Mannheim. Dienstagabend im Stadtteil Feudenheim. Wir sitzen auf der Terrasse von Gerhard Weber. Sonnenuntergang. Da kommt sie um die Ecke: Mimi, die Katze des Hauses, 18 Jahre alt, was etwa 90 Menschenjahren entspricht, vom Alter gebeugt, aber umso anschmiegsamer. „Wenn ich lese, platziert sie sich auf meinen Schoß“, berichtet der Hausherr.
Und zum Lesen hat der Jubilar nun Zeit. Seit drei Jahren ist Weber, zuvor 20 Jahre Direktor des Moll-Gymnasiums im Niederfeld, zuletzt Sprecher aller Mannheimer Gymnasien, damit ein zentraler Akteur der Bildungspolitik der Quadratestadt, im Ruhestand. Da der Eintritt ins Pensionsalter mitten in Corona lag, hatte er zwei Jahre verlängert. „Inzwischen ist das alles weit weg.“
Er tut viel für körperliche und geistige Fitness
Die 70 Jahre, die er am Sonntag vollendet, merkt man ihm nicht an. Aber er tut auch viel dafür. Das beginnt mit 50 Liegestützen am Morgen. Und geht fast täglich weiter mit 20 Kilometern auf dem Rad - „natürlich ohne E-Motor“, wie er vorsorglich hinzufügt: „Wenn man hochoben auf dem Weißen Stein an der Bergstraße angelangt ist, dann weiß man, was man geschafft hat“, schmunzelt er. Die Alpenquerung auf dem Sattel, noch bis zum 65. im Programm, lässt er allerdings inzwischen sein.
Aber auch für die geistige Fitness ist gesorgt. „Das ist meine Werkstatt“, sagt er, als er jenen Raum zeigt, dessen Wände vom Boden bis zur Decke mit Büchern gefüllt sind. Um die 2.800 sind es. „Fast jeden Tag lese ich vier bis fünf Stunden“. Auf dem Schreibtisch liegt die gelbe Reclam-Ausgabe jenes Werkes, das nun anseht: „Clausewitz. Vom Kriege“. Ein Klassiker. Und doch leider aktuell.
Geschichte und ihre Vermittlung, das ist die Passion des studierten Historikers. In Vorträgen, ob im Moll oder im Bildungszentrum St. Clara. Zur Geschichte der DDR, zum Ukrainekonflikt oder zum 9. November, dem Schicksalstag der Deutschen. Und nie fehlt dabei die Warnung vor den Dämonen der Vergangenheit und ihren aktuellen Apologeten. Noch mit 55 hat er promoviert, mit einer Biographie des Wehrmachtsgenerals Hellmuth Felmy.
Überschrift über seinem Leben: Aufstieg durch Bildung
Das Ganze ist ihm nicht in die Wiege gelegt, als er 1955 in Ludwigsburg das Licht der Welt erblickt. Alles, was er erreicht hat, hat er sich hart erarbeitet. Aufstieg durch Bildung, dieses Ideal steht über seinem Leben.
Zunächst ist der Gymnasiumsbesuch für die Familie - der Vater ist Kriegsinvalide - nicht finanzierbar. Erst nach der Mittleren Reife wird der Übergang auf die Oberschule mit Abi und Studium möglich. Weber wird Autor eines renommierten Schulbuchverlages, wechselt dann in den Lehrerberuf. 1998 kommt er ans Carl-Benz-Gymnasium Ladenburg. Als 2002 durch den Ruhestand von Klaus Fritz die Spitze des Moll frei wird, tritt er dessen Nachfolge an. Und bleibt dort 20 Jahre lang.
Seine Amtszeit ist geprägt durch die Einführung von G8, mit allen pädagogischen, organisatorischen und baulichen Herausforderungen. Darüberhinaus wird die Sanierung des 60er-Jahre-Baus eine Daueraufgabe, so dass man Weber getrost „Baumeister des Moll“ nennen darf.
Kraftquell damals wie heute: die Familie. Seine Ehefrau, Rechtsanwältin, zwei Söhne, beide promoviert, einer Entwicklungsingenieur, der andere Strafrichter. Und ein Enkel. Bisher. Denn in der Nacht zum Freitag wurde der zweite geboren. Welch ein Geburtstagsgeschenk!
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