Wie nahe Freud und Leid - örtlich wie zeitlich - bisweilen zusammenliegen, das muss der Handel in der Innenstadt im zurückliegenden Jahr erfahren. Da fiebert die Branche zunächst mit Hochspannung dem neuen Stadtquartier Q 6/Q 7 entgegen, das mit großem Bohei am 29. September Eröffnung feiert. Ein Riesenandrang begleitet die Feierlichkeiten, die sich - verkaufsoffener Sonntag eingeschlossen - über vier Tage hinziehen. Kaum eine Woche später steht die City dann unter Schock: Decathlon, einst als Heilsbringer für die Breite Straße gefeiert, wirft in seiner Filiale in T 1 nach nur zwei Jahren den Bettel hin. Und es kommt noch schlimmer für die Einkaufslage.
Aber der Reihe nach: Als Bauherr Heinz Scheidel am Morgen des 29. September vor dem Portal des Stadtquartiers den Startschuss für das neue Einkaufszentrum gibt, liegen insgesamt zehn Jahre Planung und Bauzeit hinter ihm. Keine leichte Zeit, weiß Gott nicht, Höchstschwierigkeiten mit dem Bunker-Abriss sind zu stemmen, vor allem aber die Finanzierung mitten in einer globalen Wirtschaftskrise. Doch auch die Nachbarschaft muss unter Dreck, Lärm und Verkehr leiden. Das ist vorbei, vergessen sicher nicht.
Mehr Schwung für die Lage
Dass das 350 Millionen Euro teure Stadtquartier weit mehr ist als ein Einkaufscenter, zeigen die Zahlen: Neben den 27 000 Quadratmeter an Laden- und Gastronomiefläche beherbergt es Praxen, 78 Wohneinheiten, ein Hotel mit 229 Zimmern und 13 Appartements, auf 4000 Quadratmetern Wellness- und Fitness-Bereiche und eine Tiefgarage mit 1376 Plätzen. Die Meinung in der Händlerschaft zur neuen Konkurrenz ist gespalten. Während sich die einen über die deutlich spürbare Belebung der Lage freuen, hadern andere mit dem Flächenzuwachs. Wenn keine neuen Kunden aus dem Umland von Mannheim angezogen werden, warnen die Mahner, spüre man einen harten Verteilungskampf.
Von der Belebung spürt die Breite Straße nicht viel, bis zum Marktplatz laufen die Geschäfte, doch dahinter - schwierig. Das weiß man seit langem in der Branche, dennoch kommt die Nachricht von der Schließung der Decathlon-Filiale in T1, die eher einer Flucht gleichkommt, zur Monatsmitte Oktober wie ein Keulenschlag.
Die Rahmenbedingungen am Standort seien nicht so gewesen, dass das Vorhaben reüssieren könne, heißt es vonseiten des Sportartikel-Riesen einigermaßen nebulös, die Nachbarschaft wird da schon konkreter: Probleme mit der Drogenszene könnten zu dem vorzeitigen Ende beigetragen haben, könnte sich Wolfgang Ockert vom Bürgerverein östliche Innenstadt vorstellen. Als dann auch noch die Ankündigung kommt, die McDonald's-Filiale in H 1 macht kommendes Frühjahr auch dicht, herrscht Verunsicherung im Handel.
Gesamtkonzept gefordert
Die Händlerorganisationen melden sich zu Wort, rufen nach einem alternativen Gesamtkonzept für die Breite Straße, und die Kommunalpolitik liefert ebenfalls erste Ideen einer Kultur- und Bildungsmeile, die die Einkaufsmeile, die sich schwer tue, eine zu sein, aufwerten soll. T 1 wird diskutiert als Adresse für die Stadtbibliothek, ob sich das realisieren ließe, steht in den Sternen. Klar ist: Decathlon hat noch einen Mietvertrag, aber die Branche fürchtet nichts so sehr wie lange Leerstände.
Als ob das nicht schon genug Sorgen wären, kommt Mitte November schon die nächste Hiobsbotschaft: Mömax bestätigt, dass es sich aus seinem grünen Haus am Neckartor verabschiedet zum 31. März 2017. Die Lage sei "schwierig zu bewirtschaften", heißt es von den Österreichern, Entlassungen sind keine geplant, man wolle den 35 Mitarbeitern Arbeitsplätze in der Region anbieten. Sechs Jahre hat das Möbelhandelsunternehmen an der Breiten Straße durchgehalten, genau wie bei Decathlon ist hier ebenfalls das Konzept einer innerstädtischen Filiale gescheitert. Beide sind sonst auf die "grüne Wiese" spezialisiert.
Nach Informationen des "MM" kauft eine Investorengruppe, die bereits auf dem Mannheimer Markt tätig ist, die Immobilie, was man dort entwickeln will, soll erst im Frühjahr öffentlich gemacht werden. Recherchen des "MM" lassen vermuten, dass mehrere Geschäfte, darunter ein Lebensmittelmarkt, sowie ein Fitness-Center am Neckartor einziehen sollen. Was daraus letztlich wird, zeigt erst die Zukunft.
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