Mannheim. Um 20.15 Uhr kommen die beiden ins Stadthaus, die das Rennen um das Direktmandat unter sich ausmachen. Am Ende liegt Melis Sekmen knapp vor Isabel Cademartori. Nach Auszählung der Stimmen aus 231 der 234 Mannheimer Wahllokale liegt die CDU-Abgeordnete mit 24,8 Prozent uneinholbar vor ihrer SPD-Kollegin (22,5).
Doch während die Sozialdemokratin über die Landesliste so gut wie sicher im Bundestag ist, muss Sekmen noch bangen. Doch am Montagmorgen ist klar: Sekmen zieht trotz ihres gewonnenen Wahlkreises nicht in den Bundestag ein. Aufgrund der Wahlrechtsreform der Ampelkoalition kommen nicht mehr alle siegreichen Wahlkreis-Kandidaten automatisch in den Bundestag: Sie bekommen nur noch dann ein Mandat, wenn ihre Partei auf genügend Zweitstimmen kommt. Bei Sekmen ist das nicht der Fall
Sekmen zeigt sich um 20.15 Uhr gleichwohl zufrieden mit ihrem Vorsprung. „Ich freue mich, dass wir mehr Erst- und Zweitstimmen haben. Das ist auch ein Vertrauensbeweis für mich.“ Der Wechsel von den Grünen zur CDU im Sommer habe ihr nicht geschadet. „Das Ergebnis zeigt, dass es die richtige Entscheidung war.“
Bundestagswagl in Mannheim: Auch Koch und Akbulut dürften es geschafft haben
Cademartori wiederum ist enttäuscht über „das historisch schlechte Ergebnis ihrer Partei im Bund. Da müssen Konsequenzen folgen und eine personelle Neuaufstellung. Einen Wahlkampf darüber zu führen, wer härter abschiebt, hat der Wähler nicht goutiert.“ Ihrem persönlichen Ergebnis kann sie, Stand 20.15 Uhr, auch Gutes abgewinnen. „Ich liege bei den Erststimmen sechs Prozentpunkte über dem Bundesergebnis. Das zeigt die große Wertschätzung der Mannheimerinnen und Mannheimer für meine Arbeit.“
AfD-Mann Heinrich Koch und die Linke Gökay Akbulut, beide am Sonntagabend nicht bei Wahlpräsentation im Stadthaus, haben es aller Voraussicht nach wie Cademartori ebenfalls über die Landeslisten in den Bundestag geschafft. Dort werden nach der Wahlrechtsreform künftig nur noch 630 Abgeordnete sitzen, bisher sind es 736. Darauf hat Christian Hübel gleich zu Beginn hingewiesen. Fünf Minuten vor Schließung der Wahllokale, als der städtische Fachbereichsleiter Demokratie und Strategie die noch wenigen Gäste im Ratsaal begrüßte.
Bei der Oberbürgermeisterwahl 2023 hatte er noch allgemeine Heiterkeit und eine bundesweite mediale Resonanz mit einem Büstenhalter erregt, der seinen Schilderungen zufolge in einer Wahlkabine im Moll-Gymnasium gefunden wurde. Diesmal gibt es nicht nur keinen BH, sondern laut Hübel keinerlei besonderen Vorkommnisse. Was aber durchaus positiv sei: Er schildert eine Panne in einem Trierer Wahllokal, wo bis 11 Uhr vormittags versehentlich Stimmzettel aus Berlin ausgegeben worden seien.
Lob für die mehr als 2.000 Ehrenamtlichen in den Mannheimer Wahllokalen
Hübel berichtet von „sehr guter Stimmung“ in den Mannheimer Wahllokalen, er dankt den mehr als 2.000 Ehrenamtlichen dort. Die Wahlbeteiligung liege mit um 17.30 Uhr bereits bei 76 Prozent. Am Ende beträgt sie sogar mehr als 77 Prozent. So hoch war sie in der Quadratestadt seit 27 Jahren nicht mehr.
Um 17.59 Uhr wird im Stadthaus erstmals applaudiert. Grünen-Kandidatin Nina Wellenreuther kommt. Ihre Partei feiert den Wahlabend in einem Restaurant unten am Paradeplatz, da sind jetzt wohl nahezu alle mal kurz hochgekommen. Jedenfalls alle, die bei den Mannheimer Grünen Rang und Namen haben.
Aber auch von der Basis sind einige da. Doch als die Grünen sehen, wie wenig um die Zeit noch im Ratsaal los ist, gehen die meisten schnell wieder runter. Zumal die eingeblendeten Prognosen der großen Umfrageinstitute ihnen klar nur den vierten Platz zuweisen.
Später am Abend wird Wellenreuther enttäuscht sein: „Ich habe mehr erwartet“, sagt sie. „Ich habe mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Melis Sekmen gerechnet. Aber ich merke, dass Isabel Cademartori als Abgeordnete ein gutes Standing hat. Das habe ich unterschätzt.“ Immerhin, sagt Wellenreuther, habe sie mehr Erst- als ihre Partei Zweitstimmen. Das freue sie. Doch auch über das Ergebnis ihrer Partei auf Bundesebene ist sie enttäuscht. „Das ist bitter, weil unsere Themen wie Klimaschutz durch das Ergebnis nicht unrelevant geworden sind.“ Bei diesem Wahlausgang sei sie allerdings pessimistisch, „dass sich bei diesen Themen jetzt noch was tut“.
Freude bei den Mannheimer Linken über Erfolge bei jungen Menschen
Die wenigen Linken im Stadthaus freuen sich über ihr gutes Ergebnis. Da zeigt die ARD-Prognose 8,5 Prozent an. „In den letzten Wochen hatten wir einen guten Drive, viele junge Menschen haben die Linke gewählt“, sagt Ex-Fraktionschef Thomas Trüper. Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek sei es gelungen, die jungen Menschen über die sozialen Medien anzusprechen. Sie seien es ja auch, die mit den vielen Problemen unserer Zeit konfrontiert seien, von den sozialen Problemen über den Klimawandel bis zu der Entwicklung, dass die Situation in anderen Ländern immer mehr Menschen zwinge, ihre Heimat zu verlassen. „Gleichzeitig sind viele Parteien eingeknickt unter dem Druck der AfD, letztlich war die Linke die einzige Oppositionspartei“, sagt Trüper. Mit diesem Ergebnis werde Akbulut wieder im Bundestag sein. Die ist am Wahlabend noch krankgeschrieben.
Um kurz nach halb sieben präsentiert Hübel die ersten Zahlen aus Mannheim. Wie es der Zufall will: Sie kommen aus dem Moll-Gymnasium. In einem der Wahllokale dort hat Sekmen vor Wellenreuther und Cademartori die meisten Stimmen geholt.
Im Ratssaal ist es zwischenzeitlich noch leerer, aber immerhin hat sich ein weiterer Kandidat eingefunden: Konrad Stockmeier. „Die Nacht wird für die FDP noch lang“, sagt der Bundestagsabgeordnete gegen 19.45 Uhr. Die ZDF-Hochrechnung sieht die Liberalen zu diesem Zeitpunkt knapp drin, die der ARD knapp nicht. Der Abend zeige, „dass Brandmauer-Diskussionen Deutschland nicht voranbringen. Wer an die Regierung kommt, muss sich daran machen, die Probleme Deutschlands zu lösen, die die AfD groß gemacht haben“, so Stockmeier. Zu diesem Zeitpunkt ist schon klar, dass er mit seinem Listenplatz nicht mehr im neuen Bundestag sitzen wird. Er sei vor vier Jahren mit Mitte 40 aus dem Berufsleben heraus Abgeordneter geworden und er sei auch zuversichtlich, dass er den Weg in den Beruf wieder zurückfinden werde. Traurig darüber ist er dennoch: „Ich hätte gerne Politik für Deutschland weiter gestaltet, weil ich die zweite Legislaturperiode mit der Erfahrung der ersten anders gestaltet hätte.“ Das müssen nun andere übernehmen.
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