Stadtgeschichte

Ausstellung in Mannheim: So war das Leben bei Carl Theodor

Das Marchivum vermittelt in einer neuen Ausstellung anhand von 20 Biografien, wie das Leben in der Barockzeit in Mannheim war. Wie es Bettlern, Marktfrauen, Bäckern, Soldaten und Hofdamen ging

Von 
Peter W. Ragge
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Marktfrau, Bettler, Bäcker, Soldat, Stadtdirektor, Hofbeamter – Menschen aus der Barockzeit mit ihren Biografien und ihrem Alltag zeigt das Marchivum. © Christoph Blüthner

Mannheim. Zwei kleine Räume, aber doch ein großes Erlebnis - das ist die Ausstellung „Carl Theodors Mannheim“, die das Marchivum jetzt eröffnet hat. Anlässlich des 300. Geburtstags des von 1742 bis 1778 in Mannheim regierenden Kurfürsten kann man sich in die Stadt jener Epoche zurückversetzen und beispielhaft einige der Zeitgenossen näher kennenlernen, die in seiner Ära hier gelebt haben - prominente, aber auch ganz einfache Leute.

„Unsere Idee war, über die Menschen jener Zeit zu reden, nicht über Carl Theodor - denn das machen ja schon andere, unsere Spezialisierung ist die Stadt“, so Thomas Throckmorton, stellvertretender Direktor vom Marchivum und mit Andreas Schenk verantwortlich für die Ausstellung. Wer sie betritt, „der betritt ein Zeitfenster“, sagt Throckmorton. Tatsächlich betritt man einen historischen Stadtplan der Quadrate und kann anhand farbiger Markierungen dann an den Wänden die dazu passenden Stiche der damals prägenden Gebäude sehen.

Barocke Stiche zeigen die Schönheit der Stadt

„Da sieht man, wie schön das barocke Mannheim war“, sagt Schenk - und in der Tat. Die enorm vergrößerten Stiche lassen Paradeplatz, Altes Kaufhaus, Planken und Theater, aber auch Kapuzinerkirche, Neckartor und Rheintor, Sternwarte, Stückgießerei in N 7, Dagonerkaserne in M 3 oder Gardereiterkaserne in M 5 sowie Zuchthaus in Q 6 nochmal ganz anders, prachtvoller und auch detailgenauer zur Geltung kommen. Beeindruckend, wie von der Strohträgerin über Uniformen und Kleider bis zu den Wappen an den Giebeln der Gebäude kleinste Kleinigkeiten auf den alten Stichen jetzt ganz wunderbar erkennbar sind.

Und man erfährt viel über die damals etwa 25 000 Einwohner zählende Stadt. 1700 Gebäude gibt es innerhalb der Festung, davon 1519 Bürgerhäuser, 13 Kirchen, 15 Stoffhandlungen, sieben Hutmacher, drei Buchhändler, aber auch Ochsen, Kühe, Schweine, Schafe. „Wir wollten einen Eindruck vom Leben in der Stadt zur Zeit des Kurfürsten vermitteln“, beschreibt Schenk das Ziel.

Aber den besten Eindruck vermitteln können Menschen - und diese Begegnung ermöglicht die Ausstellung. Wer sie betritt, sieht zunächst Stadtdirektor Jakob Friedrich Gobin, der das höchste Amt innehat - unterhalb des Kurfürsten natürlich. Außer ihm stehen auf dem Stadtgrundriss, umgeben von den historischen Stichen, weitere lebensgroße Aufsteller in barocker Kleidung.

Sie verkörpern insgesamt 20 Personen aus der Barockzeit in Mannheim, erzählen aus ihrem Alltag und bieten auf der Rückseite der Aufsteller weitere Informationen über Lebensläufe und Alltag zur Kurfürstenzeit. „Auch wenn wir den Menschen einzelne Sätze in den Mund gelegt haben, so sind doch alle Namen echt, basieren alle Informationen auf unserer Forschung und unseren Quellen, etwa Ratsprotokollen zwischen 1760 und 1778“, erklärt Throckmorton.

Die Ausstellung

  • Die Ausstellung:Carl Theodors Mannheim – die Stadt, ihre Menschen und der Kurfürst“ ist im Marchivum im Ochsenpferchbunker bis 26. Januar 2025 zu sehen.
  • Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 20 Uhr.
  • Eintritt: frei.
  • Aktionstag für Familien: Sonntag, 27. Oktober, 13 bis 17 Uhr, mit einer Rallye durch die Ausstellung und vielen weiteren Aktionen.

So begegnet man Johann Jakob Ackermann, einem von seinerzeit 40 Bäckern, der etwas davon erzählt, wie streng die Regeln für sein Handwerk sind. Von einem noch strengeren Alltag berichtet die Figur des Ulrich Schumann, ein blinder Bettler, der auf Almosen hofft. Eine Armenfürsorge gibt es zwar in der Ära des Kurfürsten, etwa im Zucht-, Waisen- und Tollhaus in Q 6, aber nur für Einheimische. Fremde Bettler sollen mit Prügeln wieder aus der Stadt getrieben werden, befiehlt er.

Marktfrau Anna Katharina mit ihrem achtjährigen Sohn Karl, Frau eines Tagelöhners, lässt das Leben der einfachen, in der Nähe der Stadtmauer und damit des Abwassergrabens lebender Mannheimer nachvollziehen. Neben ihr ist Soldat Johann Weber postiert, der über Langeweile klagt, wenn er nicht gerade zu Schanzarbeiten abgeordnet wird. Aber Langeweile sei besser als Krieg, meint er - Kriege jedoch führt Kurfürst Carl Theodor nicht.

Hofjude Elias Heymann, Pfarrer Johann Elias Dupre von der Konkordienkirche, Jesuit Anton Klein - sie alle stehen für bestimmte, in der Barockzeit wichtige Lebensbereiche und geben über biografische Informationen zu den einzelnen Personen hinaus einen Einblick in Schulalltag, geistliches und höfisches Leben. Da spielen auch Musiker wie Christian Cannabich eine wichtige Rolle oder Georg Renner, Inhaber vom „Pfälzer Hof“ in D 1, dem damals ersten Haus am Platze unter den 98 Wirtshäusern dieser Zeit.

Thomas Throckmorton in der Rolle des Carl Theodor. © Christoph Blüthner

Catharina Treu, einst berühmte Hofmalerin und als erste Frau in Europa Professorin an einer Kunstakademie, ist zu sehen, die Hofbeamten Stephan von Stengel und Cosimo Alessandro Collini sowie Josepha Seyffert, als 17-jährige Tänzerin am Ballett von Carl Theodor zur Mätresse genommen und später geadelt.

Der imaginäre Rundgang durch die Quadrate und an den Personen vorbei endet, natürlich, im Schloss. Wie prachtvoll es vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs war - das zeigen ebenso großformatige historische Fotos etwa von der riesigen Bibliothek, vom Naturalienkabinett, von Schlosskirche mit Hofloge, Trabantensaal oder Hofoper. Da wird man ganz neidisch, ja traurig angesichts dieser verschwundenen barocken Fülle. Auch hier gibt es drei lebensgroße Aufsteller. Kurfürstin Elisabeth Augusta gesteht ihre „gelegentlichen Abenteuer mit anderen schönen Männern“ und beklagt den nach ihrer Fehlgeburt schwindenden Einfluss am Hof, und Kammerfrau Maria Anna Kassin schildert ihre Pflichten am Hofe und die dafür gezahlte Entlohnung. Sie ist, wie alle anderen Figuren, keine Erfindung - den Namen haben die Ausstellungsmacher aus dem von den meisten Jahren erhalten gebliebenen Kurpfälzischen Hof- und Staats-Kalender entnommen, der alle rund tausend Angehörige des Hofstaats fein säuberlich nach Rang auflistet.

So ganz fehlt Carl Theodor höchstselbst in der modern gestalteten, sehr informativen Ausstellung nicht - aber da endet sie mit einer kleinen Überraschung.

Redaktion Chefreporter

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