefährden, der Ortspolizeibehörde anzuzeigen“. Wie viele Fälle es in Mannheim gibt?
Exoten müssen in Mannheim nicht angemeldet werden
Auf Anfrage heißt es beim Ordnungsamt: Die Polizeiverordnung der Stadt enthalte keine eigene Regelung zur Anmeldung von exotischen Tieren. Bislang bestehe keine Notwendigkeit, es seien keine Anfragen dazu eingegangen. Laut Tierschutzbund ist die große Zahl von Reptilien und Schlangen aber für die Tierheime ein großes Problem.
„Wenn wir voll besetzt sind, leben hier bis zu 30 Tiere. Die stammen aus der ganzen Region, wir sind die einzige Anlaufstelle. Die Vermittlung dauert länger, weil es einen kleinen Interessentenkreis gibt. Die meisten wollen Kuscheltiere adoptieren statt Reptilien“, berichtet Tierheimmitarbeiter Brenner. Oft behelfe man sich damit, die Tiere in Zoos wie das Reptilium in Landau abzugeben oder an private Vermittlungen.
Beschlagnahmt oder sichergestellt wurden auch die Bartagamen und Königspythons, die sich aktuell im Tierheim tummeln. Letzteres passiert, wenn etwa der Halter stirbt oder durch Krankheit sowie andere Umstände das Tier nicht mehr versorgen kann. Wie im Fall der Boa Jacqueline: Weil der Besitzer vor der Polizei flüchtete, lebt die sichergestellte Würgeschlange seit vier Jahren hier, Kopf und Körper sind verformt.
„Sie wurde schlecht gehalten mit vier anderen“, sagt Brenner, der selbst Schlangen, eine Vogelspinne und Skorpione hält. Die Tiere dürfe man nicht gemeinsam füttern, da sie sich das Futter wegbeißen und sich dabei gegenseitig verletzten.
Herkunft der Tiere teilweise kurios
Gefüttert werden die Schlangen hier alle 14 Tage mit tiefgefrorenen Ratten. „Lebendfutter ist verboten und nur erlaubt, wenn das Tier nichts anderes frisst. Manche umgehen das Verbot, weil sie das Spektakel sehen wollen“, sagt Brenner naserümpfend und blickt auf eine Schlangenhaut, die am Dachbalken hängt.
Die Boa fanden SEK-Einsatzkräfte, als sie die Wohnung eines Drogendealers stürmten. „Das Tier hatte Narben auf der Haut. Die könnten vom Zigarettenausdrücken stammen“, vermutet er. Ihr Schicksal hat ein gutes Ende gefunden, heute lebt die Boa im Reptilium. Die anderen, wie die Königspythons, warten noch auf ein neues Zuhause. Brenner ist froh über jeden Interessierten. Einzige Bedingung: „Die beiden Köpys werden nur zusammen vermittelt.“ (mit dpa)
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