Naturschutz

Angriffslustige Nosferatu-Spinne breitet sich in Mannheim aus

Sie ist recht groß und beißt auch mal zu  - die Nosferatu-Spinne stammt aus dem Mittelmeerraum. Doch längst ist sie auch in Mannheim und Umgebung heimisch. Ein Fachmann spricht über das giftige Tier

Von 
Christine Maisch-Bischof
Lesedauer: 
Ihre markante Rückenzeichnung im Kopfbereich ist gut erkennbar: die Zoropsis spinimana oder Nosferatu-Spinne. Inzwischen sind die eigentlich im Mittelmeerraum beheimateten Tiere auch in Mannheim und der Region angekommen. © Marcus Oehler

Mannheim. Noch bis vor ein paar Tagen zählten Doris und Hubert Berberich zu jenem Menschentypus, den nichts so schnell aus der Fassung bringen kann. Schon gar kein kleines Tierchen auf dünnen Beinen. Mitten im Grünen, auf dem Almenhof, wohnend, ist das Ehepaar den Anblick von Insekten durchaus gewohnt. Und verirrt sich doch mal ein Weberknecht in die Wohnräume, dann fangen die Beiden den ungebetenen Gast einfach ein und setzen ihn auf den Rasen vor der Tür. Wohlgemerkt bis vor einigen Tagen.

Inzwischen hat Hubert Berberich das gesamte Schlafzimmer samt Rollladenkasten auf den Kopf gestellt. Und seine Frau sagt, sie habe nie in ihrem Leben an einer Spinnen-Phobie gelitten. Nun sei sie „ganz nahe dran.“ Schuld daran ist ein fast Zwei-Euro-Stück großer Tierkörper, der auf haarigen, langen Beinen angekrabbelt kommt und dessen Biss ganz schön schmerzen kann: Die Kräuseljagd- oder Nosferatu-Spinne stammt aus dem Mittelmeerraum. Doch längst hat sie es sich auch in Mannheim und der Region gemütlich gemacht.

Spinne ist ein fotoscheues Wesen

Und ruft Mannheims Naturschutzbeauftragten Gerhard Rietschel auf den Plan. „Die Anrufe und Anfragen, meist mit Fotos, häufen sich in den letzten Jahren“, berichtet der Biologe. Ob im Gewächshaus, im Briefkasten oder gar im Wohnzimmer, die unliebsamen Besucher machen sich überall breit - sogar bis unter die Haut. Davon konnte sich Gerhard Rietschel am eigenen Leib überzeugen. Und so verbreitet der Naturwissenschaftler zwar die Botschaft „Kein Grund zur Panik“. Doch als er den einst in unseren Gefilden exotischen Gliederfüßer auf dem Gartentisch ablichten wollte, gab sich der Zoropsis spinimana fotoscheu.

Nosferatu-Spinne

  • Die Nosferatu- oder Kräuseljagd-Spinne - lateinischer Name Zoropsis spinimana - gehört zur Ordnung der Webspinnen, einer Klasse der Gliederfüßer.
  • Ihr Körper erreicht einen Durchmesser von bis zu zwei Zentimetern, mit Beinen insgesamt bis zu acht Zentimetern.
  • Ein Biss kann Schwellungen und Rötungen hervorrufen. Besteht allerdings keine besondere Allergie, wirkt sich der Biss der Nosferatu-Spinne aus wie ein leichter Bienenstich.
  • Die Spinne ist infolge des Klimawandels aus dem Mittelmeergebiet in den deutschsprachigen Raum zugewandert. In Österreich etwa wurde sie das erste Mal im Jahr 1997 an einer Hauswand in Innsbruck entdeckt. Ursprünglich ist sie im Gebiet rund um das Mittelmeer bis hinauf nach Südrussland beheimatet.
  • Als giftigste Spinne in Deutschland gilt neben der inzwischen fast ausgestorbenen Wasserspinne der Ammen-Dornfinger. Es ist die einzige Spinnenart Mitteleuropas, die theoretisch in der Lage ist, dem Menschen ernsthafte - aber glücklicherweise keine tödlichen - Vergiftungen zuzufügen.

Als Rietschel das Prachtexemplar mit der flachen Hand an der Flucht hindern wollte, biss es zu. „Eine Hummel kann man sogar in der geschlossenen Handfläche ins Freie transportieren. Die sticht nur zu, wenn sie massiv bedrängt wird.“ Die Nosferatu-Spinne gibt sich da deutlich angriffslustiger. Das kann dem Menschen allerdings nicht wirklich gefährlich werden. „Eine leichte Rötung und Schwellung an den zwei Bissstellen, wie nach einem leichten Bienenstich, und danach zwei, drei Tage lang ein Kribbeln, als ob man in Brennnesseln gegriffen hätte - mehr passiert nicht“, versichert Rietschel.

Solch einen Angriff auf Distanz erlebte auch Hubert Berberich. Er entdeckte die achtbeinige Giftspritze eines Abends auf dem Küchenboden. „Ich wollte sie mit den bloßen Händen fangen und ins Freie entlassen.“ Doch seine Finger waren noch drei Zentimeter entfernt: „Da nimmt sie Anlauf und kneift mit den Mundwerkzeugen rein.“

Mehr zum Thema

Morgenupdate

Die Nachrichten am Morgen für Mannheim und die Region

Veröffentlicht
Von
jab
Mehr erfahren

Als Hobby-Handwerker habe ihn seine Hornhaut geschützt: „Das hat nur ein bisschen gekribbelt.“ Aber schon einen Tag später hört er einen Schrei aus dem Schlafzimmer. Seine Frau hatte eine Spinne am Vorhang entdeckt und wollte sie wegwischen: „Aber die hat mich richtig angesprungen.“ Nach einem zweiten Fund im Fensterflügel suchen die Almenhöfer den ganzen Raum mit der Taschenlampe ab, werden auch an der Wand fündig. „Meine Frau hat dann ein paar Nächte im Wohnzimmer geschlafen. Und ich habe in den folgenden Tagen die Rollladenkästen aufgeschraubt, die ganzen Schränke ausgeräumt und die Betten abgesucht.“ Ja, klar, es gebe Schlimmeres, das wisse er wohl: „Aber wer möchte schon Nosferatu-Spinnen im Schlafzimmer.“

Und Arachnophobiker, das heißt, Menschen, die sich schon vor kleinen Spinnen heillos fürchten, werden sich von der Harmlosigkeit der Biester nicht so ohne Weiteres überzeugen lassen. Die nachtaktiven Tiere spinnen übrigens keine Netze, sondern lauern nächtens an der Wand auf Beute.

Tier „zutzelt“ seine Beute aus

Vor dem Tier fürchten, das muss man sich aber auch nicht, beruhigt Rietschel ängstliche Gemüter. „Mit einem Glas einfangen, und dann nach draußen befördern“, rät der Experte. Dort wirkt das Geschöpf mit dem Gruseleffekt durchaus segensreich. Als Insektenfresser und Schnakenvernichter hält die Kräuseljagdspinne dem Menschen Lästlinge vom Leib.

Obwohl sie zu den Webspinnen gehört, hinterlässt die Zoropsis spinimana keine Netze. „Es sind laufende Jäger, die ihrer Beute auflauern und sie einfangen“, sagt Experte Rietschel. Mit ihren Kieferklauen spritzt die Spinne dem Opfer lähmendes Gift und „zutzelt“ es anschließend aus, so dass nur noch eine Hülle übrigbleibt.

Apropos Blutsauger, Vampire und Untote: Die Nosferatu-Spinne trägt ihren Namen, weil ihre Rückenzeichnung dem Kopf des Monsters aus den Karpaten gleicht, das Friedrich Wilhelm Murnau für seinen Spielfilm aus dem Jahr 1922 in die Kinosäle brachte. Der Draculaähnliche hat einen blassen, kahlen Kopf mit langen, abstehenden Ohren und zwei großen, dunklen Augenhöhlen.

Und wie geht es den Berberichs inzwischen? Noch betreten sie ihr Schlafzimmer zwar mit Taschenlampe und durchaus gemischten Gefühlen, durchsuchen vor dem Zubettgehen jeden Winkel nach den Mini-Monstern. „Es braucht seine Zeit bis man das alles verarbeitet“, räumt Hubert Berberich nach der Heimsuchung auf acht pelzigen Beinen ein. Doch so langsam stellt sich auch in dem Anwesen im Süden der Stadt wieder der häusliche Frieden ein.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen