Love-Scamming

Betrüger zocken auch in Mannheim Singles beim Online-Dating ab

UN-Soldat oder attraktive Krankenschwester: Mit diesen Maschen gaukeln Heiratsschwindler Singles online wahre Liebe vor. Eine Kriminaloberkommissarin erklärt, wie viele Singles in Mannheim darauf reinfallen und warum

Von 
Lisa Uhlmann
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Symbolbild. © iStock

Mannheim. Es beginnt mit einem Flirt auf Instagram mit einem UN-Soldaten, der hier John Scott heißen soll – und endet mit einer Summe von 40 000 Euro, die das ahnungslose Opfer überweisen wird. Denn was die Frau zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Der Mann, der sie hier gerade anschreibt, der bald täglich mit ihr chatten wird, ist ein sogenannter Love- oder Romance-Scammer, zu Deutsch: Liebesbetrüger oder Heiratsschwindler.

Die Geschichte, die Scott erzählt: Er sei als UN-Soldat in Somalia stationiert, seine Frau sei gestorben, die Tochter auf einem Internat im Ausland. Mit Komplimenten und Schmeicheleien gewinnt der Soldat ihr Vertrauen und ihr Herz, spricht sogar vom Heiraten, – bis er dann um einen Gefallen bittet, nicht für ihn, sondern für seine Tochter.

Auch in Mannheim viele Fälle von Love-Scamming

„Die Opfer wollen oft nicht wahrhaben, dass sie gerade betrogen werden. Sie glauben oft, dass dahinter doch wahre Liebe steckt“, sagt Sophie Iversen. Die Kriminaloberkommissarin ist beim Polizeipräsidium (PP) Mannheim für solche Betrugsfälle zuständig, hat im Fall von Scott ermittelt. Viele Opfer, weiß Iversen, schämen sich, auf Heiratsschwindler hereingefallen zu sein – und erstatteten deshalb oft keine Anzeige. „Da entsteht nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein psychischer Schaden“, sagt die Ermittlerin.

Pro Jahr verzeichnet das PP Mannheim Fälle im zweistelligen Bereich, die Dunkelziffer sei aber hoch, so Iversen. Meistens ist das Geld der Betrogenen für immer verloren, lassen die Täter über Geldwäsche die Summen direkt verschwinden. Manche Verliebte nehmen sogar Kredite auf, wenn ihnen das Geld ausgeht. Wie sich so ein Schwindler erkennen lässt? Die Betrüger geben sich je nach Opfer als Mann oder Frau aus. Die Männer sind meistens Tierarzt, UN oder US-Soldat wie etwa John Scott, Ingenieur, Architekt oder Konstrukteur in der Ölindustrie. Sie präsentieren sich mit gestohlenen Fotos von einer attraktiven weißen Person.

Was tun, wenn man betrogen wurde?


  • Ignorieren: Nicht auf Forderungen eingehen und kein weiteres Geld überweisen. Schecks nicht einlösen: Oft handelt es sich um Rückschecks, für deren Rückzahlung an die Bank die Kontoinhaber verantwortlich sind. Im schlimmsten Fall droht dem Opfer gar eine Strafanzeige wegen Betrugs. Briefe und Päckchen nicht weitersenden oder aufbewahren. versuchen, geleistete Zahlungen sofort rückgängig zu machen.
  • Blockieren: Jeglichen Kontakt abbrechen. Nicht mehr auf Mails oder Anrufe antworten. Am besten ist es, sich eine neue Mailadresse und Telefonnummer zuzulegen. Gefahr besteht auch für Freunde im sozialen Netzwerk und für alle Kontakte im eigenen Mailadressbuch. Denn die Täter schicken mit ihren Mails meistens auch einen Computervirus mit. Dieser scannt die Daten im Mailadressbuch und erlaubt eine Kontrolle über den Rechner der Opfer.
  • Sichern: Alle Mails und Chat-Texte als Beweis auf einem Speichermedium wie Cloud-Dienst, externer Festplatte oder USB-Stick sichern. Überweisungsbelege aufheben. Mit Hilfe von Bekannten den E-Mail-Header auslesen. Daran erkennt man, woher die Mail geschickt wurde.
  • Hilfe holen: Anzeige erstatten. Die Strafverfolgung solcher Täter ist zwar schwierig, weil sie aus dem Ausland agieren. Eine Anzeige ist extrem wichtig, wenn Banken strafrechtliche Schritte gegen Opfer unternehmen wollen, die unwissentlich gefälschte Schecks eingereicht haben. 

Schreibstil entlarvt Betrüger oft

Auch die Liebesbetrügerinnen nutzen Profilfotos von attraktiven, manchmal auch leichter bekleideten Frauen. Sie geben sich als Krankenschwester, Ärztin, Mitarbeiterin im Waisenhaus oder Lehrerin, Schauspielerin sowie als Geschäftsfrau aus. Das Besondere: Die Frauen sprechen oft Englisch oder Deutsch perfekt.

Sie verraten sich meist über ihren Schreibstil, erklärt Ermittlerin Iversen. Sie antworten zu jeder Tages- und Nachtzeit immer prompt, gaukeln schon in kürzester Zeit vor, sich verliebt zu haben. Auch ungewöhnliche Grammatik entlarvt die Betrüger, die oft Übersetzungsprogramme und romantische Phrasen verwenden. Das klingt dann in etwa so: „Hallo süßer Engel, ich habe dein Profil gesehen, und es hat meine Aufmerksamkeit erregt, also sagte ich, ich werde dir Freundschaft anbieten, du siehst so schön aus!“

Social Media Auftritt kann Hinweise geben

Auffällig ist auch, wenn das Profil erst seit Kurzem aktiv ist, die hochgeladenen Bilder keine „Gefällt-mir-Angaben“ von Freunden aufweisen. Die außergewöhnlichen Lebensgeschichten, die Singles oft auftischt bekommen, ähneln sich. Außerdem drehen sich die ersten Gespräche nie um Geld, sondern um die Familie sowie um Liebe und eine gemeinsame Zukunft.

Oft werden Geschichten über verstorbene Ehepartner und Kinder erzählt, beschreibt die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) auf ihrer Webseite. Gebündelt in einer Geschäftsstelle, angesiedelt beim Landeskriminalamt, klärt die Expertenstelle über aktuelle Straftaten auf und gibt Tipps, wie man sich schützen kann. In dem Fall, der bei Iversen gelandet ist, bittet der UN-Soldat um Einmalzahlungen für die Tochter.

Gefälschte Flugtickets - oft nach Westafrika

Der nächste Schritt: Damit er Urlaub nehmen und seine Angebetete besuchen könne, müsse Scott Geld für seine Abwesenheit bezahlen. Geld, das seine zukünftige Ehefrau ja vorstrecken könnte. Leider aber seien seine Konten gesperrt, habe er in Somalia keinen Zugriff. Damit folgt der Betrüger einer beliebten Masche: Wenn die Scammer nicht schon dort sind, dann müssen sie dringend geschäftlich oder aus familiären Gründen nach Westafrika.

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Dabei versprechen sie, ihre neue Liebe danach zu besuchen. Doch bevor oder kurz nachdem das Ticket nach Deutschland gebucht wird, gibt es Probleme: Überfälle, gestohlene oder konfiszierte Pässe, ein Krankenhausaufenthalt nach einem Autounfall oder Probleme mit Kreditkarten. Die Opfer werden um einen Bargeldtransfer gebeten.

Auch bei Scott platzt die Flugreise. Noch kurz vor Abreise aus Somalia sendet der Täter sogar gefälschte Flugtickets. Druck baut Scott zusätzlich mit der Lüge auf, nun auch noch nach Afghanistan einberufen zu werden, sollte er kein Geld erhalten. Laut ProPK wird die Liebe in solchen Bettelmails stark betont. Manchmal werden Opfer auch von einem Arzt, Polizisten oder Angehörigen kontaktiert, um noch mehr Druck auszuüben. Manche drohen sogar mit Selbstmord, sollte kein Geld fließen.

Jede und jeder kann auf Love-Scamming reinfallen

Worauf es die Betrüger noch abgesehen haben, außer dem schnellen Geld? Aktuell sind laut ProPK ausländische Ausweispapiere beliebt. Oft bitten Täter um Kopien von Pass und Reisepass – mit der Erklärung, ein gemeinsames Konto eröffnen zu wollen. So können leicht Ausweise gefälscht werden. Sehr begehrt sind auch Einladungen nach Deutschland als Unterstützung für einen Visumsantrag.

In manchen Fällen besteht selbst dann noch Kontakt zu den Tätern, wenn die Opfer den Betrug bereits angezeigt haben. Sie lassen sich trotz allem zu weiteren Zahlungen überreden. „Die Täter sind sehr manipulativ, daher rate ich immer, direkt sämtlichen Kontakt abzubrechen und vorher Mails, Überweisungen oder Chatnachrichten zu sichern“, sagt Iversen.

Wie finden solche Verbrecher ihre Opfer? Zwar gibt es laut Iversen kein klares Opferprofil. Oft nutzen solche Scammer gezielt und geschickt die öffentlich einsehbaren Infos aus, die Frauen oder Männer auf einem Datingprofil preisgeben. Was mit einem Flirt beginnt, endet oft mit dem finanziellen Bankrott der Opfer. Auch im Fall von UN-Soldat Scott erlischt seine vermeintliche Liebe schlagartig, als klar wird: Sein Opfer ist pleite.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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