Mannheim. Zur Aufarbeitung der Amtszeit von Nikolas Löbel als Vorsitzender gehört für viele Mitglieder auch eine Offenlegung der Finanzen des CDU-Kreisverbands. Es gibt viele Fragen.
Wie ist aktuell die finanzielle Situation des Mannheimer CDU-Kreisverbands?
Diese Frage stellen sich im Moment viele. In der Video-Sitzung des Kreisvorstands am kommenden Montag stehen die Finanzen auf der Tagesordnung. In einem Brief an den Kreisvorstand hatten die langjährigen Mitglieder Roland Hartung, Egon Jüttner, Rolf Schmidt und Konrad Schlichter kürzlich eine „lückenlose Prüfung und Darstellung des gesamten finanziell-wirtschaftlichen Komplexes der CDU Mannheim durch einen unabhängigen Sachverständigen“ gefordert. Der frühere Ortsverbands-Schatzmeister und Steuerberater Heinrich Braun verlangte in einem Schreiben an die stellvertretende Kreis-Chefin Katharina Funck die Offenlage der relevanten Finanz-Unterlagen bis 31. März. Funck sagt, der Kreisverband sei in der Lage, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, Gehälter, Geschäftskosten und Abführungen an den Bezirksverband pünktlich zu zahlen.
Welche Unterlagen fordert Braun?
Er verlangt unter anderem Kopien des Einzel-Jahresabschlusses des Kreisverbands für die Jahre 2019 und 2020, außerdem alle Darlehensstände aufgegliedert nach Gläubigern sowie Einblick in die Finanzbuchhaltung sowie in alle Miet-, Arbeits- und Darlehensverträge.
Welche Erkenntnisse verspricht sich Braun davon?
„Ich möchte wissen, ob und wenn ja bei wem der Kreisverband Schulden hat und ob sich daraus möglicherweise Abhängigkeiten ergeben“, sagt Braun. Das gelte auch für mögliche Spender. In der Gewinn-und-Verlust-Rechnung des Einzel-Jahresabschlusses seien alle Einnahmen und Ausgaben aufgeführt, unter anderem auch die Spenden. Auch der Vertrag zur Anmietung der Kreisgeschäftsstelle und die Verträge zur Untervermietung von Räumen an das Abgeordnetenbüro von Nikolas Löbel und an dessen private Firma Löbel Projektmanagement GmbH sind für Braun interessant. Funck erklärt, Löbel habe seine beiden Mietverträge außerordentlich gekündigt. Der Kreisverband habe das akzeptiert - man habe einen klaren Schnitt machen und Löbel den Zutritt zu den Räumen nehmen wollen. „Der Kreisverband hätte Schadensersatz von Löbel fordern müssen für die vorzeitige Auflösung der Mietverträge“, entgegnet Braun. Nun aber verzichte man auf Einnahmen. Auch den Arbeitsvertrag von Kreisgeschäftsführerin Mareike Pilz will sich Braun genau anschauen. „Was ist darin an Arbeitsleistung geregelt? Ich will durch eine Prüfung ausschließen können, dass die Mitarbeiterin auf Parteikosten Arbeit für Herrn Löbels Firma oder für den Bundestagsabgeordneten übernommen hat.“
Warum setzt Braun eine Frist für seine Forderung?
„Man muss da jetzt schnell reinschauen, damit wir vor Neuwahlen des Kreisvorstands Klarheit haben“, sagt das langjährige CDU-Mitglied, das nach eigenen Angaben seit 2016 zu keiner Mitgliederversammlung mehr eingeladen wird. „Ich möchte nicht erst in einem Dreivierteljahr irgendein Gefälligkeitsgutachten haben. Die Geprüften dürfen sich ihren Prüfer nicht selbst suchen.“
Was ist aus der Vergangenheit von den Finanzen des Kreisverbands bekannt?
Braun hatte sich 2015 als Ortsverbands-Schatzmeister geweigert, einen Kassenbericht über 35 Euro fristgerecht abzugeben. Er hatte zuvor vom damaligen Kreis-Chef Nikolas Löbel eine schriftliche Mitteilung über den Schuldenstand des Kreisverbands verlangt. Löbel verweigerte Braun nach dessen Angaben diese schriftliche Mitteilung. Wegen des nicht abgegeben Berichts setzte der Kreisvorstand Braun als Ortsverbands-Schatzmeister ab, ohne ihn zuvor anzuhören. Wohl wegen des öffentlichen Drucks durch die Berichterstattung über diesen Streit machte Löbel damals schließlich - kurz vor der Oberbürgermeister-Wahl mit dem damaligen Kandidaten Peter Rosenberger - den Schuldenstand öffentlich. Der Kreisvorsitzende sprach von 95 000 Euro. Diese Zahl war damals aus Sicht von Braun zumindest widersprüchlich. Denn im Oktober 2014 hatte der damalige Kreis-Chef und Löbel-Vorgänger Claudius Kranz Braun Unterlagen vorgelegt, die im Oktober 2014 ein Minus von 35 000 Euro auswiesen.
Wie reagierte der Kreisverband auf die damals mitgeteilten 95 000 Euro Schulden?
Der Verband beschloss im Juli 2015 ein Konzept zum Schuldenabbau. Stadträte und Bürgermeister sollten einen höheren Teil ihrer Amtsvergütung an die Partei abführen, was nach Löbels Rechnung von damals allein knapp 11000 Euro Mehreinnahmen pro Jahr ausmache. Außerdem sollten Mitglieder 2016 in einer einmaligen Aktion freiwillig den doppelten Beitrag zahlen. „Ich weiß bis heute nicht, wie sich dieses Sanierungskonzept auf die Parteifinanzen ausgewirkt hat“, sagt Braun. „Ich habe seitdem keine Zahlen mehr gesehen.“
Wer prüft die Rechenschaftsberichte der CDU Mannheim?
Die Finanzordnung als Teil der Satzung der CDU Baden-Württemberg besagt, dass die Kreisverbände verpflichtet sind, den jährlichen Rechenschaftsbericht bis zum 31. März des Folgejahres beim Bezirksverband einzureichen - in diesem Fall dem Bezirksverband Nordbaden. Die Bezirksverbände wiederum müssen ihren jährlichen Rechenschaftsbericht bis zum 15. Mai des Folgejahres beim CDU-Landesverband einreichen. Am Ende der Kette fließen die Rechenschaftsberichte der Landesverbände in den Rechenschaftsbericht der Bundespartei ein.
Wer sind die Schatzmeister des CDU-Bezirksverbands und des CDU-Landesverbands?
Schatzmeister des Bezirksverbands Nordbaden und damit für die Prüfung des Berichts der CDU Mannheim zuständig ist der Bundestagsabgeordnete Axel E. Fischer. Gegen ihn wird seit 4. März wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Dabei geht es um mögliche Zahlungen aus Aserbaidschan. Der Landesschatzmeister heißt Ulrich Zeitel. Der Jura-Professor ist seit 2004 Geschäftsführer der FORUM Institut für Management GmbH in Heidelberg und damit Chef der stellvertretenden Mannheimer CDU-Kreisvorsitzenden Katharina Funck, die dort arbeitet. Das Unternehmen für Weiterbildung gehört zum gemeinnützigen Stiftungsunternehmen SRH in Heidelberg. Es betreibt private Hochschulen, Bildungszentren, Schulen und Krankenhäuser. Eigentümerin des Unternehmensverbunds ist die SRH Holding. Sie bezog im April 2020 nach eigenen Angaben 1,1 Millionen von Nikolas Löbel vermittelte Masken und zahlte dafür knapp 200 000 Euro netto an Provision an den Politiker.
Was sagen ehemalige Löbel-Vertraute zu den Gerüchten rund um die Kreisgeschäftsstelle?
Seit Oktober 2020 kursieren Gerüchte, wonach es bei den Untermietverträgen in der CDU-Kreisgeschäftsstelle Unregelmäßigkeiten gegeben habe, vor allem beim Vertrag mit der Löbel Projektmanagement GmbH. Die damaligen Kreisvorstands-Mitglieder Chris Rihm und Andreas Pitz legten nach Einsichtnahme der Unterlagen in der Geschäftsstelle mit sofortiger Wirkung ihre Ämter nieder. Pitz sagte, er könne nicht ausschließen, dass Dinge, die er gesehen habe, strafrechtlich relevant seien. Der Kreisverband ließ ein Gutachten erstellen. Es kam zu dem Schluss, dass es keinerlei Anhaltspunkte auf Rechtsverstöße gab. Der Mietvertrag an die GmbH mit jährlicher Bezahlung sei ungewöhnlich, aber nicht zu beanstanden. Der Gutachter, Anwalt Ralph Landsittel, ist ein ehemaliger CDU-Stadtrat. Löbel hatte laut Gutachten am 14. September 2020 durch eine Einmalzahlung von 4750 Euro die Kosten für insgesamt 25 Monate bezahlt.
Thomas Hornung war der persönliche Referent des Bundestagsabgeordneten. Er sagt, dass er mit den Mietverträgen der CDU und mit der Firma von Nikolas Löbel nichts zu tun hatte. Gerüchte und Vorwürfe, die sich nicht belegen ließen, kommentiere er grundsätzlich nicht. Lennart Christ, Vorsitzender der Jungen Union Mannheim, ebenfalls Mieterin in der Geschäftsstelle, findet es wichtig, dass ausreichende Maßnahmen zur Aufklärung offener Fragen getroffen würden. Katharina Funck und ihr Stellvertreter-Kollege Egon Manz kritisieren, dass diejenigen, die diese Behauptungen in die Welt setzten, bislang keine fundierte juristische Einschätzung dazu hätten liefern können. „Das sind bisher alles Spekulationen.“
CDU-Fraktionschef Claudius Kranz sagt dem „MM“, dass er in seiner Funktion nichts mit der Kreisgeschäftsstelle zu tun gehabt habe. Seit Herbst sage man: „Es kann nicht sein, dass Herr Pitz eine solche Behauptung aufstellt, ohne dass er eine konkrete Vermutung hat.“ Seiner Meinung nach könnte es sein, dass „im Kontext der Anfrage des ,MM’“ an die CDU, in die Bücher schauen zu dürfen, die Zahlung der Miete erfolgte. Löbel habe damals gesagt: „Wir haben das abgeschlossen, ich habe das bezahlt, und gut ist.“ Kranz: „Wenn man böse ist, könnte man sagen: Es gab keinen Vertrag, sondern er wurde rückdatiert. Darüber habe ich aber keinerlei Kenntnis.“ Bis vor drei Wochen hätte er seine Hand dafür noch sehr nahe ans Feuer gelegt, dass alles in Ordnung sei. Kreisgeschäftsführerin Mareike Pilz war für die Anfrage nicht zu erreichen.
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