Mannheim. Aller Anfang an diesem Nachmittag auf dem Mannheimer Schlossplatz ist Leere und Hoffnung. Denn während die Techniker an den Boxen letzte Details klären und die Organisatoren im Backstage-Bereich schon nervös auf und ab laufen, gähnt auf dem Ehrenhof noch müde die Sonne auf den menschenfreien Ehrenhof.
Erste Gespräche kommen auf: Würde der Aufwand, den die Organisatoren um Markus Sprengler, Gerhard Fontagnier und Chris Rihm für ihre Idee vom „Sound of Peace“ betrieben haben, seine Früchte tragen? Die ersten Hoffnungsschimmer dieses noch frühen Nachmittags zeigen sich in Menschen wie Susann Rudloff. Seit Jahren Anhängerin der Berliner Formation „Staubkind“, brauchte es kaum ein paar Stunden nach der Ankündigung auf Facebook, bis der treue Fan noch in der Nacht sein Zugticket nach Mannheim buchte – und damit den langen Weg aus Halle an der Saale nach Mannheim auf sich nahm.
Dass sie mit ihrer Reise nicht nur eine ihrer Lieblings-Bands, sondern vor allem das Anliegen des Friedens unterstützt, findet die junge Frau unumwunden „großartig“ – und ergänzt selbstbewusst: „Für manche sind zum kleinsten Anliegen zehn Kilometer zu weit, ich würde für den Frieden um die Welt reisen. Wir dürfen niemals aufhören, daran zu glauben, dass wir einen Unterschied machen können.“
So sieht das auch Micha. Interessierten Fernsehzuschauern ist er als Hausmeister aus den „Benz-Baracken“ längst bekannt. Doch für diesen Nachmittag stellt die Reality TV-Bekanntheit keineswegs sich selbst in den Vordergrund, sondern nutzt die eigene Bekanntheit, um zahllose Freunde und Bekannte aus der Region als Ordnungskräfte zu rekrutieren. „Jeder muss seinen Beitrag dafür leisten, damit man ein solches Event wie das hier stemmen kann“, erzählt Micha im Gespräch – und strahlt dabei über beide Wangen.
Vielfältige Künstler treten auf
Es wirkt in diesen Stunden, als würde ein jeder auf die Art und Weise sein Bestes leisten, die ihm anverwandt ist – und auch, wenn bei den Teams von „Mannheim sagt Ja!“, der Popakademie und „Mannheim hilft ohne Grenzen“ nach 14 kraftzehrenden Tagen der Organisation auch eine Art Müdigkeit Einzug hält: Wer Popakademie-Chef Udo Dahmen mit erhabenem Stolz über seinen Absolvent Fritz Krings sprechen hört, der „Sound of Peace“ erstmals in Berlin realisierte, um das Format nun nach Mannheim zu holen, dem kann die Kraft dieser Lobeshymne nicht verborgen bleiben.
Ohnedies wirkt es in diesen Stunden so, als seien all die Grenzen, mit denen sich Veranstaltungsformate einzelner Sender für gewöhnlich klar voneinander abgrenzen, in einer großen Union aufgegangen. Die Zusammenarbeit zwischen dem RNF und Radio Regenbogen, die an diesem Tag nicht nur live für Deutschland, sondern auch direkt in die Ukraine streamen, funktioniert fast sehr gut – und trotz all der programmatischen Vielfalt: Auch die Inhalte laufen nahezu reibungslos über die Bühne.
Den furiosen Auftakt machen Sascha Krebs und Sascha Kleinophorst aus dem Capitol-Ensemble und setzen mit „Imagine“ gleich ein nachdenkliches melodisches Ausrufezeichen, das Markus Sprengler mit seiner Band und der „Mood For Marley“ schwingungsvoll kontrastierte. Doch „Sound of Peace“ macht auch immer wieder deutlich, dass diese Veranstaltung kein Festival, sondern eine musikalisch geprägte Kundgebung ist. Ob Sven Hieronymus, Olaf Spiekermann oder Marina Horst über ihre Erfahrungen in der Ukraine, mit Geflüchteten oder in der Friedensarbeit berichten: Sie machen deutlich, dass sich der Kampf um Spenden hier ganz deutlich als Kampf für Humanismus präsentiert. Ein Kampf, dem selbst der große Wladimir Klitschko durch seine Videobotschaft nach Mannheim seinen eigenen Teil hinzufügt.
Es ist ein Einsatz, der bei „Sound of Peace“ auf die denkbar vielfältigste Art und Weise Gestalt erhält. Denn ob die „Busters“ aus Wiesloch nun mit einem knallharten Ska-Brett für Stimmung sorgen, Pop-Durchstarter Myle seine Newcomer-Single „Not Ready“ zum Besten gibt oder der Flötenvirtuose Leo Rojas ein erstes Mal die Tränen in die Augen der Besucher treibt: Einen willkommeneren Anlass, sich auf die Bedeutung des Friedens einzulassen, könnte es kaum geben.
Im Laufe der Stunden sehen das auf die Besucher so. Zu hunderten strömen sie auf den Ehrenhof, tanzen, singen – und hüllen sich in Ukraine-Flaggen. Auch Familien, die aus der Ukraine nach Mannheim und in die Region geflohen sind, zeigen Präsenz. Ihren Namen wollen die meisten von ihnen nicht in der Zeitung sehen, doch ihr Lächeln ob der gezeigten Solidarität spricht Bände. Die ganz großen Massen wollen sich zwar bis Redaktionsschluss dieser Zeitung nicht vor der Bühne einfinden, die großen Auftritte von Laith Al-Deen, den Söhnen Mannheims und Joris stehen da aber auch noch aus.
Was keineswegs bedeuten soll, dass es für viele emotionale Momente bis dahin nicht gereicht hätte. Allein der Auftritt der ukrainischen Sängerin Navka, die auf der Bühne um ihr Leben singt, während ihr eigener Ehemann an der Front um seines kämpft, macht ein weiteres deutliches Mal klar, dass diese Veranstaltung auch ein Schlachten stoppen will, das weiterhin täglich für Menschen den Tod bedeutet. So gesehen ist „Sound of Peace“ – unbesehen des zunächst noch unklaren finanziellen Erfolgs – schon jetzt ein gelungener Kraftakt für das Gute im Menschen, dessen Wert von unbestreitbarer Schönheit kündet.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-ein-zeichen-fuer-frieden-so-war-sound-of-peace-im-mannheimer-schlosshof-_arid,1947958.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html