Leere Straßen, leere Spielplätze und verlassene Häuser. Es ist ein kalter, grauer Tag, und der Ton des Windes wird von einer bedrückenden Musik begleitet. Diesen ersten Eindruck geben die Regisseure Philipp Kohl und Donni Schoenemond von der Konversionsfläche im Benjamin Franklin Village in ihrem Dokumentarfilm "Niemandsland - über die Zukunft einer verlassenen Stadt".
Fast 70 Jahre lang waren auf dieser 144 Hektar großen Fläche im Stadtteil Käfertal 10 000 amerikanische Soldaten zu Hause. Als dann im Jahr 2012 die letzten Familien in ihre Heimat zurückkehrten, blieb der Ort so zurück, wie es in den ersten Minuten im Film zu sehen ist. Drei Jahre war das Benjamin Franklin Village eine eingezäunte Geisterstadt - dann entstanden diese ersten Aufnahmen.
Viele Perspektiven
Der Film "Niemandsland" ist eine Auftragsarbeit. Die Geschäftsstelle Konversion der Stadt Mannheim wollte den Umbauprozess festhalten. Im Frühjahr 2015 gab es deshalb eine Ausschreibung - und die Produktionsfirma Gallion überzeugte mit einem ideenreichen Konzept.
In dem 82 Minuten langen Film haben Kohl und Schoenemond diesen Prozess in unterschiedlichen Perspektiven auf die Leinwand gebracht - und zusätzlich mit der Unterstützung von Mannheimer Musikern die Filmmusik dazu komponiert. Viele Menschen kommen zu Wort. Zum Beispiel der Künstler Philipp Morlock. Der Bildhauer engagiert sich für die Mannheimer Kreativwirtschaft und hat den "Franklin Store" ins Leben gerufen. Stundenlang geht er durch die Wohnblöcke und montiert ab, was andere Menschen gebrauchen können. "Das wird dann für wenig Geld verkauft", sagt Morlock im Film. In dieser Sammlung befindet sich alles Mögliche. Von Schränken über Lampen bis zu Böden.
Viele Protagonisten hatten sich die Filmemacher vorher schon herausgesucht - andere liefen ihnen bei den Dreharbeiten über den Weg. "Am Anfang haben wir uns wie Pioniere gefühlt. Wenn wir jemanden aus der Ferne gesehen haben, haben wir uns begrüßt, weil das so außergewöhnlich war", sagt Kohl. Wie zum Beispiel Birgit O'Hearn. Ihr Mann war als Soldat in Mannheim stationiert, deshalb hat sie eine lange Zeit hier gelebt. Jetzt kümmert sich die Tierschützerin um die zurückgelassenen Katzen in den leeren Straßen.
Auch der frühere Geschäftsführer der Mannheimer Wohn- und Stadtentwicklungsgesellschaft MWSP, Konrad Hummel, darf in der Dokumentation nicht fehlen. Er erklärt die Schwierigkeiten, dieses riesige Projekt zu stemmen. Ihm sei wichtig, viel neuen Wohnraum zu bauen, aber auf der anderen Seite auch die Geschichte, die diese Fläche durch die Amerikaner bekommen hatte, zu erhalten. Der 33-jährige Schoenemond ist sich sicher: "Es ist nicht möglich, für jeden Bürger die perfekte Umsetzung dieser Fläche zu erstellen. Wir haben so viele verschiedene Perspektiven gehört, man kann einfach nicht alles umsetzen."
Unter anderem haben sie nämlich auch die Bürger Mannheims vor die Kamera geholt mit der Frage: "Was soll auf dieser Fläche entstehen?" Die Antworten waren sehr vielseitig. Bezahlbarkeit, viele grüne Flächen und interkulturell bunt waren die häufigsten Wünsche der Bürger.
Schnell reagieren
"Mr. Franklin" begleiteten die Regisseure die meiste Zeit während der Dreharbeiten. Sein richtiger Name ist Marvin Kuhn, sein Vater war amerikanischer Soldat und seine Mutter bei der Armee beschäftigt. Er ist eine Art Hausmeister des Benjamin Franklin Village, er sichert und überwacht das Gelände. Am Anfang des Films sieht man ihn dort ganz alleine. Von Minute zu Minute wird es im Dorf aber immer mehr belebt.
Die Bauarbeiter reißen die ersten Wohnblöcke ab - und auch die Weltpolitik ist nicht an der 144 Hektar Fläche vorbeigegangen. 10 000 Flüchtlinge waren dort zeitweise beherbergt. Ganz besonders dieser Punkt war im Konzept von Kohl und Schoenemond nicht vorgesehen. "Wir mussten innerhalb der Dreharbeiten oft schnell reagieren", sagt Schoenemond.
Kohl ist der Meinung: "Das Benjamin Franklin Village ist ein historischer Glücksfall für Mannheim." Die beiden seien sehr gespannt, was auf der Fläche letztendlich entsteht. Einen zweiten Teil ihrer Dokumentation haben sie deshalb nicht ausgeschlossen.
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