Mannheim. Sie greift zielsicher zu „Die Eigensinnige“. Es ist ein biografischer Roman über die österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916) und die Macht der Worte. Aber der Titel passt auch zu Barbara Waldkirch, die dieses Buch gerade für ein Foto in die Hand nimmt – denn diese Frau ist ein Beispiel für die Macht des Buches, die Macht des persönlichen Engagements und die Kraft, die das entfalten kann. Und genau dafür erhält sie nun den Bloomaulorden. Sie ist erst die elfte Frau seit 1970, als diese höchste bürgerschaftliche Auszeichnung vom damaligen „MM“-Herausgeber Rainer von Schilling gestiftet worden ist.
Sympathische Ausstrahlung, stets den Menschen zugewandt, persönlich zurückhaltend, bescheiden – so erleben sie ihre Kunden in ihrer Buchhandlung in der Feudenheimer Hauptstraße. Ob dort oder bei einem Anruf, sie fragt immer gleich: „Wie kann ich helfen?“ Und hilft dann. Sie ist gut sortiert: Krimis, Romane, viel regionale Literatur, sehr viele Kinder- und Jugendbücher, dazu Geschenkartikel und eine große Auswahl an Grußkarten. Neuerdings, nach der Schließung der Bernhardus-Buchhandlung, bietet sie auch religiöse Titel sowie Tauf- und Kommunionkerzen an.
Dem neuen Mannheimer Bloomaul zitterten die Knie
Als Markus Haass an einem Samstag im Herbst diesen gemütlichen Laden betritt, schöpft sie noch keinen Verdacht. Aber dann kommt Bert Siegelmann, schließlich Achim Weizel, „dann war mir klar, was das bedeutet, und meine Knie fingen an zu zittern“, erinnert sich Barbara Waldkirch an den Moment. „Ich bin nicht einfach zu erschüttern, aber das werde ich ein Leben lang nicht vergessen“, sagt sie. Denn nun stand, wie sie es nennt, „die Dreieinigkeit“ vor ihr – das Auswahlkomitee, das über die Ehrung entscheidet.
Barbara Waldkirch
Barbara Waldkirch ist 1957 geboren , seit 1980 verheiratet und hat drei Söhne (Jahrgang 1981, 1983, 1985), von denen zwei im Unternehmen arbeiten und sich einer gerade habilitiert.
Sie ist in der Speckwegsiedlung auf dem Waldhof aufgewachsen, dort und auf dem Moll-Gymnasium (damals noch in der Neckarstadt ansässig) zur Schule gegangen und wohnt jetzt in Feudenheim.
Sie ist Diplom-Übersetzerin für Russisch und Englisch.
Neben der Funktion als Geschäftsführerin der Waldkirch KG (Verlag und Buchhandlung) arbeitet sie auch für das von ihrem Mann Ealf Waldkirch geführte Yoga & Seminarzentrum , das ebenfalls in Feudenheim ist. pwr
„Das ist für mich nicht irgendeine Auszeichnung“, sagt Barbara Waldkirch. „Es ist das Höchste, was die Stadtgesellschaft zu vergeben hat“, äußert sie sich dankbar und stolz zugleich: „Mein Gott, was für eine Ehre!“ Der Bloomaulorden sei für sie „wirklich der Gipfel dessen, was möglich ist“ und bedeute für sie, „dass meine Bemühungen, etwas für Mannheim und seine Menschen zu tun, oft gegen den Mainstream, gesehen und anerkannt werden“. Aber für Barbara Waldkirch ist der Bloomaulorden noch mehr. „Ich sehe ihn als Auftrag, mehr zur Kultur beizutragen, mehr zu tun, um die Stadtgesellschaft, um Mannheim, diese so außergewöhnliche Stadt mit ihren besonderen Menschen, voranzubringen.“ Wobei man sich bei ihr fragt, wie „noch mehr“ funktionieren soll angesichts dessen, was sie alles macht und gemacht hat.
Barbara Waldkirch ist oft die einzige Frau – daher kann sie kämpfen
„Sie tauchte immer irgendwo auf“, blickt etwa Bert Siegelmann einige Jahrzehnte zurück. Das Auswahlkomitee beobachte mögliche Ordensträger ja über einen längeren Zeitraum. Da sei Barbara Waldkirch ihm früh aufgefallen. Sie sei „eine starke Frau, die keine halben Sachen macht und ihre Selbstständigkeit auch als Philosophie sieht“, so eine der Begründungen des Komitees für die Ehrung. „Oft war sie die einzige Frau, damit konnten manche Männer nicht umgehen, die hat sie verschreckt“, erzählt Siegelmann – und Barbara Waldkirch nickt lächelnd.
So war sie von 2001 bis 2015 als das erste weibliche Mitglied des Präsidiums Vizepräsidentin und ist nun Ehrenmitglied des Präsidiums der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar. Keine einfache Zeit. „Ich musste schon auf mich aufmerksam machen“, umschreibt sie das diplomatisch, lässt aber erkennen, dass es oftmals ein ziemlicher Kampf gewesen sein muss.
Aber kämpfen, das kann sie. Denn trotz aller Freundlichkeit, ja Herzlichkeit, trotz aller sympathischer Ausstrahlung versteht es Barbara Waldkirch, sich zu behaupten, sich durchzusetzen, ja durchzubeißen, für eine Sache einzutreten, Widerstände zu überwinden. „Ich habe mich schon oft aus dem Fenster gelehnt“, sagt sie dazu. Die Kraft dazu hat ihr die – katholisch geprägte – Familie mitgegeben. Sie wächst auf dem Waldhof auf, nahe der Benz-Baracken. Ihr Vater arbeitete bei Vögele. „Er hat uns immer vermittelt: Wichtig ist der Mensch, egal welches Amt er hat.“ Der Vater habe alles getan, dass es ihr und ihrem Bruder mal besser gehe. Die Mutter habe sie immer gestärkt, ihr wichtige Werte vermittelt – heute ist sie, neben all ihren Aufgaben, mit ihrem Bruder für die 92-jährige Mutter da.
Mit ihrem Mann Ralf, den sie im Alter von 15 Jahren in der Schule kennenlernt und 1980 heiratet, bildet sie ein unschlagbares Duo. „Wir machen viel gemeinsam, aber er hat mir immer alle Freiheit für mein Engagement gelassen“, sagt sie anerkennend. Für das Yoga- und Seminarzentrum, das ihr Mann führt, macht sie die Verwaltung und Buchhaltung. Ihre heutige Berufstätigkeit hat sie 1992 begonnen, als ihre drei Söhne etwas älter sind, aber noch zur Schule gehen. Da übernimmt Barbara Waldkirch die Geschäftsführung der Firma Waldkirch KG.
So hat Barbara Waldkirch die Buchhandlung in Feudenheim entwickelt
Die Firma geht auf das Jahr 1542 zurück, hat die erste gedruckte Persönlichkeiten-Enzyklopädie mit Holzschnitten sowie die erste Gesamtausgabe von Paracelsus herausgegeben und war vor dem Zweiten Weltkrieg die größte Druckerei der Region. Inzwischen ist sie Dienstleister ohne eigene Produktion.
Barbara Waldkirch hat das Geschäft zunächst um den Verlag erweitert. 2007 gründet sie zusätzlich die Verlagsbuchhandlung Waldkirch in Feudenheim, die seit November 2012 in größere Räume expandiert und die ein wichtiges kulturelles Zentrum des Stadtteils darstellt. „Niederschwelliges soziales Angebot“ nennt Barbara Waldkirch das, denn die Buchhandlung ist Treffpunkt und Beratungsstelle weit über die Kultur hinaus.
Verleihung erstmals im Opal
- Der Bloomaulorden wurde 1970 vom langjährigen „MM“-Herausgeber Rainer von Schilling, damals Fasnachtsprinz, gestiftet. Zunächst als Orden mit Augenzwinkern gedacht, hat er in Mannheim längst den Rang einer hoch angesehenen bürgerschaftlichen Auszeichnung.
- Ein Dreiergremium entscheidet über die Vergabe der Bronzeplastik des Blumepeter. Überreicht wird sie normalerweise am Fasnachtssonntag im Nationaltheater am Goetheplatz. Doch das wird gerade saniert. Erstmals findet die Veranstaltung jetzt in der Ersatzspielstätte Oper am Luisenpark (Opal) statt – am 2. März um 18 Uhr.
- Diesmal bietet das Stück „Der Operndirektor“ den Rahmen, eine Opernsatire für Jung und Alt von Domenico Cimarosa; danach folgt die Auszeichnung. Die Laudatio hält der Tennis-Meistertrainer Gerald Marzenell, der 2024 ausgezeichnet worden war.
- Der Parkplatz neben dem Opal ist an diesem Tag ausschließlich über die Museumsstraße (temporäre LED-Beschilderung) zu erreichen, da nachmittags ein Hochrisiko-Fußballspiel des SV Waldhof im Carl-Benz-Stadion stattfindet.
Diese Beratung ist ihr wichtig. Sie will Begeisterung fürs Lesen vermitteln, diese wichtige Kulturtechnik, und das über alle Generationen hinweg. Und sie will, dass der lokale Einzelhandel überlebt („Es müssen nicht nur Friseure in der Hauptstraße sein“), engagiert sich deshalb im Gewerbeverein Feudenheim und hat auch da keine Scheu, anzuecken. Vehement hat sie daher gegen die Anwohnerparkzone während der Bundesgartenschau gekämpft, die örtlichen Händlern hohe Umsatzverluste gebracht habe.
Aber sie hat der Bundesgartenschau auch ein Buch gewidmet, das über die 176 Tage hinaus aktuell geblieben ist. Speziell und nachhaltig regionalen Autoren und Projekten eine größere Öffentlichkeit zu geben – das ist ihr Anliegen, da spürt man ihren leidenschaftlichen Lokalpatriotismus besonders. So bringt sie immer wieder mit viel Aufwand, ja Liebe produzierte, qualitativ hochwertige Bücher zur Stadt- und Regionalgeschichte, zur Jüdischen Geschichte und Feuerwehrgeschichte heraus. Sie wagt sich dabei auch an unbequeme Themen und kleine Auflagen, pflegt die Mannheimer und Kurpfälzer Mundart. „Aber wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig“ – das ist ihr Motto: „Ich fühle mich nur gut, wenn ich etwas mache, etwas bewege, meine Talente zur Verfügung stelle“, betont sie.
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