Gesundheit - In der Tagesklinik für Geriatrische Rehabilitation am Diakonissenkrankenhaus werden muskelgeschwächte Menschen auf einem Spezialgerät wieder fit für den Alltag gemacht

Ein High-Tech-Gerät hilft Mannheimern mit Problemen beim Laufen

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Geriatrie am Mannheimer Diako: Ambulante Reha mit Balance-Band trainiert Menschen, die – etwa nach Stürzen – Probleme mit dem Laufen haben. © Diako

Mannheim. „Eben bin ich kaum aus dem Gleichgewicht gekommen“, freut sich die 87-jährige Mannheimerin und meint damit, dass sie die plötzliche Seitwärtsbewegung des Balancebandes nur ein klein bisschen ins Wackeln, nicht aber ins Stolpern gebracht hat. Die Seniorin besucht die (Tages-)Klinik für Geriatrische Rehabilitation am Diako. Das Ziel ihres medizinischen Trainings: Mobilität und Eigenständigkeit bewahren - trotz eines zunehmend schwächelnden Herzens.

Störreize stimulieren die Nerven

„Bisher verfügen in Deutschland gerade mal fünf Kliniken über solch einen Pertubationstrainer“, erklärt Chefärztin Diana Franke-Chowdhury und ergänzt, dass die rund 100 000 Euro teure Anschaffung von der Mannheimer Wilhelm-Müller-Stiftung ermöglicht wurde. Der etwas sperrige Begriff Pertubation bedeutet so viel wie Verwirrung - weshalb er in der Astronomie verwendet wird, wenn Sterne aufgrund von Fremdeinflüssen ihre Laufbahn ändern. Ähnlich verhält es sich mit dem Hightech-Laufband: Denn dies attackiert mittels programmierbarer Störreize - beispielsweise Veränderung der Geschwindigkeit oder der Richtung - das Gleichgewicht und fordert neuromuskuläre Reaktionen heraus. „Natürlich muss das Training individuell erfolgen“, betont der erfahrene Physiotherapeut Thomas Blau. Bei den ersten Einheiten kündigt er an, wenn sich das Tempo steigert oder die Gehplatte seitlich bis zu 25 Zentimeter ausschlägt. Später erfolgen die Störreize, die es auszubalancieren gilt, unvermutet. Zum Konzept gehört auch, dass grundsätzlich ein Sicherheitsgurt angelegt wird. „Der verhindert Unfälle, außerdem nimmt er die Angst“, erläutert der Physiotherapeut. Die Mittachtzigerin nickt zustimmend.

Ambulante Reha

  • Grundsätzlich muss der behandelnde Hausarzt bei der Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme einer geriatrischen Reha stellen.
  • Dabei geht es darum, Menschen jenseits der Siebzig nach einer Klinikbehandlung oder bei mehreren alltagsbeeinträchtigenden Erkrankungen fit für ein möglichst selbständiges Leben zu machen.
  • Nicht nur Kliniken bieten ambulante Reha – auch andere Zentren wie die Mannheimer PioniereinrichtungCasana“ an der Meerfeldstraße

 

In der Altersmedizin erfüllt das Pertubationstraining mehrere Aufgaben. Die Chefärztin der Geriatrischen Reha-Klinik am Diako berichtet von Männern und Frauen, die beispielsweise nach einer Operation oder schweren Krankheit abgebaute Muskulatur mühsam wieder aufbauen müssen. „Ab Mitte Dreißig verliert man pro Jahr durchschnittlich Muskulatur, die einem Schnitzel entspricht“, veranschaulicht die Medizinerin, warum ältere und vor allem hochbetagte Menschen kaum über Reserve bei jenem Gewebe verfügen, das die Fähigkeit besitzt, mechanische Kraft zu entwickeln und Körperteile zu bewegen. Wer einen Tag lang im Bett liegen muss, so die auf Geriatrie spezialisierte Internistin, müsse danach drei Tage trainieren, um den Muskelverlust wieder auszugleichen.

Wer auf dem Laufband ins Straucheln gerät, wird vom Haltegurt aufgefangen. © Diakonissenkrankenhaus

Auf dem etwas anderen Laufband geht es auch um Sturzprävention mit dem Ziel der allseits gefürchteten Kettenreaktion entgegen zu wirken: nämlich Stolpern, Balance verlieren, Hinfallen, einen Bruch, beispielsweise des Oberschenkelhalses, erleiden - mit dem Risiko, in Pflegebedürftigkeit abzurutschen. Deshalb sollen beim Pertubationstraining Störreize motorische Reaktionen herausfordern, die mittels Wiederholungen gelernt und später in ähnlichen Alltagssituationen abgerufen werden können. „Übungen zur Sturzprävention speichert das Hirn ab“, erläutert Diana Franke-Chowdhury.

Übungen gegen Demenz

Der „Balance Tutor“ ist eines von vielen Angeboten, wenn ältere Menschen am Diako eine geriatrische Reha absolvieren. Es gibt auch andere Therapieschwerpunkte. Für Menschen mit Demenz hat beispielsweise die Dietmar-Hopp-Stiftung der Klinik an der Speyererstraße einen von insgesamt 100 gespendeten „Zaubertischen“ (auch Tovertafel genannt) zur Verfügung gestellt. Der Clou: Die mit einem Art Beamer projizierten Animationsspiele unterschiedlicher Schweregrade - wie Laub zusammenschieben, Puzzle legen oder einem Notenschlüssel Musik entlocken - machen nicht nur in der Gemeinschaft Spaß, sie motivieren auch zu Handbewegungen nach dem Motto „das Glück greifen“.

„Tagsüber in der Reha, abends und am Wochenende zuhause“ - dieses Geriatrie-Konzept wendet sich an ältere bis hochbetagte Menschen, die zwar Defizite haben und Unterstützung beim Aufbau oder Erhalt von Körperfunktionen benötigen, aber nicht stationär behandelt werden müssen. Die Therapieschwerpunkte werden stets individuell festgelegt.

Freie Autorin

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