In beiden Kaufhof-Filialen in der Mannheimer Innenstadt wird noch fleißig mitgezählt, wer ein- und ausgeht. Bei Zara, Bershka oder dm auf den Planken darf ebenfalls nur eine begrenzte Anzahl von Kunden in den Laden – alle anderen warten vor dem Eingang in einer Schlange. Und auch in den Häusern von Engelhorn stehen noch die großen Bildschirme, die Auskunft darüber geben, wie hoch die Auslastung auf der Verkaufsfläche ist. Bei Peek und Cloppenburg hingegen bleibt der Platz am Eingang, wo bis vor kurzem ein Mitarbeiter einen Blick auf die Zu- und Austritte geworfen hat, leer.
Regelungen im Handel
- In Baden-Württemberg galt bis zum Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs am 5. Juni die Regelung: Ein Kunde pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche.
- Genauso ist es in Hessen geregelt.
- In Rheinland-Pfalz ist die Regelung komplizierter: Nach Angaben des Handelsverbands dürfen sich im Laden mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmeter insgesamt höchstens eine Person pro 10 Quadratmeter Verkaufsfläche aufhalten.
- Ist der Laden aber 801 Quadratmeter oder größer, darf sich insgesamt auf einer Fläche von 800 Quadratmeter höchstens eine Person pro 10 Quadratmeter Verkaufsfläche befinden, und auf der 800 Quadratmeter übersteigenden Fläche höchstens eine Person pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche.
Am Montagnachmittag ist die Situation im Einzelhandel fast noch genauso wie vor der Entscheidung des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim. Der hat am Vormittag informiert, dass die bislang laut der Corona-Verordnung des Landes geltende Vorschrift von einer Person pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche unwirksam ist. „Das gilt ab sofort für alle“, sagt Lutz Pauels und gibt die Information an alle Mitgliedsbetriebe der Werbegemeinschaft City weiter.
Der Vorsitzende der Werbegemeinschaft ist erleichtert, dass die Richter in Mannheim so entschieden haben: „Das ist eine gute Entscheidung für die Händler.“ Zur Wiedereröffnung der Geschäfte, eine der ersten Maßnahmen bei der Lockerung des Lockdowns, sei die Beschränkung der Kundenanzahl sinnvoll gewesen. „Es war besser, am Anfang vorsichtig zu sein. Man wusste ja damals nicht, wie die Menschen reagieren.“ So habe verhindert werden können, dass der Andrang auf die Geschäfte unkontrollierbar sei. „Aber jetzt war die Regelung fällig“, so Pauels.
39 Quadratmeter – kein Kunde
Da bei der bisher geltenden Verordnung auch die Angestellten der Geschäfte mitgezählt wurden, stellte die Regelung besonders kleinflächige Geschäfte vor Probleme. Bei einer Ladengröße von 39 Quadratmetern hätte also kein Kunde mehr eintreten dürfen, wenn sich schon eine Verkäuferin in den Räumen aufgehalten hätte. Mit der Entscheidung gab der Verwaltungsgerichtshof einem Eilantrag der Tchibo GmbH gegen die entsprechende Bestimmung statt. Wirtschafts- und Sozialministerium wollen die Verordnung in dem Bereich nun schnell ändern. Es solle eine deutlich kleinere Mindestfläche pro Person festgelegt werden, hieß es.
Lob kommt auch von der Industrie- und Handelskammer (IHK): „Die jüngste Entscheidung des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs zur Aufhebung der Corona-bedingten Zugangsbeschränkungen zu den Einzelhandelsgeschäften finden wir richtig“, kommentiert Präsident Manfred Schnabel. „Das Gebot der Stunde für alle Akteure, Betriebe wie Konsumenten, heißt Eigenverantwortung. Händlerinnen und Händler sollten im Rahmen eines betrieblichen Hygieneschutzkonzeptes den Zugang zu ihren Geschäften wieder selbst regeln dürfen. Die Landesregierung ist gefordert eine klare, gleichzeitig flexible und intelligente Lösung zu finden“, fordert Schnabel.
„Die Entscheidung ist für uns ein großer Vorteil“, freut sich Alexander Seppel. Der Inhaber der drei „Gero“-Schuhgeschäfte berichtet von Spitzentagen wie Samstagen, an denen es schwierig sei, hohe Umsätze zu erreichen, „weil wir nicht alle Kunden in die Geschäfte hineinlassen konnten“. Seppel hält die Lockerung für „unproblematisch“, solange weiter darauf geachtet werde, Abstand zu halten und Schutzmasken zu tragen. „Ich hoffe, dass wir an den Spitzentagen von der Neuregelung profitieren.“
Von einer „guten Sache für uns“ spricht Andreas Hilgenstock, geschäftsführender Gesellschafter von Engelhorn. Die derzeitige Infektionslage erlaube es, weitere Begrenzungen aufzuheben. „Das ermöglicht unseren Kunden ein einfacheres Einkaufen.“ Das Unternehmen werde die Monitore an den Eingängen, die die Zahl der Kunden im Haus angibt, vorerst stehenlassen. Hilgenstock betont, dass es wichtig sei, weiterhin auf die Hygienemaßnahmen zu achten. Mittel- bis langfristig wünsche er sich weitere, vorsichtige Lockerungen, etwa, dass man prüfe, ob die Maskenpflicht auf Dauer so bestehen bleiben müsse.