Kommentar Opfer von Love-Scamming sollten sich nicht schämen

Veränderte Fotos, ausgedachte Lebensgeschichte und fertig ist die falsche Identität. Verbrecher nutzen die Offenheit im Netz aus. Lisa Wazulin mahnt zu mehr Zurückhaltung beim Online-Dating

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Lisa Uhlmann
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Mannheim. Das Angebot klingt verlockend: einfach bequem von der Couch aus die große Liebe finden – die vielleicht nur einen Klick oder Wisch entfernt ist. Dass man dabei nicht nur auf den Traumprinzen oder die Traumfrau, sondern einen Verbrecher trifft, scheinen die wenigsten auf dem Schirm zu haben. Dabei ist es unfassbar leicht, in nur einem Tag ein falsches Profil, also eine falsche Identität, zu erschaffen.

Fotos von fremden Personen

Woher ich das weiß? Für Recherchezwecke wage ich mit einer Kollegin ein Experiment: Gemeinsam wollen wir eine fiktive Frau erschaffen, die als Köder einen solchen Täter anlocken soll. Dafür braucht man lediglich eine falsche E-Mail-Adresse, mehrere unterschiedliche Fotos und viel Fantasie, um sich eine glaubwürdige Identität auszumalen. Die erste Hürde stellen die Fotos dar: Täter stehlen Profilfotos gerne von Personen in Datingportalen, ohne deren Wissen, versteht sich.

Was tun, wenn man betrogen wurde?


  • Ignorieren: Nicht auf Forderungen eingehen und kein weiteres Geld überweisen. Schecks nicht einlösen: Oft handelt es sich um Rückschecks, für deren Rückzahlung an die Bank die Kontoinhaber verantwortlich sind. Im schlimmsten Fall droht dem Opfer gar eine Strafanzeige wegen Betrugs. Briefe und Päckchen nicht weitersenden oder aufbewahren. versuchen, geleistete Zahlungen sofort rückgängig zu machen.
  • Blockieren: Jeglichen Kontakt abbrechen. Nicht mehr auf Mails oder Anrufe antworten. Am besten ist es, sich eine neue Mailadresse und Telefonnummer zuzulegen. Gefahr besteht auch für Freunde im sozialen Netzwerk und für alle Kontakte im eigenen Mailadressbuch. Denn die Täter schicken mit ihren Mails meistens auch einen Computervirus mit. Dieser scannt die Daten im Mailadressbuch und erlaubt eine Kontrolle über den Rechner der Opfer.
  • Sichern: Alle Mails und Chat-Texte als Beweis auf einem Speichermedium wie Cloud-Dienst, externer Festplatte oder USB-Stick sichern. Überweisungsbelege aufheben. Mit Hilfe von Bekannten den E-Mail-Header auslesen. Daran erkennt man, woher die Mail geschickt wurde.
  • Hilfe holen: Anzeige erstatten. Die Strafverfolgung solcher Täter ist zwar schwierig, weil sie aus dem Ausland agieren. Eine Anzeige ist extrem wichtig, wenn Banken strafrechtliche Schritte gegen Opfer unternehmen wollen, die unwissentlich gefälschte Schecks eingereicht haben. 

Das kommt für uns als Journalistinnen natürlich nicht infrage – weshalb ich mit einer Software veränderte Fotos von mir selbst benutze. Die nächste Hürde: Freunde finden. Die aber bleibt unüberwindbar, weil ich niemanden aus meinem eigenen Netzwerk gefährden will. Denn die Täter greifen oft auch die Kontaktdaten von Freunden ab, immer auf der Suche nach ihrem nächsten Opfer. Ohne Freunde erhalte ich aber für meine Bilder auch keine „Gefällt-mir-Angaben“ – ein erstes Indiz für ein Fake-Profil.

Profile verschwinden über Nacht

Auch die Zeitstempel der Posts muss ich verändern, um den Eindruck zu erwecken, mein Profil gibt es nicht erst seit gestern. Danach erscheint eine Uhr am Beitrag, die ich auch bei allen Fotos eines mutmaßlichen Love-Scammers finde. Der hat übrigens ebenfalls keine „Gefällt-mir“-Angaben oder Freunde auf Facebook.

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Doch bevor ich meinen Köder endlich auswerfen kann, verschwindet der Täter spurlos, das Profil wird über Nacht gelöscht. Was bleibt: Die Erkenntnis, dass alles, was ich im Netz über mich angebe, mit ein paar Klicks jeder sehen – und für sich nutzen kann. Weshalb Profile von Singles und das Online-Dating per se wohl so attraktiv für Kriminelle sind. Schließlich will man sich selbst im besten Licht darstellen, viele schöne Dinge über sich preisgeben.

Zurückhaltung beim Online-Dating nötig

Heißt im Klartext: Zurückhaltung und Vorsicht beim Online-Flirten sind nicht nur gut – sondern zwingend nötig. Außerdem sollten Singles sich fragen: Mit wem chatte ich da eigentlich? Zwar können Täter sogar im Videochat über Hilfsmittel ihr Gesicht verändern. Trotzdem hilft ein persönliches Treffen am besten an einem belebten Platz am helllichten Tag, den Menschen am anderen Ende des Chats besser kennenzulernen.

Sollte das nicht möglich sein, der Chatpartner im Ausland sitzen und sogar um Geld bitten, ist höchste Vorsicht geboten. Es sollte ein Freund oder eine Freundin ins Vertrauen gezogen werden. Wer in die Falle tappt, was Männern übrigens genauso oft passiert wie Frauen, braucht sich dafür nicht zu schämen.

Im Gegenteil: Sie sind Opfer von Profis geworden, die genau wissen, wie man Einsamkeit, Sehnsucht nach Nähe und Liebe perfide ausnutzt. Eine Anzeige hilft deshalb nicht nur Betroffenen und Ermittlern dabei, Tätern besser auf die Schliche zu kommen. Sondern sie bewahrt Singles davor, schamlos abgezockt zu werden.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.