Mannheim. Der Meteorologe und ARD-Wettermoderator Sven Plöger tritt am Mittwoch, 20. November, im Mannheimer Capitol auf. Mit seiner Live-Show „Alles Klima, oder was?“ setzt er sich aktiv dafür ein, das Bewusstsein für den Klimawandel zu schärfen und Menschen zu motivieren, sich für den Schutz unseres Planeten einzusetzen. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas wird Sven Plöger seinen Humor dabei nicht verlieren. Er ist kein Missionar, sondern will Haltung durch Unterhaltung vermitteln – denn was in unserer Atmosphäre passiert, ist – in Plögers Worten – „einfach richtig spannend“. Der „MM“ hat vorab mit ihm gesprochen.
Herr Plöger, aktuell ist der Klimawandel angesichts der zahlreichen politischen Krisenherde auf der Erde ziemlich in den Hintergrund gerückt. Warum ist das so?
Sven Plöger: Das Klima ist zwar ein ernstes Thema, aber der Klimawandel ist ein schleichender Prozess. Wenn uns Menschen etwas anderes mehr Sorgen macht – und da gibt es im Moment genug Situationen rund um den Globus – neigen wir dazu, den Klimawandel zu verdrängen. Die Bedrohung sieht ja so aus, dass irgendwann irgendwo irgendjemandem irgendwas passieren kann. Das ist nicht sehr konkret, und dann sagt man schnell Sätze wie „warten wir erstmal ab, vielleicht sind wir ja selbst gar nicht betroffen“.
Können wir uns diese Warteschleife eigentlich leisten?
Plöger: Nein. Wenn Sie von „leisten“ sprechen: Es gibt ökonomische Studien, laut derer jeder nicht in den Klimaschutz gesteckter Euro später mit zwei bis elf Euro zurückgezahlt werden muss. Und wer wird das machen?
Unsere Kinder und Enkelkinder.
Plöger: Genau. Aber wer sagt seinen Kindern schon: „Dir soll es später mal schlechter gehen als mir?“ So etwas machen Eltern nicht. Sie wünschen sich, dass es ihren Kindern später besser oder mindestens gleich gut geht. Wir tun im Moment aber alles dafür, dass das nicht so sein wird. Das ist der Punkt, an dem ich über Haltung sprechen möchte.
Nur zu.
Plöger: Jede und jeder muss für sich überlegen, wo er steht. Deswegen geht es in meinem Vortrag zwar auch um Fakten, aber es wird auch lustige Sachen geben – ich möchte unterhalten. Man kann auch mit Humor an Dinge herangehen, die sehr ernst sind. Mit dem erhobenen Zeigefinger kommen wir nicht weiter.
Werden die Zuhörer nach Ihrem Vortrag wissen, wie sie ihr Verhalten ändern können?
Plöger: Ich bin kein Ratgeber, ich bin Meteorologe. Ich beschreibe eine Situation und möchte vermitteln, dass wir das Thema nur in den Griff bekommen, wenn wir gemeinsam handeln. Zu erklären, die anderen müssen sich ändern, reicht nicht. Auch man selbst ist Teil des Ganzen, wir bewohnen den Planeten gemeinsam. Natürlich passiert politisch zu wenig, aber zu warten, bis die Politik „es angerichtet hat“ und zuvor alles eher tatenlos zu kritisieren, führt uns nicht weiter. Jeder ist eine kleine Stellschraube und die Summe von acht Milliarden Stellschrauben ist eine große Stellschraube.
Was ist es für eine Haltung, wenn der bayerische Ministerpräsident Markus Söder die Grünen als Hauptrivalen ausruft?
Plöger: Das ist gar keine Haltung. Es gibt eine wachsende Zahl an Nichtdemokraten im Land. Das sollten die Rivalen sein. Grüne und CSU passen an vielen Stellen zusammen. Ich weiß es selbst aus interessanten Gesprächen. Was den Klimaschutz angeht, hat die Politik im Moment fürchterlich viele Ideen, wie man längst Erreichtes wieder zurückschrauben kann. Ich würde mir vielmehr Ideen wünschen, wie man eine Transformation zur Nachhaltigkeit ökonomisch schlau gestalten kann!
Die AfD ist derzeit politisch in Deutschland auf der Überholspur, hält den Klimawandel aber für Fake News.
Plöger: Francis Bacon hat mal gesagt: „Wissen ist Macht“. Wenn man es herumdreht, kommt „Unwissen ist Ohnmacht“ heraus. Und das ist unser Riesenproblem. Unser Wissensstand in Physik, oft sogar in der Naturwissenschaft allgemein, ist oft überraschend schwach. Wären wir da besser, könnten unsinnige bis obskure Beiträge von Klimaforschungsleugnern nicht gleich eine ganze Gesellschaft verunsichern.
Zur Person
- Sven Plöger ist Diplom-Meteorologe, Autor und Fernsehmoderator. Seit über 20 Jahren präsentiert er in der ARD das Wetter.
- Darüber hinaus beschäftigt sich Plöger auch als Autor mit den Themen Klima und Wetter. Sein Debüt war „Gute Aussichten, für Morgen“ (2012), es folgten „Klimafakten“ und „Zieht euch warm an, es wird heiß“ (2020), „Die Alpen und wie sie unser Wetter beeinflussen“ und „Zieht euch warm an, es wird noch heißer“.
- 2010 wurde Plöger mit der Auszeichnung als „Bester Wettermoderator Deutschlands“ geehrt. vg
Manche sagen, den Klimawandel habe es vor uns Menschen auch schon gegeben ...
Plöger: Das stimmt natürlich. Aber der entscheidende Unterschied zwischen dem natürlichen und dem menschengemachten Klimawandel ist die Geschwindigkeit der Änderung. Für das, was wir global in ein paar Jahrzehnten angerichtet haben, braucht die Natur Jahrtausende.
Nochmal zum Klimaschutz: Der ist ja immer auch eine Kostenfrage.
Plöger: Ich finde Wirtschaft und Wohlstand hochgradig wichtig. Aber wir müssen beides dauerhaft nachhaltig hinbekommen. Keine Volkswirtschaft kann sich die Schäden durch den Klimawandel auf Dauer leisten. Schauen Sie sich mal das Ahrtal an. Man hätte frühzeitig Rückhaltebecken bauen können, denn die latente Gefahr heftiger Hochwasser, verstärkt durch den Klimawandel, war ja bekannt. Man wusste aber, dass solche Rückhaltebecken ungefähr ein bis zwei Milliarden Euro kosten. Solche Ausgaben halten wir für die Prävention für zu hoch, also wird gegen eine solche Investition gestimmt. Und am Ende zahlen wir nun 40 Milliarden Euro.
Dagegen wäre das Rückhaltebecken geradezu ein Schnäppchen gewesen …
Plöger: So ist es. Es wird politisch nicht ausreichend verstanden, dass wir eine Transformation hin zur Nachhaltigkeit benötigen. Ob wir das jetzt wollen oder nicht, ist vollkommen uninteressant. Wir können auf dieser Welt auf Dauer nicht nicht-nachhaltig leben. Es ist nur die Frage, ob wir die Transformation selbst gestalten. Dann wird es günstiger, und es wird weniger menschliches Leid geben. Oder wir ignorieren einfach alles, schauen, was kommt und müssen dann eben mit sehr viel Geld und sehr viel Leid leben. Am Ende haben wir die Transformation trotzdem. Der Planet braucht nicht uns, wir brauchen ihn. Das hat mit Haltung und Respekt zu tun.
Mannheim ist Modellstadt für klimaneutrale Städte bis 2030. Schon jetzt ist klar, dass wir das nicht rechtzeitig schaffen ...
Plöger: Das Wort rechtzeitig wiegt furchtbar schwer. Unser globales Klimaziel, das wir immer wieder ausrufen, werden wir reißen, denn wir stehen schon ganz knapp davor. Die Starkniederschläge, jetzt wieder in Österreich und Tschechien, nehmen zu. Zwei Hurricane in Florida direkt nacheinander, Hitzerekorde, Trockenheit, Waldbrände. Vor kurzem 50 Grad flächendeckend in Pakistan, da kann kein Mensch leben. Das heißt, wir machen gerade aus Sicht der Natur ganz viel falsch. Ich finde es richtig, dass Kommunen Ideen haben und Maßnahmenkataloge erstellen. Wenn wir das nicht machen, machen wir einfach gar nichts.
Sie meinen, wir brauchen mehr gute Nachrichten?
Plöger: Wir reden sehr oft über das, was nicht richtig funktioniert. Die Gefahr: Wenn wir uns gegenseitig die Geschichte erzählen, dass wir sowieso keine Chance mehr haben, dann wird das schnell eine sich selbsterfüllende Prognose. Im Moment ist das aber nicht ganz leicht, denn die weltpolitische Lage ist eine schwierige. Wir haben mit vielen Krisen gleichzeitig zu tun. Sie machen uns Sorgen und das führt oft zu Ängsten. Diese nutzen Populisten, und deswegen sind derzeit die Ergebnisse von Wahlen in vielen Ländern leider so, wie sie sind. Wir müssen lernen, auf die Dinge zu schauen, die schon erfolgreich waren. Wir müssen auch in andere Länder schauen, wo man vielleicht nicht immer alles so sehr zerredet, wie wir es in Deutschland gerne tun. Wir müssen Ideen haben, Mut haben, Begeisterung vermitteln. Dann wird vieles schon ein bisschen leichter.
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