Nachruf

Ein Visionär in der Politik - Josef Bugl gestorben

Der frühere Mannheimer Landtags- und Bundestagsabgeordnete Josef Bugl, der an Heiligabend noch seinen 90. Geburtstag feiern durfte, starb nun nach einem erfüllten Leben als Wissenschaftler und Politiker. Ein Nachruf

Von 
Peter W. Ragge
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Josef Bugl bei der Feier zu seinem 85. Geburtstag. © Markus Prosswitz

Mannheim. Er ist im Beisein seiner Kinder friedlich eingeschlafen und im allerengsten Familienkreis bereits beigesetzt worden: Der frühere Landtags- und Bundestagsabgeordnete Josef Bugl, der an Heiligabend 2022 noch zufrieden seinen 90. Geburtstag im Familienkreis feiern durfte, starb nun nach einem erfüllten Leben als Wissenschaftler und Politiker.

Oft war er ein Visionär, seiner Zeit voraus und daher unbequem, stets beseelt von der Absicht, naturwissenschaftlichen und technischen Sachverstand in Politik und Wirtschaft einzubringen, einen Dialog zu initiieren. „Wo wären wir ohne die Verrückten?“ heißt ein Sammelband über Außenseiter in Politik und Wirtschaft. Bugl gehörte dazu. Er schildert in dem Buch seine Erfahrungen als Fachmann und Seiteneinsteiger in der Politik. Oft heißt es zwar, die würden dringend gebraucht – aber wenn sie dann da sind, ist es doch sehr schwierig.

Angesehener Atomforscher

Das hat Bugl erlebt. Er wuchs in den Kriegsjahren in der Oberpfalz auf – stark katholisch geprägt und bewusst mit dem biblischen Namen Josef getauft. Im Bergbau musste er sich das Geld für sein Studium hart selbst verdienen. Über Stationen bei der Europäischen Atomenergiebehörde Euratom, in den USA und am Europäischen Kernforschungszentrum Petten kam der promovierte und angesehene Atomforscher 1970 nach Mannheim zu BBC (heute ABB), um hier als Prokurist und Direktor die Stabsabteilung Kraftwerke/Nukleartechnik aufzubauen.

1975 – die Kernenergie war da schon heftig umstritten – trat er der CDU bei. Eigentlich wollte er nur als Wissenschaftler für diese Technologie werben, doch die CDU gewann ihn für mehr: 1976 gelang Bugl die Sensation, den für die SPD als sicher geltenden Landtagswahlkreis Mannheim-Mitte zu erobern. 1980 wechselte er in den Bundestag. Dort war er über die Parteigrenzen hinweg ein sehr geachteter Vorsitzender der Enquete-Kommission „Technikfolgenabschätzung“.

Gefahren moderner Technologien versachlichen, für Nachhaltigkeit kämpfen – Bugl sah das als wertkonservatives Gedankengut, Helmut Kohl abschätzig als „grünes Zeugs“. Daher galt Bugl in seiner Partei als unbequem und zu wenig als Parteisoldat – trotz Kreisvorsitz der CDU. 1987 erhielt er keinen sicheren Listenplatz mehr, verpasste die Rückkehr ins Parlament. Als Ehrenvorsitzender des Kreisverbandes der CDU war er interessiert und hielt Kontakt, aber er blieb auf Distanz.

Lieber bearbeitete er bis weit über den 85. Geburtstag hinaus – international und interdisziplinär – Fragen zu Klima und Energie, die ihm schon am Herzen lagen, als dies noch nicht Mode war. Bugl zählte 1992 zu den Mitbegründern der (leider wieder geschlossenen) Stuttgarter Akademie für Technikfolgenabschätzung. Er baute die Universität Chemnitz auf, kämpfte für die Ansiedlung und Weiterentwicklung vom Technoseum in Mannheim. Auch wenn er nach der Wende mal als Wissenschaftsminister eines ostdeutschen Bundeslandes gehandelt wurde – in der Politik konnte und wollte er nie mehr richtig Fuß fassen.

Redaktion Chefreporter

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