Stadtplanung

Auf der Suche nach Mannheims "schönsten Bausünden"

Auf einer Tour durch die Quadrate zeigt die Berliner Urbanistin Turit Fröbe Architektur, die die Meinungen spaltet. Wie umgehen mit Mannheims Bausünden?

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Beim Mannheimer Parkhaus N2 gingen die Meinungen der Spaziergang-Gruppe auseinander. © Marco Partner

Mannheim. Wie bitte? Als „Suche nach den schönsten Bausünden“ der Quadratestadt kündigt der Verein „MOFA“ , „Mannheims Ort für Architektur“, einen City-Sparziergang an.

Klar wissen wir von der legendären Zarah Leander, dass Liebe grundsätzlich schön und ohne Sünde ist. Aber Bausünden, können die ebenfalls schön sein? Die Architekturhistorikerin und Autorin Turit Fröbe hat ihr eigenes Wertesystem von Baukultur - und die muss keineswegs im üblichen Sinne kultiviert sein.

Appell für eine "Umbaukultur"

Für den Stadtspaziergang als Teil der Reihe „Gefährdete Arten - Erhalt versus Abriss in Mannheim“ ist die leidenschaftliche Urbanistin, die ihr Büro „Stadtdenkerei“ nennt, von Berlin angereist.

Beim Bausünden-Rundgang durch Mannheim regte die aus Berlin angereiste Urbanistin Turit Fröbe (Mitte) zum Nachdenken an. © Marco Partner

Am Treffpunkt Dalbergplatz N 2 prangen an einer Infosäule Abreißblätter mit Texten wie „Der Gebäudesektor ist der schlafende Riese im Klimaschutz“. Nicht nur einmal wird Turit Fröbe betonen: „Wir müssen zu einer Umbaukultur kommen“ - weil die Zeiten vorbei seien, in denen Bausubstanz mit „grauer Energie“ ohne Nachdenken über nachhaltigere Alternativen niedergewalzt werde.

Weg von der Mittelmäßigkeit

Die Urbanistin zieht „schöne Bausünden“ jener „mittelmäßigen“ Architektur vor, die weder als gut noch als schlecht, sondern überhaupt nicht wahrgenommen wird. Dazu zählt Fröbe austauschbare „ Investoren-Architektur“, an der das Auge sozusagen abrutscht. Ihr Credo: „Eine Stadt muss Gesicht zeigen, sich einprägen.“ Auch wenn dabei so manches vom flüchtigen Zeitgeist abweiche.

Parkhaus oder Wohnungen in der Innenstadt

Abreißen oder stehen lassen? Darüber gehen bei dem in den 1960ern hochgezogenen N2-Parkhaus die Meinungen auseinander - auch bei der Spaziergang-Gruppe. Diese inspiziert kritisch die in strengem Design mit senkrechten Lamellen und waagerechten Geschossplatten gestaltete Beton-Hochgarage, die sich an einer Wand mit einem Kletterpflanzen-Vorhang und zum Platz hin mit bunt aufgemalten Illustrationen präsentiert.

Der Verein „MOFA“

  • Der Verein „MOFA“ versteht sich als Plattform für eine offene Auseinandersetzung über Bauten und Stadtgestaltung. Weitere Informationen unter: www.mofa-online.org.
  • „Nichts Neues - Eine neue Umbaukultur“ : Dazu gibt es am 19. Oktober, 19 Uhr, im „Forum“, Neckarpromenade 46, eine Kreativwerkstatt mit Vortrag und Debatte zu Themen wie Abriss-Moratorium oder zum Erhalt statt Abriss des Spinelli-Kasernengebäudes. 

An solch einem Standort, kommentiert eine Frau, sollte es Wohnungen geben und keinen „Beton-Klotz“ für Pkw. Fröbe kontert: Wer in der City Autos vom Straßenrand weg haben will, der müsse Parkhäuser zur Verfügung stellen - jedenfalls übergangsweise.

"Alt ist das neue Neu"

Bei der Bausünden-Debatte gibt sie zu bedenken: So manches, was aus der Mode gerät, betrachte die nächste Generation möglicherweise ganz anders. „Alt ist das neue Neu“ lautet die Botschaft eines Plakates der Serie „Gefährdete Arten“.

Hässlich oder erhalten? Das Mannheimer Stadthaus. © Thomas Tröster

Ein aus Frankreich stammender Wahl-Mannheimer wirft ein, dass der 1889 von Gustave Eiffel erbaute Turm erst massivem Widerstand ausgesetzt war - weil Architekten wie Kunstschaffende die Schönheit von Paris beschädigt sahen. Bekanntlich sollte das verpönte „Skelett von einem Glockenturm“, so ein damals kursierender Spott, zu Weltruhm samt Kultstatus gelangen.

Stadthaus als "Mannheims größtes Wohnzimmer"

Am Paradeplatz driften die Meinungen dann ebenfalls auseinander. Turit Fröbe wertet das an der Stelle des zerstörten Alten Kaufhauses errichtete Mehrzweckgebäude als „gute Bausünde“. Und diese widerlege, dass in den 1990ern Architektur entweder postmodern oder Hightech sein musste - sie konnte laut Fröbe beides sein: „Beim Stadthaus kreuzte man den griechischen Tempel mit Barockschloss und Centre Pompidou“. Für das Multifunktionsgebäude wünscht sie sich eine öffentliche Nutzung: „So etwas wie Mannheims größtes Wohnzimmer“, mit mannigfachen Angeboten.

Ungewöhnliche Sicht von oben

Zum Abschluss „erklimmt“ die Gruppe das Dach des N2-Parkhauses, wo nur selten Autos stehen. Die Stadtspaziergänger staunen über diesen fast ungenutzten öffentlichen Raum mit überraschender Stille.

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Miriam Rausch und Valentin von der Haar, beide aktiv bei „MOFA“ , erzählen, dass sie hier oben häufig junge Menschen treffen, die wie sie die ungewöhnliche Sicht auf umgebende Gebäude, beispielsweise die seitliche Glasfront des Stadthauses, genießen und dabei den Tag ausklingen lassen.

Freie Autorin

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