Mannheim. Marode Straßen und Brücken, fehlende Fahrradwege, viele Baustellen, Verspätungen und Personalmangel bei der Bahn – Themen und Probleme gibt es reichlich im Bereich der Mobilität. Diese haben am Montagabend zwei Bundestagsabgeordnete der SPD beim Themenabend „Wie geht es weiter mit der Verkehrswende?“ im C-Hub Mannheim in der Hafenstraße aufgegriffen. Isabel Cademartori aus Mannheim und Christian Schreider aus der Vorderpfalz sind dafür in der Partei Spezialisten. Vor den rund 60 Besuchern erläuterten sie ihre Ansichten zum Straßenausbau sowie Bahn/Öffentlicher Nahverkehr.
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Dabei stellte sich heraus, dass vieles vor Ort von Entscheidungen auf Bundesebene abhängt. Cademartori erläuterte, dass das im Bundestag von der Ampel beschlossene neue Straßenverkehrsgesetz im Dezember vom Bundesrat abgelehnt wurde. Darin geht es unter anderem um Tempo-30-Zonen, die von Kommunen leichter eingeführt werden sollen, was aktuell rechtlich nicht einfach ist. Nun kann die Bundesregierung mit einem Vermittlungsausschuss versuchen, mit dem Bundesrat einen Kompromiss auszuhandeln.
"Der entscheidende Punkt ist Flexibilisierung"
Die SPD-Bundestagsabgeordnete: „Ich vermute, dass es von Friedrich Merz eine Ansage gab, alle Gesetze der Ampel-Regierung zu stoppen. Das Nein soll sich gegen die Ampel richten, Leidtragende sind die Kommunen.“ Ein Besucher aus Altrip wollte wissen, wieso man nicht einfach Tempo 30 als Regel vorgibt und 50 oder 70 km/h als Ausnahme. Die Bundestagsabgeordnete lapidar: „Dafür gibt es keine politische Mehrheit.“ Sie betonte, dass man auch die Interessen der Autopendler berücksichtigen müsse, die Ortschaften zügig durchfahren möchten. Schreider: „Der entscheidende Punkt ist Flexibilisierung!“
Teure Hochstraße
Die Hochstraße Süd in Ludwigshafen war das nächste Thema. Schreider sagt, dass sie 2026 fertig sein soll, „für deutsche Verhältnisse mit großem Tempo“. Dass der Bund 60 Prozent der Baukosten übernimmt, sei sehr hoch. Von den Zuhörern kam dazu die Frage: „Ist so etwas heutzutage noch sinnvoll? Wir haben zu viel Verkehr und bauen neue Straßen. Wann fängt die Verkehrswende an?“ Schreider betonte, dass es in Ludwigshafen zwei Hochstraßen gebe, „wir konzentrieren uns nur auf die im Süden“. Außerdem werde auf der unteren Ebene ein Fahrradschnellweg geplant. Weiter sei der Autoverkehr „ums Vielfache gewachsen, das kann man nicht von heute auf morgen eindämmen“.
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Ein Besucher kritisierte die Verhältnismäßigkeit bei den Ausgaben, also die hohen Investitionen „in die Aufrechterhaltung eines autolastigen Systems“ im Vergleich zu Projekten, mit denen Verkehr von der Straße geholt wird. „Auch aus meiner Sicht wird da zu wenig investiert“, meinte Schreider. Doch das Problem seien die Finanzen, Ludwigshafen eine der ärmsten Städte in Deutschland: „Wir brauchen ein anderes Finanzierungssystem für Kommunen.“ Cademartori: „Mit der neuen Lkw-Maut mit CO2-Emissionsklassen wurde diese im Dezember nahezu verdoppelt. Die Einnahmen fließen nicht wie bisher ausschließlich in die Straße, sondern auch in andere Verkehrsträger.“
Bahn und Öffentlicher Nahverkehr
Das war der Übergang zum zweiten Thema der rund zweistündigen Veranstaltung: Bahn und Öffentlicher Nahverkehr. Die rund sechsmonatige Vollsperrung der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt sei laut Schreider „unvermeidlich. Es geht nicht anders, sie wurde seit Jahrzehnten vernachlässigt“. Das gelte insgesamt für die Bahn, so würde beispielsweise Österreich drei Mal so viel pro Einwohner investieren. Doch nun werde zum ersten Mal seit Jahrzehnten mehr Geld in die Bahn als in die Straße investiert. Für den Ausbau Mannheim-Karlsruhe betont er: „Gigantische Tunnel können wir uns nicht leisten, Projekte wie Stuttgart 21 sind der reine Wahnsinn.“
Zum 49-Euro-Ticket sagte Cademartori humorvoll: „Da möchte ich mir Applaus holen!“, was für Heiterkeit sorgte. Vor wenigen Tagen habe sie sich nämlich in der Verkehrsministerkonferenz stark dafür eingesetzt, dass es 2024 bei 49 Euro bleibt, die Vertreter der Länder wollten einen höheren Preis. Für diese Aussage gab es den erhofften Beifall für die SPD-Bundestagsabgeordnete. Die Mindereinnahmen der Verkehrsbetriebe seien weniger groß als erwartet ausgefallen, die insgesamt drei Milliarden Euro Zuschuss von Bund und Ländern würden ausreichen, um dies auszugleichen. Schreider ergänzt: „Es gibt viele Dinge, die gut laufen. Unser Land wird oft schlechter geredet, als es ist.“
Probleme im Nahverkehr
Allerdings läuft es im Nahverkehr nicht so gut, denn einige Straßenbahnlinien fahren ausgedünnt. Cademartori: „Wir haben die Gefahr einer Abwärtsspirale wegen des Personalmangels. Der Rest der Mitarbeiter ist überlastet, dann gibt es Krankmeldungen, und das Problem wird noch größer.“ Viele neue Fahrer würden nach einem Jahr wieder kündigen. Eine Vertreterin der Gewerkschaft Verdi erklärte dazu, dass die Arbeitsbedingungen verbessert werden müssten, also Bezahlung und Planung freier Tage. Ein anderer Besucher monierte die „fehlende Wertschätzung“ innerhalb der Verkehrsbetriebe für Mitarbeiter. Cademartori beklagte sich darüber, dass Fahrgäste zum Teil ruppig mit dem Personal umgingen und appellierte, Frust nicht an diesen Leuten abzulassen.
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